Werwölfe

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Jaime

Ich schleppte meine Schwester durch die Gänge und hoffte inständig, dass es ihr schnell wieder besser ging.
,,Diggory, Gaunt, warum seid ihr nicht um Unterricht?", meinte die gefährlich leise Stimme von Professor Snape plötzlich von hinten. Er schritt auf uns zu und sah kurz zu Allana, die einen ziemlich kranken Eindruck machte.
,,Ein Irrwicht", erklärte ich meinen Hauslehrer. Snape nickte nachdenklich und beugte sich zu meiner Schwester hinunter. ,,Sie hat vermutlich einen Schock. Wolltest du sie in den Krankenflügel bringen?", fragte er mich, ohne von Allana abzulassen.
,,Das hatte ich vor, Professor. "
Snape untersuchte kurz Allanas Herzschlag und stand dann wieder auf.
,,Ihr wird es bald besser gehen."
Er wollte sich abwenden, aber mir kam gerade ein Gedanke. ,,Professor, Sie haben gesehen, dass wir beide sehr anfällig für Dementoren und Irrwichten sind. Können Sie uns helfen, uns gegen diese Geschöpfe zu verteidigen? "
Snape drehte den Kopf langsam wieder in unsere Richtung. ,,Ich könnte euch den Patronus-Zauber beibringen, aber ich bin nicht euer Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste. Ihr werdet", - seine Augen verengten sich zu Schlitzen und er schien die nächsten Worte geradezu herauszuwürgen -, ,,Professor Lupin fragen müssen. "
,,Aber Sir", wandte ich ein, ,,ich glaube, Sie können uns besser etwas beibringen als Professor Lupin. Wir haben von Ihnen schließlich schon im letzten Jahr Nachhilfe bekommen."
Mir war bewusst, dass ich nahe am Betteln war und Snape hasste Betteln.
,,Nun gut", meinte er aber plötzlich mit verschlosser Miene, ,,morgen Abend um Fünf Uhr in meinem Büro."
Er rauschte Richtung Kerker davon.
,,Was sollte das denn?", fragte meine Schwester mich schwach, doch ich hörte ihre Missbilligung heraus. ,,Warum fragst du ausgerechnet Professor Snape?!"
,,Wir sind extrem anfällig für Angst, das ist dir doch schon aufgefallen. Ich habe keine Ahnung, warum das so ist, oder warum es nur bei uns beiden so ist, aber ich will mich von der Angst nicht beeinträchtigen lassen! Ich will keine Angst haben!", meinte ich lauter als eigentlich beabsichtigt. ,, Außerdem ist er der beste Mann für sowas", fügte ich etwas leiser hinzu und zog sie weiter.
,,Das kann schon sein, aber er ist der Hauslehrer von Slytherin! Können wir nicht einfach Lupin fragen?"
,,Zu spät."
Meine Schwester schnaubte nur und ließ sich von mir weiter führen. Ich wusste, dass ihr zusätzlicher Unterricht ganz und gar nicht schmeckte. Aber es war meiner Meinung nach einfach notwendig!
,,Außerdem", fuhr sie fort, ,,ist bald das Spiel gegen Hufflepuff und zwar bei Gewitter! Und obwohl ich Harrys Fähigkeiten als Sucher schätze, glaube ich, dass Cedric ihm überlegen ist! Deswegen müssen die Jäger - zu denen auch ich gehöre - zusätzlich trainieren! "
Warum nahmen alle Quidditch so ernst?, dachte ich genervt, es war doch nur ein Spiel!
Allana musste anhand meines verkniffenen Gesichtsausdrucks meine Gedanken erraten haben, denn sie baute sich vor mir auf.
,,Reg dich ab, Al. Sonst kriegst du wieder einen Schock", murmelte ich, doch sie unterbrach mich. ,,Quidditch ist der Nationalsport der Zauberer! Es werden also gewisse Ansprüche gesetzt, die man einhalten sollte!"
,,Mir egal", grummelte ich und schob sie weiter Richtung Krankenflügel. ,,So, jetzt kannst du Draco schön Gesellschaft leisten, der muss nämlich die Nacht über hier bleiben. "
Meine Schwester starrte mich geschockt an. ,,Kein Scherz?!"
,,Siehst du mich lachen?"
Ich ließ ihr keine Zeit zu antworten, sondern holte Madame Pomfrey, die Allana sofort etwas Schokolade anbot.
Ich eilte zur Tür, bevor Allana mir noch eine rüde Bemerkung entgegenschmettern konnte und machte mich auf den Weg zur Bibliothek.
Einen Punkt auf meiner Liste hatte ich jetzt abgehakt: Snape nach Nachhilfe fragen.
Jetzt musste ich nur noch Hermine in der Bibliothek aufstöbern, damit sie mir bei dem zweiten Punkt auf meiner Liste helfen konnte: meine Mutter.
,,Hermine!", rief ich als ich die Bibliothek betrat und kassierte dafür einen bösen Blick von Madame Pince.
Ich huschte davon und suchte die Gänge zwischen den Regalen nach der lockigen Gryffindor ab. Endlich entdeckte ich sie an einem Tisch am Ende des Raumes, wo sie einen Stapel Bücher neben sich liegen hatte. Sie wirkte vollkommen konzentriert und eine kleine Falte hatte sich auf ihrer Stirn gebildet.
Ich trat näher und las einen der Titel laut vor. ,,Die Merkmale eines Werwolfs."
Ich hob eine Braue. ,,Hermine, wie kommst du nur immer auf solche Lektüren?"
Ich ließ mich ihr gegenüber auf einen Stuhl sinken und nahm ihr das Buch aus der Hand.
,,He!", rief sie empört aus, aber ich grinste nur und klappte es zu. ,,Ich weiß im Gegensatz zu dir die Seitenzahl, also hör mir einfach zu.
Ich habe alle Informationen über meine Mutter zusammengetragen und will, dass du mir hilfst, sie zu finden."
Hermine wirkte davon alles andere als begeistert. ,,Warum fragst du nicht Malfoy?"
Ich rückte mit dem Stuhl näher an sie heran. ,,Du magst es vielleicht noch nicht eingesehen haben, aber tief im Herzen weißt du doch, dass wir einfach nur ein perfektes Team sind. Wir beide", meinte ich und machte eine weit ausholende Geste, ,,wir sind zwei Genies, die zusammen einfach nur unschlagbar sind!"
,,Du bist so bescheiden", murmelte Hermine trocken und versuchte mir das Buch zu entreißen.
,,Wir haben sogar den gleichen Humor!", grinste ich und hielt das Buch gerade so, dass sie es nicht erreichen konnte. ,,Also, was sagst du? Hilfst du mir? Ich wäre natürlich auch bereit, dir bei dem Thema Werwölfe zur Seite zu stehen."
Ich schenkte ihr ein gewinnendes Lächeln und sie seufzte schwer. Ich wusste, dass sie angebissen hatte. ,,Na gut."

Allana

Ich knabberte an einem Stück Schokolade und zog mir die flauschige Bettdecke bis zum Kinn. Es war ziemlich kalt hier. Und verdammt langweilig.
Kurz überlegte ich, ob ich nicht einfach schlafen sollte, schließlich hatte ich sowieso nichts zu tun, aber in dem Moment öffnete sich die Tür.
Malfoy trat herein und ich kuschelte mich ein wenig tiefer unter die Decke. Ich hatte überhaupt keine Lust mit ihm zu sprechen und schloss schnell die Augen. Vielleicht kaufte er mir ja ab, dass ich schlief...
Doch meine Hoffnungen wurden sogleich im Keim erstickt. ,,Du bist eine noch schlechtere Schauspielerin als ich", meinte der Slytherin und zog mir die Decke weg.
Zugleich wurde mir eiskalt und ich rieb fröstelnd die Arme und Beine aneinander. Schließlich trug ich nur einen Schlafanzug. ,,Gib die Decke her!"
Er seufzte schwer und deckte mich wieder zu. Dann tapste er weiter und ich hörte ein Rascheln, als er sich ins andere Bett legte. ,,Was sollen wir zwei Hübschen jetzt machen?", fragte er mich und wackelte anzüglich mit den Augenbrauen.
,,Was du machst, ist mir egal, ich jedenfalls gehe jetzt schlafen!"
Ich drehte mich um, damit ich ihn nicht mehr länger ansehen musste und tat so, als müsse ich gähnen.
,,Ich falle immer noch nicht drauf rein."
Aber ich beschloss, ihn einfach nicht mehr zu beachten und vergrub mich unter der Decke.

Seine Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt