AllanaDer nächste Tag verstrich wie im Flug. Im merkte gar nicht, wie die Zeit raste, als wollte sie den heutigen Abend so schnell wie möglich erreichen. Mit jeder vergangenen Stunde, mit jeder vergangenen Minute wuchs die Anspannung in mir, bis ich am Abend vor lauter Nervosität nicht mehr stillsitzen konnte und jedem auf die Nerven ging. Beim Abendessen war mein Appetit bereits gründlich verdorben und das einzige, was ich aß, waren ein paar kleine Kartoffeln. Ich starrte missmutig auf meinen vollen Teller. Vielleicht konnte ich Black einfach den Rest geben... Vorausgesetzt natürlich, er brachte mich nicht vorher um. Wenn er's versucht, bekommt er es mit der Macht Slytherins zu tun. Hoffentlich würde mein Plan aufgehen.
,,Wisst ihr", begann ich, ,,mir geht es im Moment nicht so gut. Ich glaube, ich gehe lieber noch oben und esse dort weiter. "
,,Okay", meinte Harry. Hermine las weiter in ihrem Buch und Ron schaufelte sich weiter Essen in den Mund.
Teil eins meines Plans war aufgegangen. Jetzt musste ich nur noch unauffällig verschwinden. Aber wozu gab es denn sonst die Karte der Rumtreiber!
Als ich im Turm ankam, durchsuchte ich sofort Harrys Koffer nach dem Pergament. ,,Ich schwöre feierlich, ich bin ein Tunichtgut", murmelte ich, als ich es gefunden hatte. Auf dem Pergament bildeten sich Linien und Punkte, die sich zu einer Karte von Hogwarts und der Umgebung formten.
Aber was mich interessierte, waren die geheimen Gänge. Es gab drei, die aus Hogwarts führten. Einer von ihnen führte direkt in den Honigtopf, zumindest hatte Harry das so gesagt. Aber ich musste mich beeilen, denn Snape war in der Nähe.
Hastig zog ich mich um: statt der Schuluniform trug ich jetzt einen schwarzen Kapuzenpullover und eine ebenfalls schwarze Jeans. Die Haare band ich zu einem Zopf zusammen und den Zauberstab nahm ich in die Hand. Das restliche Essen packte ich in einen kleinen Beutel. Die Karte der Rumtreiber nahm ich mit, Harry würde sie heute sowieso nicht brauchen.
Ich schlich die Flure entlang. Noch waren alle beim Essen, also war es hier ziemlich still. Aber ich musste mich trotzdem beeilen.
Dank der Karte wusste ich, dass Snape sich wieder entfernt hatte und sich jetzt in der Nähe der Kerker befand. Ich hatte also freie Bahn.
Meine Schuhe klackerten ein wenig, als ich zum geheimen Tunnel eilte und ein Mal mit dem Zauberstab dagegenklopfte. Ein kleiner Eingang formte sich daraus, aber das ganze wurde von einem grauenvollen Quietschen unterbrochen. Mein Herz machte einen Sprung. Wenn das einer der Lehrer gehört hatte...
...dann bin ich tot.
Aber es kam niemand. Noch. Ich schlüpfte durch die schmale Öffnung und der Spalt hinter mir schloss sich erneut geräuschvoll.
Völlige Dunkelheit umgab mich zuerst und eine Spur von Panik durchzuckte mich. Ich hatte keine Ahnung, wie der Gang aussah, wie breit er war und wann er endete. Eigentlich litt ich nicht an Angst vor engen Räumen, aber in diesem Fall... Auf einmal meldete sich mein Verstand zu Wort. Mach doch einfach Licht!, fauchte er mich an.
Sehr gute Idee.
,,Lumos", murmelte ich leise und auf der Spitze meines Zauberstabs flammte ein Licht. Es erleuchtete die Wände der Gänge und zeigte die Richtung an, in die ich gehen musste.
Der Tunnel war länger, als ich erwartet hatte. Es dauerte beinahe eine volle Stunde, bis der Eingang zum Honigtopf endlich in Sicht kam. Es war nur eine schmale Luke, die ich deswegen beinahe übersehen hätte. Aber das war wohl der Sinn und Zweck eines Geheimgangs: Dass ihn niemand durch Zufall fand.
Ich quetschte mich hindurch.
Nun befand ich mich im Lagerraum des Honigtopfs.
Es war still. So still, dass mir der eigene Atem unnatürlich laut erschien. Das Blut rauschte, wie ein Wasserfall in meinem Kopf.
Ich verließ den Laden und fand mich auf der Hauptstraße von Hogsmeade wieder.
Es war ziemlich kalt geworden. Mein Atem bildete kleine Wölkchen und winzige Schneeflocken wirbelten um mich herum. Morgen würden die gesamten Ländereien von einer dicken Schneeschicht bedeckt sein.
Schon jetzt hatte sich Schnee am Boden festgesetzt und knarzte unter meinen Stiefeln.
Der Eberkopf befand sich am anderem Ende des Dorfes, genau dort, wo das Licht der Laternen spärlicher wurde und die Gebäude düsterer. Ich zog mir die Kapuze tief ins Gesicht, dann betrat ich die Schenke.
Im Inneren war es fast genauso kalt wie draußen, außerdem stank es nach Ziege. Das Lokal war nur spärlich besucht und von den Gästen machte keiner einen beruhigenden Eindruck. Ein Betrunker torkelte an mir vorbei ins Freie und übergab sich.
Ich rümpfte die Nase. Mein Blick wanderte über die wenigen Personen und blieb an einem Mann mit Kapuze hängen, der zurückgezogen im Schatten saß. Er nickte mir knapp zu. Ich schluckte, ging dann aber zu ihm und setzte mich ihm gegenüber. ,,Black", begrüßte ich ihn kurz.
,,Allana", meinte er und ich könnte schwören, dass er amüsiert war. ,,Kann ich einen Desillusionierungs-Zauber über uns legen, denn es wäre für uns beide nicht ratsam, gesehen zu werden." Seine Stimme klang heiser, er war vermutlich erkältet.
,,Ja, natürlich", meinte ich.
Black holte seinen Zauberstab aus dem Umhang und ich verkrampfte mich augenblicklich. Wenn er mich angreifen wollte...
Doch er richtete den Stab nicht auf mich, sondern auf die Decke. Dann sprach er einen kurzen Zauber.
,,Fertig", sagte er, ,,Jetzt sind wir für die anderen unsichtbar, niemand kann uns mehr sehen."
,,Sehr gut. Expelliarmus!" Blacks Zauberstab flog aus seiner Hand und ich fing ihn auf. Einen kurzen Moment wirkte er vollkommen geschockt. Dann lachte er bellend auf. ,,Damit habe ich in keinster Weise gerechnet! Aber vermutlich hätte ich an deiner Stelle ebenso gehandelt." Er lachte erneut. ,,Ich hätte es wissen müssen!"
Ich grinste leicht, denn sein Lachen war ansteckend. Er wirkte kein bisschen wie ein Mörder. Aber verhielt sich ein Mörder etwa anders als ein gewöhnlicher Mensch? Wie konnte man überhaupt erfahren, ob ein Mörder vor einem saß oder nicht?
Ich nahm die Tasche von der Schulter, ohne dass ich dabei die Zauberstäbe losließ. ,,Ich habe etwas Essen für dich. Extra aus der großen Halle. "
Blacks Augen wanderten begierig zu der Tasche und einen Augenblick später hatte er die Tasche auch schon geöffnet und in ein Hähnchenbein gebissen.
Ich ließ ihn ein paar Minuten essen, ehe ich mich dem Grund für mein Kommen erinnerte. ,,Also, was wolltest du mir erzählen?" Black wurde sofort ernst. ,,Ich glaube, du weißt bereits, dass du adoptiert bist."
Ich nickte kurz.
,,Deine Mutter war meine Schwester, also bin ich sozusagen - "
,,Mein Onkel", meinte ich.
Black musterte mich genau. ,,Du scheinst nicht überrascht zu sein."
,,Ich habe ein wenig nachgeforscht", gab ich zu. Black nickte anerkennend. ,,Nicht schlecht."
Ich hatte ja auch ein wenig Hilfe von unbedachten Lehrern und einem Genie von Bruder. Aber von Jaime würde ich ihm vorerst noch nichts erzählen. Dafür vertraute ich Black nicht genug.
,,Ich weiß auch, dass meine Mutter tot ist und du sie vielleicht getötet hast, ebenso wie die anderen dreizehn Menschen", fuhr ich fort und beobachtete dabei ganz genau Blacks Miene.
Er nickte, aber das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. ,,Ich habe keinen von ihnen getötet und bei den dreizehn Personen kenne ich auch den wahren Mörder. Aber bei Sela habe ich keine Ahnung, du musst mir glauben!" Er klang so überzeugend, so unschuldig, einfach nicht wie ein Mörder. Seine dunklen Augen sahen mich flehend an. Aber ein Mörder würde seine Verbrechen auch nicht sagen. Ich brauchte unbedingt Beweise.
,,Wer hat es denn deiner Meinung nach getan?", fragte ich ihn.
Er schaute sich kurz um. ,,Peter Pettigrew", murmelte er mit leiser Stimme, als hätte er Angst, dass jemand diesen Namen hören könnte.
Pettigrew. Der Name kam mir bekannt vor. Dann erinnerte ich mich schlagartig: ,,Pettigrew war eins der Opfer und du sagst mir jetzt, dass er diese Menschen umgebracht hat?!" Ich glaubte ihm kein Wort. Das ganze klang mehr wie eine schlecht ausgedachte Lüge und nicht wie eine Wahrheitsbeteuerung. ,,Man hat seine Leiche gefunden, oder nicht? Also warum sollte er die anderen Menschen und dann sich selbst umbringen?!" Ich war aufgebracht und funkelte Black wütend an.
Dieser schüttelte hektisch den Kopf. ,,Man hat nur einen Finger gefunden, einen einzigen Finger! Keine Leiche!"
,,Trotzdem hatte er kein Motiv für diese Tat!"
Black schaute mich an. Nun wirkte er einfach nur müde und traurig. ,,Hatte ich ein Motiv?"
Mir blieb die Antwort im Hals stecken.
Black sah mich aus seinen schwarzen Augen tief an. ,,Hör mir ganz genau zu. Pettigrew hat diese Menschen getötet, um von seinem Verrat an den Potters anzulenken. Er hat sie ausgeliefert, nicht ich! Er war der Geheimniswahrer!"
Ich lehnte mich zurück. Seine Aussagen machten Sinn, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Aber es gab noch zu viele Ungereimtheiten. Trotzdem schwirrte mir schon jetzt der Kopf. Warum habe ich Jaime noch einmal nicht eingeweiht?
,,Du sagst also, dass Pettigrew der Verräter ist und vielleicht noch am Leben sein könnte?", fragte ich ihn, aber in meiner Stimme schwang Zweifel mit. ,,Wenn er noch lebt -", ich betonte das Wörtchen Wenn, ,,- wo ist er dann?"
Black beugte sich beinahe verschwörerisch zu mir. ,,Hier in Hogwarts."
Ich beugte mich ebenfalls vor. ,,Ich will Beweise."
Black schnaubte kurz. ,,Du bist viel zu sehr wie deine Mutter."
,,Also?"
,,Es gibt da eine Ratte in deinem Schlafsaal, sie gehört Ron Weasley", meinte er langsam.
,,Ja, ich kenne die Ratte. Sie ist zwar schon halb tot, aber noch hält sie soch ganz wacker. Was hat das mit Pettigrew zu tun?"
Black holte tief Luft. ,,Ihr fehlt eine Kralle."
Ich verstehe den springenden Punkt dabei nicht. ,,Na und? Was soll das jetzt mit Pettigrew zu tun-.... Willst du damit sagen, dass Krätze ein Mörder namens Peter Pettigrew ist?!" Ich konnte und wollte es einfach nicht glauben. ,,Es ist eine Ratte, der zufällig eine Kralle fehlt, das bedeutet gar nichts!"
,,Er ist ein Animagus!", warf Black ein.
Ja klar. ,,Harry hat auch eine Eule, willst du jetzt sagen, dass das Lord Voldemort ist?!"
Black warf verzweifelt die Hände in die Luft. ,,Du glaubst mir wirklich nur mit handfesten Beweisen, oder?"
,,Ja, natürlich! Wenn du etwas hättest, wo er eingetragen wäre, oder eine Aufnahme, oder eine Karte, dann..." Meine Stimme verklang. Ich hatte so eine Karte.
Ich holte die Karte der Rumtreiber aus meiner Tasche. ,,Ich schwöre feierlich, ich bin ein Tunichtgut."
Black starrte verzückt auf das Pergament. ,,Ich dachte, sie wäre längst zerstört", hauchte er. Seine Finger strichen fast schon zärtlich über die entstehenden Linien.
Erst als er meinen fragenden Blick erkannte, klärte sich seine Miene wieder. ,,James, Remus, Peter und ich haben sie entwickelt."
Meinte er mit Remus etwas Lupin?
Blacks Finger wanderten zum Turm der Gryffindors. ,,Dort sind die Schlafsaale der Jungen und Pettigrew müsste hier in der Nähe sein."
Meine Augen suchten die Karte ab und dann fand ich den Namen. Peter Pettigrew. Nur ein Bett weiter als Harry. Warum war das noch niemandem aufgefallen? Fred und George hatten die Karte doch schon Ewigkeiten gehabt... Womöglich hatten sie es einfach für einen Defekt gehalten.
,,Du hattest also doch Recht gehabt", hauchte ich.
,,Überrascht?"
,,Natürlich." Das änderte meine Sicht der Dinge ganz gewaltig.
Peter Pettigrew war also noch am Leben und noch dazu in Hogwarts, aber warum? Was genau wollte er damit bezwecken? Vermutlich war er hier in der Nähe von Harry Potter, weil er ihn im Auge behalten wollte. Oder Hogwarts diente als sicheres Versteck. Oder es war etwas ganz anderes.
Die Uhr an der Wand schlug Mitternacht.
Langsam stand ich auf und reichte Black seinen Zauberstab. ,,Ich muss jetzt gehen. Danke für alles."
Black zwinkerte mir schelmisch zu. ,,Nein, ich danke dir, dass du mir trotz deines Misstrauens Glauben schenkst. Nicht viele Menschen tun dies."
,,Ich werde an einem Plan arbeiten, mit dem du Pettigrew aus dem Schloss lockst. Und ich werde auch noch irgendwie Harry dazu bringen, dir zu vertrauen!", versprach ich ihm ernst. Denn ich hatte erkannt, dass mein Onkel kein Mörder war.
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Seine Kinder (1)
FanfictionLord Voldemort. Dunkelster schwarzer Magier seit Grindelwald. Jaime Gaunt. Im Waisenhaus aufgewachsen. Seine Eltern kennt er nicht, er weiß nichts über sie. Aber eines Tages erhält er einen Brief zu einer mysteriösen Schule namens Hogwarts. Allana...