Neue Entdeckungen

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Allana

Sirius öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Dieser Anblick hatte etwas unfassbar komisches an sich, denn er erinnerte mich irgendwie an einen blubbernden Goldfisch unter Wasser. Meine Lippen zuckten, doch dies schien mir nicht der passende Moment zu sein, um loszuprusten. Ich musste ernst bleiben.
,,Jaa", meinte ich, ,,also ... hast du Fragen?"
Dies würde im Anbetracht seiner Erfahrung äußerst wahrscheinlich sein. Sirius' Gehirn schien vor lauter Fragen fast zu explodieren. Er stotterte etwas. ,,Was ... wie ... wer?"
Die letzte Frage schien mir am leichtesten zu sein, deshalb beschloss ich, diese zuerst zu beantworten. ,,Also ... ich habe einen Zwillingsbruder, keine Schwester. Wir sehen nicht gleich aus. Sein Name ist Jaime und er ..." Ja, wie war Jaime eigentlich? Wie konnte man ihn am besten beschreiben? ,, ... er hat dunkle Haare, so wie ich und wir haben die gleiche Augenfarbe. Er ist ziemlich schlau, aber ein Angeber." Sorry, Brüderchen, aber es ist nunmal die Wahrheit. ,,Aber er ist auch treu und loyal gegenüber seinen Freunden und mir." Das war Jaimes wichtigste und herausstechendste Charaktereigenschaft. Er war immer für mich da, ihm konnte ich mich anvertrauen. Ein angenehmes Gefühl der Wärme durchströmte mich.
Sirius nickte schwach. ,,Er ... macht auf mich einen vernünftigen Eindruck", brachte er hervor.
,, ... und er ist in Slytherin."
Sirius' Kopf ruckte nach oben. ,,Slytherin?!", echote er schon beinahe empört. Es schien ihn wirklich aufzuwühlen, dass sein Neffe, dessen Mutter ebenfalls in Gryffindor war, zu dem Haus der bekanntlichen Schwarzmagier gehörte.
,,Es ist kompliziert", erklärte ich. Das fasste Jaimes und meine Beziehung zueinander ziemlich gut zusammen.
Sirius überlegte einen Moment. ,,Und ... bin ich ihm schon einmal begegnet? Du weißt schon, als ich ... in Hogwarts war?"
Und mich fast zu Tode erschreckt hast.
,,Du bist ihm nicht in Hogwarts begegnet, sondern in der Heulenden Hütte. Er war der Junge, der Lupin entwaffnet hat."
Sirius' Miene hellte sich auf. Dann runzelte er leicht die Stirn. Vermutlich versuchte er sich Jaimes Gesicht vor Augen zu rufen. ,,Du hast Recht. Jetzt wo ich darüber nachdenke, fällt mir eine gewisse Ähnlichkeit zwischen euch auf ... er hat die selben Augen wie du ... er hat diese schmale Nase, wie Sela ..." Er blinzelte kurz und rieb sich verstohlen über die Augen. Er räusperte sich. ,,Warum erzählst du mir erst jetzt darüber?"
Keine leichte Frage. ,,Nun ... ihm ... uns fiel ... fällt es immer noch schwer damit umzugehen. Ich meine, wir wussten zuerst gar nicht, dass wir Geschwister waren. Und viele Leute würden uns durch eine Verwandtschaft vermutlich anders behandeln ... du weißt schon, Slytherin und Gryffindor sind zwei verfeindete Häuser ... Außerdem wissen wir selbst noch nicht genug über unsere Familie - dazu gehörst du auch - und wollen diese zuerst näher kennenlernen. Wir kennen dich praktisch gar nicht und deshalb ..." Ich zuckte lahm mit den Schultern, ,,fällt es uns also schwerer, dir so etwas anzuvertrauen."
Sirius nickte. ,,Es geht euch also auch um Vertrauen."
,,Ja."
Er nickte erneut. ,,Wer weiß noch alles davon?"
,,Nur Cedric."
Er schaute mich fragend an.
,,Cedric ist mein Bru- Adoptivbruder. Ich bin bei ihm und seinen Eltern aufgewachsen. Jaime und er sind ... sie verstehen sich gut."
,,Wie heißt er mit Nachnamen?"
,,Diggory", antwortete ich.
Warum interessierte ihn das? Kannte er die Diggorys vielleicht? Wusste er mehr, als ich geahnt hatte? Er schien meine Gedanken erraten zu haben. Er sah mich an. ,,Es ist nur ... Sela hat nie Kontakt zu den Diggorys gehabt. Sie kannten sich vermutlich nicht einmal. Selbst ich bin ihnen nur einmal flüchtig begegnet. Darum frage ich mich ..." Er holte tief Luft. ,,Warum sollte sie einer fremden Familie ihr Baby überlassen?"
Darüber hatte ich mir auch schon Gedanken gemacht, aber mir war zugegebenermaßen nie in den Sinn gekommen, dass meine Mutter dem Diggorys noch nie begegnet war.
,,Und was ist mit deinem Bruder?", fragte Sirius weiter, ,,wo ist er aufgewachsen?"
,,In einem Waisenhaus der Muggel."
Sirius sah mich an. ,,Es ist seltsam, nicht wahr? Meine Schwester war eine Hexe durch und durch und dazu noch reinblütig. Sie war eine Black, gehörte also zu einer der mächtigsten und reichsten Familien Großbritanniens, vielleicht sogar ganz Europas. Ich an ihrer Stelle hätte euch zu Freunden oder Vertrauten geschickt. Meine Wahl wären die Potters gewesen, ihre Wahl vermutlich Lupin oder dieses Aas namens Snape. Sie waren in der Schule befreundet, auch wenn ich es noch immer nicht fassen kann, warum sie diesen Schleimbeutel mochte ... Jedenfalls, ich hätte euch zu Personen geschickt, die ich kenne, von denen ich weiß, dass sie für euch sorgen würden. Aber sie ... sie hat euch zu zwei wildfremden Personen geschickt, ohne einen Hinweis auf eure Familie. Sie hat euch Leuten gegeben, die sich einander aufgrund ihrer Verschiedenheit selbst nie begegnet sind oder begegnen werden. Sie hat euch auch keiner reinblütigen Familie gegeben, die für euer Wohl und eure Bildung garantieren könnte." Er hielt kurz inne. ,,Hat sie euch eine Art Nachricht hinterlassen? Oder Geld?"
Ich schüttelte den Kopf. ,,Bei Jaime seinen Namen auf einen Brief und einen kurzen Satz, dass man sich um ihn kümmern sollte, bei mir nur meinen Namen durch einen Zauberspruch." Sirius nickte und fuhr fort. ,,Sie hat euch also weder einen Hinweis auf eure oder ihre Identität gegeben, noch Geld hinterlassen. Sie hat euch zu unterschiedlichen Personen geschickt, die scheinbar nur eines gemeinsam haben: keiner von ihnen ist meiner Schwester jemals begegnet."
Sirius' Frage stand unausgesprochen im Raum: Warum hatte unsere Mutter das getan? Was hatte sie dazu veranlasst? Was hatte sie damit bezweckt?
Sirius hatte Recht. Jede normale Person hätte uns zu Verwandten geschickt, oder wenigstens zu Freunden. Ich war mir sicher, dass die Familie Black von beiden Möglichkeiten genug Auswahl hatte. Stattdessen hatte sie genau das Gegenteil getan. Wir waren getrennt voneinander bei Menschen aufgewachsen, die niemand mit Selena in Verbindung bringen würde. Außerdem hatte niemand gewusst, dass Selena Nachkommen hatte, geschweige denn Zwillinge. Ich musste an Sirius' Überraschung denken, als er mir vor knapp zwei Jahren in Gryffindorturm begegnet war; er war absolut überrumpelt gewesen. Warum hatte unsere Mutter nicht einmal ihrem eigenen Bruder von uns berichtet? Niemand, wirklich niemand hatte gewusst, wer wir waren. Nicht einmal wir selbst. Vielleicht war genau das ihre Absicht gewesen. Sie hatte nicht gewollt, dass uns jemand erkannte. Sie hatte nicht gewollt, dass uns jemand fand. Sie hatte uns versteckt, an Orten, die niemand von ihr erwartet hatte. Sie hatte uns schützen wollen. Doch vor was? Meine Gedanken wanderten zu unserem Vater, dem wir nie begegnet waren. Dem wir anhand unserer Entdeckungen auch nie begegnen wollten.
Vielleicht wäre die Frage besser gewesen, vor wem sie uns schützen wollte.
Es wäre möglich, dass er noch lebte. Und nach uns, seinen Kindern suchte. Auf den ersten Blick klang dies zwar weit hergeholt, aber es machte auf eine erschreckende Weise Sinn.
Er musste Selena gekannt haben, zumindest so gut, dass er über ihre Familie und Freunde Bescheid wusste. Sie wollte vor ihm fliehen, denn er hatte sie gefoltert. Um zu verhindern, dass uns das gleiche zustoßen würde, hatte sie uns mitgenommen und versteckt. Und dann ... ja, was war dann geschehen? Sie war gestorben, zumindest hatte Sirius das erzählt. Oder lebte sie noch? Jaime hatte mir einmal einen kurzen Zeitungsartikel gegeben, der über ihren Tod berichtet hatte. Also war sie wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Aber Tom V. Riddle ... er war einfach verschwunden. Schon vor langer Zeit. Auch über ihn wussten wir so gut wie nichts und wahrscheinlich war genau das die Absicht unserer Mutter gewesen.
Nein, das stimmte nicht. Wir wussten einige Dinge über unseren Vater: er war in Slytherin gewesen und stammte von den Gaunts ab.
Denn unsere Mutter hatte uns einen Hinweis gegeben. Sie hatte Jaimes Nachnamen angegeben. Gaunt. Dadurch waren wir auf Tom V. Riddle gestoßen. Wir hatten erfahren, dass er Schulsprecher,  und ein Slytherin gewesen war. Und wir hatten noch eine wichtige Entdeckung gemacht: Dumbledore hatte unseren Vater gekannt und wusste etwas über ihn, das er uns verschwieg. Es musste also wichtig sein. Vielleicht war es genau dieses Wissen, das uns fehlte, um zu begreifen, warum unsere Mutter so gehandelt hatte.

Die beiden kommen der Wahrheit immer näher. Wie lange wird es wohl noch dauern, bis sie erfahren, wer ihr Vater wirklich ist?
Schöne Ferien euch allen!

Seine Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt