Nur ein Gefallen?

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Jaime

Geschafft! Völlig erschöpft ließ ich mich auf die Bank in der großen Halle nieder und schaufelte Essen in meinen knurrenden Magen.
Soeben hatte ich die restlichen Prüfungen absolviert. Arithmantik war geradezu lachhaft einfach gewesen und Zaubertränke hatte mir ebenfalls nicht das geringste Kopfzerbrechen bereitet. Gut, in Kräuterkunde hatte ich mich zu Anfang etwas dumm angestellt (beim Umtopfen zweier Gewächse hatte ich die Pflanzen vertauscht und Professor Sprout dann ausversehen eine tödliche Schlingpflanze überreicht, die sie erwürgen wollte), aber was konnte ich denn dafür, dass die Pflanzen alle grün und - nun ja - völlig gleich aussahen!? Kräuterkunde würde ich so schnell wie möglich abwählen.
Zauberkunst und Verwandlung waren ziemlich einfach gewesen, genauso wie Verteidigung gegen die dunklen Künste.
Alles in allem hoffte ich auf mindestens vier Ohnegleichen.
Hermine rauschte an mir vorbei.
,,He, wo willst du hin?", rief ich ihr nach, aber ich wusste die Antwort eigentlich schon: in die Bibliothek.
Kopfschüttelnd ging ich ihr nach. ,,Und wie war's?", wollte ich von ihr wissen und versuchte gleichzeitig mit ihrem zügigen Tempo Schritt zu halten.
,,Ich glaube, ich habe in Alte Runen einen wichtigen Grammatikfehler gemacht", seufzte sie. ,,Dabei wusste ich doch eigentlich den korrekten Satz! Das ist ein total überflüssiger Punktverlust!"
,,Es ist egal, ob du neunundneunzig Punkte von hundert hast oder nur achtundneunzig Komma fünf ", wandte ich ein, konnte mir ein Schmunzeln aber nicht verkneifen.
Hermine fuhr sich durch die zerzausten Haare, ihre Augen wanderten fahrig hin und her. ,,Das kann der entscheidende Unterschied zwischen einen Ohnegleichen und einen Erwartungen übertroffen sein!"
Sie hastete weiter in Richtung Bibliothek.
,,Was machst du eigentlich noch da?", fragte ich sie interessiert. ,,Wir haben alle Arbeiten geschrieben!" Manchmal bereitete es selbst mir Mühe sie zu verstehen.
,,Malfoy Senior hat die Hinrichtung eines Hippogreifs befohlen, weil der seinen Sohn angegriffen hat. Ich will etwas dagegen unternehmen."
Ach ja. Da war dieser Vorfall am Anfang des Schuljahres gewesen.
,,Wann wäre denn die Hinrichtung?", fragte ich sie interessiert.
,,Morgen", meinte sie nur knapp und schnappte sich einen dicken Wälzer mit dem Titel Hippogreife - Wild oder zutiefst Missverstanden?
,,Wenn du noch etwas erreichen willst, solltest du dich wohl beeilen", murmelte ich nachdenklich. Hermine schenkte mir einen genervten Blick.

Allana

Morgen war es soweit.
Ich hatte alles ganz genau geplant: Nach der Hinrichtung von Seidenschnabel würde ich mit Harry, Ron und Hermine auf den Hügel in der Nähe der Peitschenden Weide gehen. Von dort würde Sirius Ron schnappen - der hoffentlich Krätze dabei hatte - und wir würden ihm folgen. Soweit so gut. Denn dann würde der komplizierte Teil beginnen. Wir würden Harry überzeugen müssen, dass Sirius unschuldig war und Pettigrew zurückverwandeln. Danach müssten wir Pettigrew nur noch ausliefern, um Sirius zu entlasten. Und das alles würde ich noch Jaime beichten müssen.
Von meinem Bruder hatte ich Sirius noch immer nichts erzählt und so sollte es vorerst auch bleiben.
Außerdem durfte mir Jaime morgen unter keinen Umständen in die Quere kommen. Es würde bereits schwer genug sein, Harry von Sirius' Unschuld zu überzeugen, da konnte ich einen zutiefst rachsüchtigen Bruder überhaupt nicht gebrauchen. Aber wie würde ich ihn von den Ländereien verhalten können?
Meine erste Idee war, ihn mit Hermine in der Bibliothek zu lassen, schließlich verbrachten die beiden ohnehin schon den halben Tag damit, sich über komplett unnötige Themen zu unterhalten. Aber Hermine würde morgen mit uns auf dem Hügel sein...
Nachdenklich kaute ich auf meiner Unterlippe herum. Möglicherweise könnte ich ihm auch weißmachen, dass einer der Professoren mit ihm sprechen wollte. Zum Beispiel Snape oder Lupin.
Aber Jaime würde es wahrscheinlich schnell merken.
Gab es nicht irgendwelche Schüler aus seinem Haus, die mir helfen konnten und wollten? Mal überlegen ... Nein.
Crabbe und Goyle waren nicht auf Jaimes intellektuellen Niveau, Zabini mochte mich nicht, Nott mochte mich erst recht nicht und Malfoy mochte mich vermutlich auch nicht. Aber Parkinson, Bullstrode und der ganze Rest der Slytherin-Mädels waren auch nicht gerade das Gelbe vom Ei...
Der einzige, der also irgendwie in Frage kam, war Malfoy, so sehr ich das auch bedauerte.
Seufzend machte ich mich auf die Suche nach dem Blondschopf.

Es dauerte nicht lange, bis ich ihn entdeckte.  Genauer gesagt befand er sich nur wenige Meter von mir entfernt, nämlich in der großen Halle.
Er hatte eine arrogante Miene aufgesetzt und sprach mit einer kichernden Zweitklässlerin, die wie verrückt mit den Wimpern klimperte und sich immer wieder durch die Haare strich. Ganz unauffällig näherte ich mich ihm, bis ich genau hinter ihm stand. ,,Malfoy", zischte ich in sein Ohr, ,,wir müssen reden!"
Er zuckte zusammen, sein hochmütiger Ausdruck machte Verwirrung platz. Er drehte sich um und hob eine Braue, als er mich erkannte. Dann grinste er boshaft und ich wusste genau, dass er etwas plante. ,,Diggory! Warum bist du nicht früher gekommen, wir wollten uns doch schon vor zehn Minuten treffen! du weißt schon, weil wir zusammen nach Hogsmeade wollten!" Das Wort ,zusammen' betonte er auf eine seltsame Art und Weise.
Das Mädchen neben ihn richtete sich beinahe unmerklich auf und bedachte mich mit wachsendem Interesse.
Jetzt würden am nächsten Tag die wahnwitzigsten Gerüchte über Malfoy und mich im Umlauf sein. Ich schaute ihn genervt an. Er grinste charmant. Die Augen des Mädchens weiteten sich.
Ich hätte Nott fragen sollen.
,,Genau", meinte ich nur. ,,Tut mir leid, dass ich zu spät bin."
,,Ach, das macht doch nichts", antwortete Malfoy lächelnd.
Die Augen des Mädchens wurden kugelrund.
Grrr.
Kaum war er aufgestanden, schleifte ich ihn am Umhang aus der Halle.
,,Du hast es aber eilig!"
Als wir endlich draußen waren, funkelte ich ihn böse an. ,,Was sollte das denn?!"
Malfoy zuckte mit den Schultern. ,,Das Mädchen ist eine totale Klatschtante und hat eben irgendein Gerücht über Blaise und Pansy im Umlauf gebracht. Ich als guter Freund muss natürlich dafür sorgen, dass dieses schnell in Vergessenheit gerät und setze deshalb ein neues Gerücht in die Welt. Und schon redet keiner mehr über Blaise und die olle Parkinson." Malfoy wirkte von seiner Leistung vollauf zufrieden. Ich eher weniger, entschloss mich aber darüber hinwegzusehen. Es ging hier schließlich um meinen Bruder. ,,Es wäre schön", begann ich zögernd, ,,wenn du mir einen Gefallen tun würdest."
Interesse machte sich auf Malfoys Gesicht breit. ,,Ich bin ganz Ohr."
,,Morgen bin ich wahrscheinlich ... nicht im Schloss und ich will nicht, dass Jaime sich Sorgen um mich macht oder mich suchen-"
Malfoy unterbrach mich sofort. ,,Wo bist du denn?"
,,Wenn ich wollte, dass du's erfährst, hätte ich es dir gesagt!", entgegnete ich genervt. ,,Hör zu: Das einzige, was du machen musst, ist, ihn ein wenig abzulenken, okay? Dann wäre ich dir sehr dankbar", fügte ich noch kurz hinzu.
Malfoy schien ernsthaft zu überlegen. ,,Okay", meinte er dann langsam und mein Herz machte einen kleinen Hüpfer, ,,aber du musst mir im Gegenzug auch einen Gefallen tun."
Ich schaute ihn misstrauisch an. ,,Aber nichts illegales, oder?"
Malfoy schüttelte den Kopf. ,,Nein, außerdem werde ich den Gefallen erst einlösen, wenn es mir passt. Du sollst schließlich wissen, dass du in meiner Schuld stehst."
Das klingt ja viel versprechend...
,,Also irgendwann und irgendein Gefallen, der nicht illegal ist?", hakte ich zweifelnd nach.
,,Genau. Darauf hast du mein Wort als Malfoy!" Er plusterte sich vor mir auf.
Das Wort der Malfoys zählt ja auch so wahnsinnig viel.
Ich nickte kurz. ,,Abgemacht."
Er nahm meine Hand und schüttelte sie grinsend. ,,Weißt du, Allana, es ist doch schön, wenn man sich gegenseitig hilft."
Ich schaute ihn zweifelnd an, doch er zwinkerte mir nur schelmisch zu und stolzierte davon.

Seine Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt