Der sprechende Hut

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Jaime

Wahnsinn! Einfach nur Wahnsinn!

Das Schloss lag dunkel über dem See und strahlte eine Erhabenheit aus, die mich ganz in ihrem Bann zog. Dieser Ort war pure Magie, das wusste ich. 

Wir - das bedeutete ich und die übrigen Erstklässler - wurden von einer riesenhaften Person, namens Hagrid mit Booten über den See gefahren. Die meisten der Kinder schauten ängstlich oder aufgeregt, aber ich spürte einfach nur große Freude und angespannte Erwartung. Draco hatte mir erzählt, dass es eine Prüfung geben würde, aber er hatte nichts Genaueres gesagt. 

Endlich erreichten wir das Schloss und stiegen die Treppen zur großen Halle hinauf. Dort erwartete uns bereits eine streng aussehende Frau namens Professor Mc Gonagall, die uns alles erklärte. Dann räusperte sie sich kurz und las zwei Namen vor. ,,Allana Diggory und Jaime Gaunt, bitte bleibt noch einen Moment hier."

Die anderen Erstklässler zockelten davon und ich blieb mit einem hübschen Mädchen und der Professorin alleine. Ich sah sie an. Ich kannte sie doch! Sie war das Mädchen von der Buchhandlung gewesen, das mich angeschaut hatte. Na gut, ich hatte sie auch angeschaut. Ich schenkte ihr mein bestes Lächeln und sie lächelte zurück, wenn auch nicht ganz so warm. 

Die Professorin unterbrach unsere erneuten Blicke, indem sie sich räusperte. ,, Ich will mich noch einmal für Ihre verspätete Aufnahme entschuldigen und gebe Ihnen schon einmal die Stundenpläne. Darauf sind auch die Nachhilfestunden verzeichnet, die Sie bei Professor Snape nehmen werden."

Ich staunte nicht schlecht. Wir hatten jeden Tag mindestens einmal Nachhilfe! 

,,Jetzt gehen Sie bitte beide in die große Halle, Sie werden zuletzt aufgerufen werden." 

Wir gingen den Flur entlang, in die große Halle. 

,,Weißt du, warum wir letztes Jahr keinen Brief bekommen haben?", fragte ich sie schließlich, um die angespannte Stille zwischen uns zu beenden.

Sie schüttelte den Kopf. ,,Mein Vater sagt zwar, es gab Probleme im Ministerium, aber das klingt unlogisch."

Ich zuckte die Schultern. ,,Wie dem auch sei. Ich wünsche dir auf jedem Fall ein schönes Jahr."

Sie lächelte mich an und ich entdeckte diesmal, dass es aufrichtig gemeint war.

,,Dir auch", antwortete sie.

Zusammen betraten wir die Halle. Dort war es brechend voll. An vier großen Tischen saßen insgesamt bestimmt hunderte von Schülern und weiter oben befand sich ein Podium, auf dem Professor McGonagall gerade die Namen der Schüler verlas. Gerade wurde ,,Weasley, Ginny", aufgerufen. Eine kleine Rothaarige trat mit zitternden Knien nach vorne und setzte sich auf einen Stuhl. Dann bekam die Schülerin einen alten Hut aufgesetzt und der Hut rief  nach einigen Sekunden: ,,Gryffindor!"

Ein sprechender Hut!, dachte ich. Schon in den zwei Tagen, in denen in von der magischen Welt erfahren hatte, hatte ich mehr Überraschungen erlebt, als in meinem gesamten bisherigen Leben!

Das Mädchen rannte strahlend zu einem der Tische und setzte sich.

Ganz ruhig, sagte ich mir. Du musst nur einen alten Hut aufsetzen.
,,Nun zu den beiden Kandidaten, die in die zweite Klasse kommen", sagte McGonagall mit lauter Stimme. ,,Jaime Gaunt!" 

Auf einmal verspürte ich so etwas wie Furcht. Ich ging auf zittrigen Beinen nach vorne und setzte mich auf den Stuhl. Der Hut wurde auf meinen Kopf gelegt und ich hörte eine leise wispernde Stimme. ,,Ah ja, ein Gaunt und dazu noch mit den Kräften seines Vaters ausgestattet, sehr interessant", sagte der Hut in meinen Gedanken. ,,Du hast Talent, so viel ist sicher. Und ich sehe Ehrgeiz und die Suche nach Anerkennung. Im Köpfchen hast du auch was, also ich sehe, du kommst nach deinem Vater. Damit ist der Fall ja klar ... 

SLYTHERIN!", brüllte er in den Saal und der Tisch an der Wand fing an zu jubeln. Erleichtert ging ich zu dem Tisch und setzte mich neben Draco, der schon für mich auf gerückt war. Er klopfte mir auf die Schulter und ich grinste breit.

Allana

Ich beobachtete, wie Jaime sich am Tisch der Slytherins niederließ und schon bald munter mit Malfoy quatschte.
Professor McGonagall räusperte sich erneut. ,,Allana Diggory!"

Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und hob die Schultern. Dann ging ich zum sprechendem Hut. Er wurde mir aufgesetzt und ich hörte seine Stimme in meinen Kopf. ,,Aha," wisperte der Hut in meinen Gedanken ,,ein weiteres Kind heute, das über erstaunliche Kräfte verfügt. Du bist ebenfalls schlau und gewitzt, das würde für Slytherin sprechen."

Ich will aber nicht nach Slytherin, dachte ich.

,,Nicht Slytherin? Überleg es dir gut, du könntest mächtig und berühmt werden ... Aber ich sehe, dass du das im Gegensatz zu deinem Vater nicht willst. Also vielleicht Ravenclaw? Das Können dafür hast du bereits, aber du bist auch mutig, so wie deine Mutter. Ja, ich glaube die richtige Wahl für dich wäre ...
GRYFFINDOR!", schrie der Hut in die Halle und der andere Tisch applaudierte. Ich sah mich kurz nach Cedric um, der ein Daumenhoch zeigte und ging in die entgegengesetzte Richtung von Jaime. Hermine winkte mir zu und Ginny strahlte, als ich mich neben sie setzte. Erst jetzt wurde mir klar, dass ich die Luft angehalten hatte. Erleichtert atmete ich auf. Gryffindor war auf jedem Fall besser als Slytherin.
Dann wurde es still, weil Dumbledore nach vorne trat und eine Rede für die alten und neuen Schüler hielt. 

,, ... zuletzt würde ich euch gerne euren neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste vorstellen, Professor Lockhart!"
Die Schüler applaudierten heftig, besonders die Mädchen. Hermine lief rot an und versuchte unauffällig ihre wuscheligen Haare zu glätten.
Lockhart ließ es weißes Lächeln aufblitzen und winkte in die Runde. Ich rollte nur die Augen, Hermine schien jedoch hellauf begeistert. 

,,Nach dem jetzt alles wichtige geklärt ist, würde ich sagen: Haut rein!", rief Dumbledore und auf den Tischen erschienen Berge von verschiedenen Speisen und Gerichten, dass es mir für einem Moment die Sprache verschlug. Schnell packte ich mir von allen etwas auf dem Teller und futterte mich durch sämtliche Gänge. Nach ein paar Minuten war ich allerdings pappsatt und lauschte dem Gespräch von Ginny und Hermine, die einige Theorien über das Verschwinden von Harry - Harry Potter war tatsächlich in meiner Stufe! - und Ron Weasley hatten.
Nach einer Weile wurden dann den Erstklässlern und mir der Gryffindor Schlafsaal gezeigt. Er war in Rot und Gold gehalten und ein wenig protzig, trotzdem gefiel es mir gut, was vor allem an den bequemen Sofas lag.
Dann - endlich - tauchten Harry Potter und Ron Weasly auf, denn Ginny hatte sich schon ernsthafte Sorgen um die beiden gemacht. 

,,Wir konnten nicht zum Gleis kommen, weil der blockiert war, deswegen sind wir mit dem Auto von Rons Vater geflogen und zwar genau in die peitschende Weide hinein", war die einzige Erklärung des schwarzhaarigen Jungen mit der Blitznarbe, der ziemlich kaputt aussah. Ron hingegen mokierte sich über seinen angeknacksten Zauberstab und beschimpfte Snape mit einigen wüsten Formulierungen. Dann versank er in Selbstmitleid und überlegte, was seine Eltern mit ihm anstellen würden, wenn sie von dem Wagen erfahren würden.

,,Wer ist das eigentlich?", fragte Harry an Hermine gewandt und deutete auf mich.

,,Das ist Allana Diggory", erklärte Hermine ihm. ,,Wir haben uns im Zug kennengelernt und verstehen uns ganz gut."

Harry hielt mir die Hand hin. ,,Hi, mein Name ist Harry."

Ich lächelte ihm schüchtern zu. ,,Allana", meinte ich und schüttelte seine Hand. Er grinste. 

Nachdem wir mit den Jungen noch ein paar Minuten geredet hatten, meinte Harry, er würde langsam schlafen gehen. ,,Gute Nacht euch!", rief er zum Abschied.

Ginny lief daraufhin rot an und stolperte, doch Harry war schon verschwunden. 

,,Ich gehe auch langsam mal ins Bett", gähnte ich und schlürfte die Treppe nach oben. Dann ließ ich mich kraftlos ins Bett fallen.

Morgen würde der Unterricht beginnen.

Seine Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt