Im Schlafsaal der Slytherins

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Allana

Ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Ich war einfach zu aufgewühlt gewesen.
Meine Familie bestand aus Killern und einer von ihnen hatte die Eltern meines besten Freundes verraten! Was würde Harry tun, wenn er das herausfinden würde?
Als wir später unauffällig das Café verlassen hatten, war sein gesamtes Gesicht ausdruckslos gewesen. Aber seine Augen hatten verräterisch geglitzert. Ich hatte Schmerz in ihnen gesehen. Und Hass.
Hermine hatte mehrmals versucht, ihn auf das Erfahrene anzusprechen, aber er hatte all ihre Versuche einfach geblockt oder rüde unterbrochen. Letztendlich hatte sie es aufgegeben.
Ich hatte einfach versucht, mich so normal wie möglich zu verhalten und Harry Trost zu spenden, aber meine eigenen Worte hatten hohl geklungen. Zugleich war ich aber auch wütend gewesen. Aber irritierenderweise nicht nur auf Black, sondern auch auf Ron und Hermine. Sie trösteten Harry, aber wer interessierte sich für mich? Erkannten sie denn nicht, wie es in mir vorging? Beinahe hatte ich mir gewünscht, dass ich sie über meine Familie aufgeklärt hätte. Aber dann hätte ich vermutlich Hass hervorgerufen. Hass und Angst.
Ich war auch wütend auf die Professoren, die einfach so meine Illusionen zerstört hatten. Ich hatte mir als ich noch klein war, immer vorgestellt, dass meine Mutter noch leben und mich irgendwann holen würde...
Aber das war nur naives Wunschdenken gewesen, erkannte ich jetzt bitter.
Wie würde mein Bruder auf diese Nachricht reagieren?, fragte ich mich, als ich aufstand und den Gemeinschaftsraum in Richtung der Kerker verließ, um Jaime zu suchen. Ich musste es ihm sagen!
Aber würde er es einfach so hinnehmen? Oder würde er insgeheim wüten und toben? Wie würde er damit klarkommen? Wie würde er damit klarkommen, wenn ich damit schon nicht klarkam?

Ich ging die Treppe zu den Kerkern nach unten. Ich war hier schon einige Male gewesen, trotzdem behagte mir dieser Ort nicht sonderlich.
Endlich kam ich vor der Tür zum Gemeinschaftsraum der Slytherins zum Stehen. Und natürlich wusste ich mal wieder das Passwort nicht. Es wäre echt ein Dèja Vu, wenn jetzt auch noch Malfoy hier aufkreuzen würde...
Die Tür öffnete sich und zwei Sechsklässler der Slytherins traten heraus. Wahrscheinlich waren es Vertrauensschüler, die morgens häufig die Gänge patrullieren mussten. Die beiden lachten lauthals, scherzten und beachteten mich nicht, worüber ich ziemlich glücklich war. Bevor die Türe zuschlagen konnte, huschte ich schnell hindurch.
Wenigstens hatte ich einmal Glück gehabt.
Der Gemeintschaftsraum der Slytherins war immer noch so gestaltet, wie im letztem Jahr: Silber, grün und schummrig.
Noch waren die Sofas unbesetzt, aber es war schließlich auch noch ziemlich früh. Sogar Jaime schlief bestimmt noch.
Auf leisen Sohlen schlich ich eine schmale Wendeltreppe empor, von der ich nur hoffen konnte, dass sie mich zu meinen Bruder führen würde. Ich öffnete die schwere Holztür und schaute in das düstere Innere. Mehrere Betten standen dort, alle im gleichen Abstand.
Ich ging zum erstem Bett. Es war leer, aber anhand der Bücher wusste ich, dass es nicht Jaimes war. Vermutlich war es von Nott oder von Zabini.
Im nächsten Bett lag Goyle, der leise schnarchte und sich immer wieder herumwälzte. Sein Gesicht hatte den dümmlichen Ausdruck verloren, auch wenn er leicht sabberte.
Ich schaute in das nächste Bett. Dort lag Nott, was bedeutete, dass Zabini das leere Bett gehört hatte. Wo war er eigentlich? Ich drehte mich um und erkannte, dass es am anderem Ende des Raumes ein kleiner Spalt war, aus dem Licht drang. Das war bestimmt das Badezimmer. Hoffentlich blieb Zabini dort noch eine Weile.
Auch Nott hatte das hämische Grinsen verloren, das tagtäglich sein Gesicht schmückte. Er lag einfach nur da, sein Kissen umarmend und hatte den Mund leicht geöffnet.
Ich unterdrückte ein Lächeln und ging zum vorletztem Bett. Dort lag Malfoy. Wie auch die anderen Jungen vor ihm, wirkte er in diesem Moment vollkommen friedlich. Seine platinblonden Haare waren zerwuschelt und reichten ihm leicht über die Stirn. Seine Augen waren geschlossen, seine Gesichtszüge umverkrampft. Warum sehen bloß die schlimmsten Kerle im Schlaf so unschuldig aus?
Das letzte Bett gehörte Jaime. Er lag seitlich und seine Füße baumelten über der Kante. Seine schwarzen Haare fielen ihm über die Augen, ich hörte sein leises Atmen.
Die ganzen Slytherins haben doch eine andere Seite. Auch wenn sie sie nur im Schlaf zeigten.
Ich grinste. Was würden die Mädchen wie Lavender oder Parvati geben, um diesen Anblick zu haben? Eine ganze Menge, glaubte ich, als ich an die beiden Mädchen dachte, die den Jungen immer sehnsüchtige Blicke zuwarfen.
Ich rüttelte meinen Bruder sanft. ,,Jaime, wach auf, ich muss dir was sagen."
Er grummelte etwas im Schlaf, wälzte sich auf die andere Seite und zog sich die Decke zum Kinn.
Grr. Ich fing an, ihn zu pieksen. ,,Jaime. Jaime."
Aber der Kerl wachte einfach nicht auf!
Ich hörte tapsende Schritte. Während ich mich noch hektisch nach der Quelle dieses Geräusches umsah, ging die Badezimmertür auf. Zabini, der sich nur ein Handtuch um die Hüften gewickelt hatte, schrie unterdrückt los, als er mich erblickte. Das Wasser tropfte aus seinen nassen Haaren zu Boden. Dann raffte er das Handtuch und hüpfte so schnell er konnte zurück ins Bad.
Die Jungen träumten friedlich weiter. Nur mein Bruder öffnete die Augen. Er blinzelte groggy, als er mich erblickte. ,,Al?", nuschelte er.
Zabini schlug die Tür mit einem lauten Knall zu.
,,Verdammt, Blaise!", fauchte Nott, der senkrecht im Bett saß, ,,ich will hier schlafen!"
Nun schreckten auch die anderen Jungen hoch. Einige rieben sich noch gähnend den Schlaf aus den Augen, während andere Zabini lauthals beschimpften.
Ein platinblonder Haarschopf wandte sich plötzlich in meine Richtung und graue Augen blitzten mich schlaftrunken, aber ohne Zweifel interessiert an. ,,Diggory, wie kommst du nur immer in unseren Gemeintschaftsraum?"
,,Das hab ich mich auch schon gefragt", murmelte mein Bruder halblaut, ehe er sich streckte, ,,ich habe langsam das Gefühl, dass sie einen geheimen Gang kennt."
Sämtliche Köpfe drehten sich wie ein Mann in meine Richtung. Dann brach das Stimmengewirr von den etwa zehn Slytherins über mich herein.
,,Bestimmt will sie uns ausspionieren", murmelte Nott zu niemand bestimmten.
,,Sei kein Narr", fauchte Jaime, der mir netterweise Rückendeckung gab, ,,sonst wäre sie schon längst geflohen!"
Zabini hoppelte herein, schnappte sich mit einer Hand seine Hose, da er mit der anderen Hand das Handtuch in Position hielt und hüpfte zurück in Richtung Bad.
,,Ich habe Hunger", grunzte Goyle.
Mein Bruder schlug sich theatralisch die Hände vor das Gesicht.
,,He, irgendwann werden selbst ihnen Gehirnzellen wachsen", beruhigte Malfoy ihn.
Da bin ich mir nicht so sicher.
,,Ich schlage vor, wir fragen Allana einfach, was sie hier will!", rief Jaime schließlich und sofort wurde es still. Er hatte wirklich einen riesigen Einfluss auf andere Leute.
Die Slytherins sahen abwechselnd zwischen mir und Jaime hin und her. Dieser war natürlich wieder die Gelassenheit in Person, trotzdem hob er fragend eine Braue.
,,Das heißt, du sollst antworten", meinte Malfoy spitz.
,,Ich- es geht um ein gemeinsames...Projekt", stammelte ich.
Jemand schnaubte.
,, ...in Zaubertränke", spann ich weiter, denn es war allgemein bekannt, dass Jaime dieses Fach sehr gut beherrschte. Einige gerunzelte Gesichter glätteten sich wieder und mehrere Leute nickten auch nachdenklich.
,,Und warum bist du dann in aller Herrgottsfrühe in unserem Gemeintschaftsraum? Das erschließt sich mir immer noch nicht so richtig!", hakte Nott böse nach.
,,Es war eine dringende Frage", antwortete ich ausweichend.
,,Jetzt kommt's", murmelte jemand.
Ich drehte mich mit blitzenden Augen um. ,,Das geht euch immer noch nichts an, sondern nur mich und Jaime!"
Ich schaute ihn nach Unterstützung heischend an.
,,Äh", meinte er wenig geistreich und kratzte sich am Kopf. Anscheinend war er morgens noch nicht ganz auf der Höhe seines intellektuellen Könnens. ,,Ja, ich erinnere mich wieder. ...Ich habe ihr das Passwort gesagt, damit sie mich fragen kann, wenn sie Hilfe braucht. Natürlich habe ich nicht erwartet, dass sie so früh hier ist."
,,Na bravo", grummelte Nott und zog sich die Decke über den Kopf, ,,besprecht das bitte woanders, wir wollen hier schlafen!"
,,Ja, ganz meine Meinung", stimmte ich ihm hastig zu, ,,komm, wir besprechen unser...kleines Problem an einem anderen Ort."
Ich zog meinen Bruder mit mir, der sich heftig sträubte. ,,Ich bin im Schlafanzug", wisperte er in mein Ohr.
,,Dich sieht schon niemand."
Ich zerrte ihn aus den Gemeinschaftsraum und in einen dunklen Flur.
,,Also? Warum wolltest du mich so dringend sprechen?"
Ich holte tief Luft.

Seine Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt