Bei den Malfoys

5.6K 347 28
                                    


Jaime

Manche Schüler freuten sich immer ungemein auf die Ferien, zumindest war das in meiner alten Muggelschule immer der Fall gewesen. Aber als ich im Zug saß und Hogwarts hinter mir kleiner und kleiner wurde, hatte ich mir gewünscht, dass der Zug umkehren würde.
Natürlich war nichts davon passiert und so hatte ich zwei Wochen im Waisenhaus verbracht, wo die Jüngeren mich anstarrten wie ein exotisches Tier und die Älteren dumme Bemerkungen über die Schule für schwer erziehbare Kinder machten, auf die ich angeblich ging. Eigentlich hätte es mir egal sein sollen, was die anderen von mir dachten, aber ich konnte es einfach nicht ertragen, dass sie meine Schule so darstellten. Deshalb war ich in eine Prügelei geraten und schlug einen der Jungen ,krankenhausreif', wie es Mrs. Moon, die Heimleiterin ausgedrückt hatte. Dabei hatte ich ihm nur den Arm verdreht und seine Nase zum Bluten gebracht. Nichts ernstes eigentlich. Ich hingegen hatte eine geprellte Rippe, ein verstauchtes Handgelenk und eine leichte Gehirnerschütterung davongetragen, da ich in der Prügelei drei zu eins unterlegen war, was bedeutete, dass zwei der Typen meine Arme festgehalten hatten, während der Andere auf mich eingeschlagen hatte.
Nach dem Vorfall konnte ich das mit der Hogsmeade Unterschrift natürlich auch vergessen.
Glücklicherweise war in der dritten Woche ein Brief von Draco gekommen, in dem stand, dass ich zu ihm kommen dürfte. Ich hatte also meine Sachen gepackt und mit der Bahn mitten ins Nirgendwo gefahren, wo das Haus der Malfoys war.
Haus ist untertrieben, dachte ich staunend, als ich jetzt vor dem riesenhaften Anwesen der Familie Malfoy stand und vor dem geschlossenen Tor stehenblieb. Was sollte ich jetzt machen? Konnte man das Tor per Hand öffnen oder brauchte man dafür Magie?
Ich beschloss mein Bestes zu versuchen und ging auf dass Tor zu. Sofort öffnete es sich wie von selbst und ohne ein Geräusch von sich zu geben. Es wirkte fast, als hätte ein Geist das Tor geöffnet.
Das könnte eventuell sogar stimmen.
Ich ging einen geraden Weg entlang und gelangte endlich an das prachtvolle Haus. Natürlich war die Tür geschlossen. Ich klopfte zögerlich. Nach wenigen Momenten schwang die Tür auf und ich wollte schon über die Schwelle treten, als ich ein kleines Wesen mit kugelrunden Augen und Ohren wie bei Fledermäusen bemerkte. ,,Wer bist du denn?", stammelte ich verblüfft.
,,Ich bin ein Hauself", quiekte das winzige Wesen und verbeugte sich einige Male vor mir. ,,Ich bin ein armseliger Diener der hochwohlgeborenen Malfoys." Es verbeugte sich erneut und seine Nasenspitze berührte den Fußboden.
,,Könntest du mir sagen, wo sie sind?", fragte ich das kleine Geschöpf höflich, woraufhin es eifrig nickte. ,,Folgen Sie mir!", piepste es und führte mich durch die prachtvollen Gänge.
Staunend sah ich mich um. An den Wänden hingen prachtvolle Portraits und die Rahmen waren kunstvoll verziehrt. An den Wänden hingen außerdem allerlei Relikte und alte Waffen und der Boden war mit Teppichen ausgelegt.
Ich hatte nicht erwartet, dass Dracos Familie so reich war.
Der Hauself stoppte an einer schweren Tür und öffnete diese vorsichtig. Dann bat er mich unter lauter Verbeugungen hinein.
Es war ein großer Raum und im Inneren standen mehrere dunkle oder grüne Sofas. Der Boden war mit grünen Teppichen bedeckt, die silbern verziehrt waren und dadurch wirkte der Raum nicht ganz so dunkel. Für mich hatte er eine große Ähnlichkeit mit dem Gemeintschaftsraum der Slytherins.
Langsam bewegte ich mich vorwärts und entdeckte einen platinblonden Haarschopf auf einen der Sofas. Draco lag dort und schien ganz versunken in ein Buch zu sein.
Ich grinste süffisant. Das musste ich doch ausnutzen. Ich pirschte mich vorwärts, bis ich genau hinter ihm stand und piekte ihn. ,,Hallo! "
Draco zuckte so stark zusammen, dass er vom Sofa plumpste. Ich prustete los und beobachtete amüsiert, wie Draco mich anstarrte, als wäre ich ein Geist. ,,Gaunt!"
Ich hob in gespielter Verwirrung eine Braue. ,,Dracilein, ich dachte, wir wären schon beim Du?"
Er schnaubte. ,,Das war bevor du mich fast zu Tode erschrocken hast!"
Dann grinste er aber doch. ,,Ich hab deine Kommentare vermisst, Jaime! "
,,Und ich deine ständige Angeberei. "
,,Ich habe doch noch gar nicht damit angefangen!", meinte er gespielt empört, ,,Apropos: Meine Eltern haben Karten für die Quidditch-Weltmeisterschaft!"
Er schaute mich mit glänzenden Augen an, ,,wenn du willst, kannst du mitkommen. Ich bin sicher, dass mein Vater noch Karten besorgen kann. Du weißt doch, er ist ein ganz gr-"
,, ... ganz großes Tier im Ministerium, ich weiß! "
,,Draco. Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst aufhören zu prahlen", hörte ich eine kühle Stimme hinter mir, die trotzdem leicht amüsiert wirkte.
Ich drehte mich um und schaute geradewegs in die grauen Augen von Dracos Vater. ,,Jetzt habe ich mich wohl erschreckt", gab ich zu und überspielte meine Verlegenheit mit einem höflichen Lächeln. ,,Es freut mich, Sie kennenzulernen", meinte ich und reichte ihm die Hand, ,,ich heiße Jaime Gaunt. "
Er sah für einen Moment auf meine ausgestreckte Hand und schüttelte sie dann endlich. ,,Malfoy. Lucius Malfoy. "
So langsam glaubte ich zu wissen, woher Dracos Gehabe und sein Benehmen kam. Er verhielt sich beinahe genauso wie sein Vater.
,,Gaunt", murmelte er bedächtig meinen Namen und schaute mich mit einem Aufblitzen von Interesse in den Augen an. ,,Ein alter Zauberername. Reinblütig."
Ich nickte kurz als Antwort.
Mr. Malfoy wandte sich wieder an seinen Sohn. ,,Draco, willst du dem Jungen nicht dein Zimmer zeigen? "
,,Ja, Vater", antwortete dieser und nahm mich am Arm. ,,Komm. Mein Zimmer ist nur ein paar Flure weiter. "
Auf dem Weg dorthin unterhielten wir uns darüber, wen wir denn als neuen Lehrer in VgddK bekommen würden.
,,Lockhart kann nicht mehr unterrichten, habe ich gehört", erklärte Draco wichtigtuerisch, ,,er hat angeblich sein Gedächtnis verloren. "
,,Er ist also genauso dumm wie sonst", grinste ich und Draco lachte.
,,Welche Fächer hast du eigentlich gewählt? "
,,Alte Runen, Arithmantik und Pflege magischer Geschöpfe", meinte ich und zuckte die Schultern. ,,Du?"
,,Pflege magischer Geschöpfe und Wahrsagen,", antwortete Draco und verzog kurz das Gesicht, ,,keine tolle Kombination, aber ich wollte nicht Arithmantik wählen."
,,Allana hat auch die gleichen Fächer gewählt, glaube ich", murmelte ich und legte die Stirn in Falten. Ich musste sie noch einmal fragen.
,,Vielleicht will sie was von mir!", witzelte Draco und hob anzüglich eine Braue.
,,Haha", meinte ich nur. Ich hatte eigentlich nichts gegen Scherze, aber wenn sie meine Schwester betrafen, verstand ich keinen Humor. Da war ich wohl über fürsorglich.

Die nächsten Wochen verliefen wie im Flug. Ich wohnte bei den Malfoys und obwohl sie meines Erachtens zu viel Wert auf ihre Stellung und ihren Wahn für reines Blut nahmen, kam ich gut mit ihnen aus. Dracos Vater redete ständig über das Privileg ein Reinblut zu sein und Dracos Mutter war meistens kühl und schweigsam. Draco selbst versuchte mich für Quidditch zu begeistern, gab es aber rasch auf, als ich drohte, ihn auf Hogwarts zu verhexen.
,,Hast du alle Schulsachen?", fragte mich Draco am Dreißigsten August.
,,Klar", meinte ich nur, denn wir waren schließlich vor einigen Tagen in der Winkelgasse gewesen und hatten unsere Utensilien für den Unterricht gekauft. Das Geld dafür hatte mir Lucius Malfoy großzügigerweise zur Verfügung gestellt, mit der Begründung, dass es nur ,,Kleingeld" gewesen sei.
Seit ein paar Tagen beschlich mich eine angespannte Erwartung und ich freute mich schon jetzt wieder darauf Allana wiederzusehen.
Am Tag vor der Abfahrt saß ich mit den Malfoys am Früstückstisch und aßen im stillen Schweigen. Mr. Malfoy las die Zeitung und seine Miene verfinsterte sich mit jedem Satz. Draco beobachtete das Gesicht seines Vaters mit Interesse und auch ich war neugierig, da Mr. Malfoy normalerweise keine großen Gefühle an den Tag legte.
Endlich legte er die Zeitung weg und sofort fragte Draco: ,,Vater, was gibt es denn?"
,,Sirius Black ist aus Askaban entkommen", erklärte dieser und faltete die Zeitung so, dass wir das Bild des ehemaligen Insassen erkennen konnten. Black schaute mit einen wahnsinnigen Ausdruck in die Kamera und rief scheinbar etwas. Sein Haar war verfilzt, seine Zähne dunkel und seine Augen lagen tief in den Höhlen. Er sah aus wie ein wandelndes Skelett.
Charmant.
,,Wer ist er?", fragte ich in die Runde und Mr. Malfoy warf mir über meine Unwissenheit einen leicht pikierten Blick zu.
,,Er war einer der engsten Gefolgsleute des dunklen Lords und ist für den Mord an dreizehn Muggeln verantwortlich.
Für mich ist das kein direkter Grund für Askaban, aber das Ministerium sah es offenbar anders." Mr. Malfoy rümpfte leicht die Nase und wandte sich wieder der Zeitung zu.
Dracos Eltern schätzten die Muggel nicht, ganz im Gegenteil: sie hielten Muggel für minderwertig und verachteten sie. Daher war es auch keine große Überraschung gewesen, als ich erfahren hatte, dass die Malfoys früher einmal Anhänger von Lord Voldemort gewesen waren, oder wie sie ihn nannten: des dunklen Lords. Nahezu alle magischen Familien des Hauses Slytherin hatten ihn vor dreizehn Jahren unterstützt, auch die Malfoys. Ich wusste nicht, warum sie es getan hatten, ob aus Machthunger oder aus Furcht. Wahrscheinlich beides. Ich hatte von Voldemort zwar bis jetzt nur aus Geschichte der Zauberei gehört, aber ich hatte erfahren, dass er ein äußerst mächtiger und grausamer Magier gewesen war. Eine gefährliche Mischung. Und laut Lucius Malfoy war Sirius Black einer der wenigen, die ihm nach seinen Sturz noch immer treu waren. Anders als die Malfoys, die sich sofort auf die Seite des Ministeriums geschlagen hatten.
Trotzdem konnte der Ausbruch eines gesuchten Massenmörders meine Stimmung nicht trüben. Morgen würde ich wieder nach Hogwarts gehen!

Seine Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt