Slytherins und Gryffindors

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Allana

,,Dir ist schon klar, dass dein Gehabe ziemlich auffällt, oder?", meinte ich leicht genervt zu Jaime.
Er blinzelte. ,,Mein Gehabe?"
Ich rollte die Augen. ,,Du bist in letzter Zeit so überfürsorglich! Kaum ist ein Junge in meiner Nähe, schaust du ihn so lange bedrohlich an, bis er geht!"
,,Tu ich doch gar nicht", verteidigte er sich flüsternd, denn Madame Pince bedachte uns schon wieder mit einem Haltet-Gefälligst-Die-Klappe-Blick.
Ich sah ihn nur mit einer hochgezogenen Augenbraue an.
,,Na gut, ein bisschen vielleicht", räumte er ein.
Schön, dass wir das geklärt haben.
Eine Weile lang vertieften wir uns in stiller Eintracht wieder in unsere Bücher.
,,Warum eigentlich Harry?", fragte ich ihn dann.
Seufzend klappte er das Buch zu. ,,Was meinst du damit?"
,,Komm schon, ich weiß, dass du dir auch schon darüber gegrübelt hast! Warum wurde Harrys Name gezogen und nicht deiner, obwohl Voldemort"- den Namen sprach ich ganz leise aus - ,,dich auch für die Auferstehung braucht?"
,,Die Sache mit der Auferstehung ist nur eine Theorie-"
,,Die logischste Theorie bisher!"
,,- richtig", fuhr er fort, ,,aber wenn zwei Schüler ausgewählt wären worden, wäre es zu auffällig gewesen. Dumbledore hätte einen Zusammenhang erkannt. Die Bewachung wäre viel größer gewesen. Das Turnier wäre vielleicht abgesagt worden." Er überlegte kurz. ,,Und ich glaube, dass dieses Turnier für Voldemorts Pläne eine gewisse Wichtigkeit besitzt. Auch wenn ich noch nicht weiß, welche das ist."
Ein neuer Punkt für unsere To-Do-Liste. ,,Das verstehe ich auch alles. Aber warum Harry und nicht du?!"
Er zuckte unglücklich die Schultern. ,,Ich habe keine Ahnung. Aber ich nehme mal an, es gibt dafür einen Grund, auch wenn ich ihn noch nicht bemerkt habe."
Genau das machte mir Sorgen. Irgendetwas würde meinem Bruder im Laufe des Schuljahres zustoßen. Ich wusste nicht wann oder wie, aber ich hatte keinen Zweifel daran, dass es passieren würde. Und anhand Jaimes mutloser Miene hatte er wohl den gleichen Gedanken.
,,Was zieht ihr so miesepetrige Gesichter?"
Ich zuckte zusammen. Draco Malfoy war hinter einem Regal aufgetaucht und grinste uns selbstgefällig an. In Jaimes Wange zuckte ein Muskel. ,,Verschwinde", murmelte er nur und schenkte Draco zusätzlich einen leicht drohenden Blick, mit dem er auch schon die anderen Jungen bedacht hatte. Natürlich schenkte Draco dem keine Beachtung, sondern setzte sich zu uns an dem Tisch.
Trotzdem fand ich es merkwürdig, dass Jaime offensichtlich wütend auf Draco war. Ich meine, klar, Draco war den Größteil der Zeit darauf bedacht mit jeder Person Streit anzufangen, aber eigentlich hatten die beiden sich immer vertragen. Ich räusperte mich unbehaglich. ,,Bitte brüllt gleich nicht herum, ich will nämlich nicht aus der Bibliothek geworfen werden."
Draco grinste noch immer. Tatsächlich kam es mir so vor, als würde er die ganze Situation förmlich genießen. Jaime funkelte Draco wütend an.
Ich nehme mal an, keiner will mir die Ursache für die Streitereien erklären.
,,Könnt ihr mir vielleicht vage sagen, worüber ihr euch streitet?", fragte ich.
Die beiden antworten nicht. War ja klar.
,,Wir haben unterschiedliche Ansichten darüber, wie wir uns gegenüber von Mädchen verhalten", meinte mein Bruder schließlich, ohne den Blick auch nur eine Sekunde von Draco zu nehmen. Seine Stimme war kühl.
Mit einem so banalen Grund hatte ich nicht gerechnet. Dagegen hatte Harrys Streit mit Ron ja schon fast eine gewisse Wichtigkeit!
,,Okay...", murmelte ich.
,,Er findet es in Ordnung, einfach so Mädchen anzugrabschen!", sprudelte es auf einmal aus Jaime heraus und er deutete anklagend auf den blonden Slytherin.
Egal wie sehr Draco - nun - Draco war, das konnte ich ihm nicht wirklich zutrauen. Er war zwar ein besserwisserischer Angeber, aber dieses Verhalten passte einfach nicht zu ihm. ,,Ich glaube, du übertreibst ein wenig", meinte ich vorsichtig, denn Jaime wirkte, als würde er gleich explodieren.
,,Das habe ich ihm auch gesagt, aber er hat sofort mit Anschuldigungen um sich geworfen", vertraute mir der immer noch glänzend gelaunte Draco an.
Nicht hilfreich.
Ich schenkte ihm einen genervten Blick.
Jamies Augen verengten sich zu Schlitzen.
Jetzt wurde es langsam mal Zeit zu verschwinden, ehe Jaime vollkommen ausrastete. Sollten die beiden doch streiten, während ich möglichst weit weg vom Geschehen war.
,,Also, ich gehe dann mal", erklärte ich eilig und packte meine verstreuten Schulsachen zusammen.
,,Warte, ich helfe dir", meinte Draco zu meiner Überraschung und sammelte meine Unterlagen für Verteidigung gegen die dunklen Künste ein.
Jetzt war ich aber echt verwirrt.
,,Allana!", vernahm ich plötzlich die vertraute Stimme von Harry, der prompt in diesem Moment um die Ecke schlitterte. Er atmete hektisch, als sei er eben mehrere Kilometer gerannt. ,,In der ersten Aufgabe kommen Drachen vor!" Dann entdeckte er Jaime und Draco und zuckte zusammen. ,,Was machst du denn mit denen hier?"
,,Lerngruppe", meinte Draco anstatt mir trocken und wedelte mit meinen Hausaufgaben herum. ,,Und posaune doch bitte nicht alles über die erste Aufgabe herum. Das verdirbt mir den ganzen Spaß."
,,Ja, und wahrscheinlich wird davon auch noch Madame Pince angelockt", murmelte mein Bruder. Ich rollte die Augen. Kaum ging es darum einen ihrer Lieblingsgryffindors zur Schnecke zu machen, hatten die beiden augenblicklich ihren Streit beigelegt, um sich gegen Harry zu verbünden.
Harry wandte sich wieder an mich, ohne die Slytherins zu beachten, doch auch er schien sein Temperament unterdrücken zu müssen. ,,Allana, du und Hermine müsst mir helfen, mich auf das Turnier vorzubereiten!"
,,Wenn du deinen Streit mit Ron beendet hast", antwortete ich ihm vorsichtig, aber das war nunmal meine Bedingung. Harry würde ohne Rons Hilfe nur halb so gut sein.
,,Ich werde mich nicht wegen dieser Aufgabe mit ihm vertragen! Das schaffe ich auch alleine!", fauchte er hochmütig.
,,Na dann, auf Wiedersehen", murmelte mein Bruder. Draco feixte bösartig.
In Harrys Wange zuckte ein Muskel und ich konnte sehen, wie sehr er sich zurückhalten musste, um nicht gleich den Zauberstab zu ziehen. Seine Hand zuckte bereits verdächtig.
,,Oh, das würde ich an deiner Stelle nicht tun", erklärte mein Bruder. ,,Ich meine, ein Champion, der zwei unbewaffnete Schüler angreift, ist vielleicht kein großes Vorbild."
Ich war mir zwar sicher, dass Jaime und Draco es keinesfalls zulassen würden, dass Harry sie verhexte, aber der ewige Streit zwischen Gryffindor und Slytherin würde mit einem Duell noch eskalieren!
Ich berührte Harry leicht am Arm. ,,Komm schon", meinte ich sachte, ,,gehen wir Hermine suchen." Unter meiner Hand spürte ich ganz deutlich seine angespannten Muskeln.
,,Und ihr!", fauchte ich die beiden Slytherins an, ,,hört gefälligst mit eurer ewigen Fehde auf! Dieses Kräftemessen nützt niemanden!"
,,Er hat angefangen", murmelte Draco halblaut.
Jaime stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen.
Kopfschüttelnd verließ ich die Bibliothek mit Harry an meiner Seite, der den beiden nocheinmal einen grimmigen Blick zuwarf.
,,Warum gibst du dich eigentlich mit ihnen ab?! Al, es sind Slytherins!"
Harrys Stimme klang abwertend und verständnislos.
Dieses ewige Slytherin-Argument nervte mich allmählich.
,,Hey! Auch die Slytherins können freundlich sein, wenn man sie besser kennt!", verteidigte ich mich. Dabei betonte ich das 'wenn', denn Harry, noch sonst ein Gryffindor hatte nie versucht, sich mit den Slytherins zu verstehen.
,,Aber Malfoy?! Ich bitte dich!"
Doch sogar Draco Malfoy konnte nett sein, wenn er sich denn darum bemühte. Insgeheim war ich mir langsam sicher, dass er wie Jaime - und ich teilweise auch, wie ich mir eingestehen musste - vor fremden Leuten ein komplett anderer Mensch war, als vor seinen engsten Freunden. Jaime war in der Öffentlichkeit nur ein weiterer arroganter Slytherin, aber ich kannte seine wirklichen Charaktereigenschaften. Er benahm sich nach außen zwar immer, als sei er der Herr der Lage, doch ich hatte seinen Gesichtsausdruck gesehen, als Moody die Spinne gefoltert hatte. Es war ein seltener Blick hinter die Maske gewesen.
Draco trug wahrscheinlich auch wie mein Bruder in der Außenwelt eine art Maske, welche seine wahren Absichten und Gefühle oder Gedanken verbarg.
Jaime wollte nie, dass andere Menschen ihn so sehen konnten, wie er wirklich war. Und dies war bei Draco Malfoy mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls der Fall. Er wollte nicht, dass sie um seine Schwächen, um seine Ängste oder um seine Verletzlichkeit wussten.
Es war ein Schutz.
Aber trotzdem war Draco Malfoy die meiste Zeit ein arroganter, selbstverliebter, nerviger, provozierender Kotzbrocken!
Genug davon. Ich war einfach vollkommen durcheinander, weil Harrys Name gezogen wurde und weil ich mir Sorgen um Jamie machte und wegen Harrys erster Aufgabe und Apropos...-
,,Wie war das noch gleich mit den Drachen, Harry?"

Seine Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt