Weihnachtsstimmung

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Allana

Hermine kam auf mich zu. Ihre Miene war angespannt und sie trug wie immer einen Packen voller Bücher in den Armen. ,,Weißt du, was mit Jaime los ist?", fragte sie mich.
,,Was soll mit ihm sein?", meinte ich ausweichend.
,,Ich habe ihn heute in der Bibliothek getroffen. Er war vollkommen aufgelöst und durcheinander. Ich mache mir echt Sorgen um ihn!"
Ich schenkte Hermine einen ungläubigen Blick. Ich wusste zwar, dass die beiden sich gut kannten, aber dass Jaime sich Hermine offenbar teilweise anvertraut hatte, war doch mehr, als ich erwartet hatte. Normalerweise teilte er seine Sorgen mit niemandem, noch nicht einmal mit mir.
,,Er macht gerade eine schwere Zeit durch", erklärte ich ihr.
,,Ja, ich weiß", nickte sie, ,,er hat mir das mit seinen Eltern erzählt."
Mir wurde heiß und kalt zugleich. ,,Von seinen Eltern?"
Hermine schaute mich merkwürdig an. ,,Du weißt schon, das, wo sein Vater seine Mutter gefoltert hat. Die Erinnerung."
Der Schock kam für mich so unerwartet und so heftig, dass mein Gehirn für einen Herzschlag auszusetzen schien. Meine Gedanken waren wie ein kalter, leerer Raum.
Ich blinzelte. Unser Vater hatte unsere Mutter gefoltert. Und Jaime hatte mir nichts davon gesagt. ,,Ach so", meinte ich und fühlte mich auf einmal wie betäubt.
Ich wusste nicht, was davon mich schwerer traf. Vermutlich beides.
,,I-ich suche ihn dann mal", stammelte ich unbeholfen eine Lüge daher und drehte mich schnell um, damit sie meinen schockierten Gesichtsausdruck nicht sehen konnte.

Jaime

Summend schlenderte ich durch die dunklen Korridore von Hogwarts und bewunderte die flackernden Konturen, die hin und wieder entstanden, wenn ich an einer Fackel vorbeiging. Es hatte etwas beinahe beruhigendes an sich. Beinahe.
Ich schloss für einen Moment lang die Augen. Es fiel mir noch immer schwer, das alles zu verkraften, aber gerade war ich von einer sorglosen Unbeschwertheit erfüllt und wollte mich nicht mit diesem Thema beschäftigen. Ich wollte nur den heutigen Tag genießen.
In wenigen Tagen war Weihnachten und vielleicht hatte dies diesen Einfluss auf mich. Ich war - wenn man es so sah - von einer weihnachtlichen Vorfreude erfüllt.
Ich stoppte aprupt. Apropos Weihnachten: Ich brauchte noch Geschenke! Wem sollte ich überhaupt etwas schenken? Draco vermutlich, Allana auch und vielleicht noch Theodor oder Zabini. Und Hermine natürlich. Was sollte ich ihr schenken? Ein Buch? Davon hatte sie bereits genug. Bestimmt schenkten ihr alle Leute Bücher. Welche Ideen hatte ich noch? Auf jeden Fall etwas persönliches, das war klar.
Gedankenverloren ging ich weiter und wäre beinahe mit meiner Schwester zusammengestoßen.
,,Hey", murmelte sie leise, als sie mich sah.
,,Alles in Ordnung mit dir? Du siehst ziemlich bleich aus", fragte ich besorgt und musterte sie.
,,Sowas hört man gerne", murmelte sie und wischte sich kurz über die Augen. ,,Ich bin nur müde. Hab ziemlich viel Stress."
Ich sah sie an. Ihre Augen waren leicht gerötet, ihre Haare zerzaust. Etwas machte ihr offenkundig zu schaffen. Nein, mehr als nur zu schaffen. Es schien sie innerlich zu zerreißen.
Aber wie sollte ich ihr helfen, wenn sie mir nicht die Wahrheit erzählen wollte?
,,Schlaf ein wenig", riet ich ihr, ,,dann fühlst du dich besser."
Das wusste ich aus Erfahrung.
,,Jaa", murmelte sie halbherzig. ,,Bestimmt hast du Recht."
Sie drehte sich um und ging langsam davon.
Ich sah ihr verwirrt nach. Sie verheimlichte mir etwas, dessen war ich mir bereits sicher. Ich wusste nicht, was es war, aber es bedrückte Allana und ich sorgte mich um sie. Ich wusste nur zu gut, dass man sich jemanden anvertrauen musste. 
Du verheimlichst ihr aber auch so einiges, meldete sich mein innere Stimme nachträglich zu Wort.
Aber nur, weil es für sie besser ist, wenn sie es nicht weiß!
Aber trotzdem...
Ich seufzte kurz auf, meine gute Laune war jetzt nir noch gedämpft. Damit würde ich mich später noch beschäftigen.
Dann ging ich meinen gewohnten Weg in die Bibliothek.
Natürlich wartete Hermine dort schon auf mich. Neben ihr lagen verschiedene Bücher über Werwölfe und vergilbte Zeitungsberichte über Black.
,,Die sehen ja uralt aus", murmelte ich, während ich die Seiten durchblätterte, ,,von wem hast du die bekommen?"
,,Madame Pince hat tausende alte Zeitungsartikel. Ich musste sie nur fragen", erklärte mir Hermine, die noch nicht einmal von ihrem Buch aufgesehen hatte.
,,Und was hast du gesagt? Hallo, ich suche alte Berichte über Sirius Black, nur so zum Spaß?"
Hermine schnaubte. ,,Sei nicht albern. Ich habe natürlich gelogen und gesagt, dass es für die Schule sei."
,,Mich wundert es, dass uns das alle abkaufen", sinnierte ich und schnappte mir einen neuen Artikel.
,,Wir sind als Klassenbeste bekannt. Natürlich glaubt man uns!"
Ich grinste sie an. Sie hob bloß eine Braue und steckte ihre Nase wieder in ein Buch namens Werwölfe - Vom Mythos bis zum Fakt.
Ich wollte gerade eine weitere Zeitung weglegen, als mir ein kurzer Bericht ins Auge fiel: Heute Abend wurde die Leiche von Selena Black auf einem Friedhof entdeckt. Ihr Körper wies keinerlei Verletzungen auf, daher ist die Verwendung des Todesfluchs nicht auszuschließen.
Noch unklar ist, ob es Selbstmord gewesen ist, oder ob man sie getötet hat. Selena Black ist die Schwester von Sirius Black, der gestern 13 Muggel und einen Zauberer ermordet hat. Ihr genauer Aufenthaltsort war bisher unbekannt.
Ich blickte auf. Was sollte das bedeuten ,ihr genauer Aufenthaltsort war bisher unbekannt'? Hatte sie sich versteckt?
,,Und, hast du etwas gefunden?", fragte mich Hermine beiläufig.
,, ...Nein. Nur Dinge, die wir bereits wissen", log ich, ohne mit einer Wimper zu zucken.
Sie seufzte frustriert auf und fuhr sich durch die wuscheligen Haare.
,,Sag mal...", meinte ich zögerlich, ,,was wünschtst du dir eigentlich zu Weihnachten? ...Nur so aus Interesse", fügte ich hastig hinzu, während ich meinen Kopf innerlich gegen die erstbeste Wand donnerte. Noch auffälliger hätte ich vermutlich gar nicht fragen können.
Hermines Miene hatte sich jedoch prompt aufgehellt. Sie strahlte schon beinahe! Trotz der etwas peinlichen Situation musste ich lächeln.
,,Also?", hakte ich verlegen nach.
Sie schien zu überlegen. Biss sich leicht auf die Lippe. Zwirbelte eine verwirrte Haarsträhne zwischen ihren Fingern.
,,Ich weiß nicht so recht...", murmelte sie dann endlich, ,,eigentlich schenken mir alle Leute nur Sachen für die Schule. Bücher oder neue Federn, sowas halt. Aber... ich würde gerne mal etwas anderes bekommen. Etwas... überraschendes." Sie schaute mit lächelnd an. ,,Ich bin gespannt, was dir dazu einfällt."
Ich hob eine Braue. ,,Wäre dir eine Kakerlake im Bett überraschend genug?", neckte ich sie, woraufhin sie ein gespielt pikiertes Schnauben von sich gab. ,,Das kenne ich doch alles schon! Es soll wenigstens eine alte Ratte sein!"
,,Vielleicht könnte ich mir Weasleys Ratte Krätze borgen. Dann könnte ich Krummbein auch ein Geschenk machen."
Hermine prustete los.
Ich hingegen lehnte mich nachdenklich zurück und überlegte mir ein passendes Geschenk für Hermine. 

Seine Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt