JaimeDas letzte, was ich sah, war das verzweifelte Gesicht meiner Schwester. Ihre Augen glänzten feucht. An ihrer Wange lief eine Träne hinunter. Sie bemerkte es nicht.
Sie hatte alles versucht. Sie war mit mir in die große Halle gekommen. Sie hatte versucht mich zu beschützen. Selbst als ich unter dem Imperius-Fluch gestanden hatte, hatte sie nicht aufgegeben. Aber jetzt ... nicht einmal sie konnte mich noch retten.
Die Welt um mich herum löste sich in grelle Farben auf.
Das Reisen mit dem Portschlüssel war gerade wesentlich komfortabler, als auf dem Weg zur Quidditch-Weltmeisterschaft. Das lag vermutlich daran, dass ich nicht mehr einen ledernen, gammeligen Stiefel umklammert hielt, sondern auf einem Thron saß. Die Armlehnen fühlten sich angenehm kühl unter meinen Handflächen an.
Ich spürte, dass der Imperius-Fluch noch immer auf mir lag, wenn auch in deutlich abgeschwächter Form. Aber in gewisser Weise half es mir. Meine Empfindungen schienen noch immer teilweise blockiert zu sein, deshalb empfand ich keine Panik. Zumindest noch nicht. Aber die Wirkung würde vermutlich nicht mehr lange anhalten.
Das einzige Gefühl, was in meinem noch immer ziemlich leeren Kopf herumschwirrte, war eine vage Neugierde. Es wäre wohl am einfachsten mit dem Szenario zu vergleichen, in dem ein kleines Kind aufgeregt an einer Hand zieht, um der betreffenden Personen etwas zu zeigen, was es gerade entdeckt hat. Die Person empfindet zwar eine gewisse Neugierde, die durch die Begeisterung des Kindes geweckt wird, doch tief im Inneren weiß sie bereits, dass die Entdeckung des Kindes nicht wirklich besonders sein wird. Schließlich ist es nur ein Kind, ohne ernsthaftes Wissen von der Welt, ohne nennenswerte Erfahrung. Es wäre selbst von einer löchrigen Keksdose entzückt.Das gleißende Licht um mich herum wurde immer schwächer und plötzlich hatte ich den Eindruck zu fallen. In ein schwarzes, bodenloses Loch.
Das bewirkte etwas in mir. Ich hatte schon immer Angst vor Höhen gehabt, insbesondere vor dem Fall. Wenn ich an den Fenstern von Hogwarts stand, war diese Angst so gut wie nicht vorhanden. Hogwarts war ein sicheres Gebäude, außerdem war es für mich auch immer eine Art Schutz gewesen. Eine Festung, um alle Gefahren von mir abzuhalten.
Genau das Gegenteil war bei einem Besen der Fall. Es war nur ein Stück Holz, das von Zaubern zusammengehalten wurde und sich mit riesiger Geschwindigkeit fortbewegen konnte. Ich könnte jederzeit abrutschen. Hier war die Angst vor dem Fall allgegenwärtig.
Genau so war es auch bei dem Thron der Fall. Der Thron war gänzlich ohne Magie, und auf Magie hatte ich mich bisher immer verlassen können. Ohne Magie fühlte ich mich verletzlich. Schutzlos.
Und nun fiel ich also. Ich spürte den Sitz des Throns unter mir, klammerte mich mit aller Macht an den Armlehnen fest. Meine Knöchel traten weiß hervor, so verzweifelt versuchte ich mich zu schützen.
Doch es ist nicht der Fall, der Personen tötet. Es ist der Aufprall.
Ich schloss die Augen. Die Angst vor dem Fall bewirkte, dass meine Emotionen zurückkehrten, wenn auch nur langsam.
Auf einmal, ohne jede Vorwarnung, prallte der Stuhl auf der Erde auf. Durch die gigantische Wucht, wurde ich weggeschleudert und knallte auf den Boden auf. Ich spürte vertrocknetes Gras, gemischt mit Staub unter meinem Fingern.
Und in diesem Moment verschwand die Wirkung des Imperius-Fluch entgültig.
Wo eben noch Ordnung gewesen war, ist jetzt Chaos.
Wo eben noch perfekte Ausgeglichenheit geherrscht hat, ist Furcht.
Wo eben noch Gelassenheit war, ist jetzt Panik.
Ich bin hier, ganz allein, irgendwo, irgendwie.
Ich erinnerte mich nicht, was passiert ist. Zumindest für einen winzigen Augenblick. Dann stürzt das Erlebte auf mich ein wie eine riesige Welle, es zieht an meinem inneren Auge vorbei wie ein rasender Fluss. Doch nur eine einzige Sache ist wirklich von Bedeutung:
Ich habe versucht meine Schwester zu verletzen.
Es schnürt mir die Luft ab. Ein Teil von mir beharrt sanft darauf, dass es nicht meine Schuld war und vielleicht stimmt es auch. Aber das ändert nichts daran, was ich getan habe.
Ich fühle mich wie ein Monster.
Ich legte meine Stirn in das stoppelige Gras und schloss die Augen.
Am liebsten würde ich jetzt wieder unter dem Imperius-Fluch stehen, nur um nicht mehr denken zu müssen.
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Seine Kinder (1)
FanfictionLord Voldemort. Dunkelster schwarzer Magier seit Grindelwald. Jaime Gaunt. Im Waisenhaus aufgewachsen. Seine Eltern kennt er nicht, er weiß nichts über sie. Aber eines Tages erhält er einen Brief zu einer mysteriösen Schule namens Hogwarts. Allana...