Weihnachten

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Allana

,,Glaubst du, wir sollten sie wecken?"
,,Ne, nachher isst sie alle Süßigkeiten alleine auf", murmelte eine andere Stimme leise und die andere Person schnaubte zustimmend. Dann hörte ich das Rascheln von Papier. ,,Oh, meine Mum hat mir schon wieder einen Pullover gestrickt. Wann kapiert sie endlich, dass ich kastanienbraun nicht mag?"
,,Wenigstens schenken dir deine Verwandten überhaupt etwas. Von den Dursleys habe ich letztes Jahr eine Packung Taschentücher bekommen!"
,,Jungs... ich will hier schlafen!", grummelte ich mit geschlossenen Augen.
,,Komm schon! Sogar Hermine ist schon wach!"
Ich öffnete die Augen und blinzelte gegen das grelle Licht an. ,,Hermine wacht jeden Tag um die gleiche Uhrzeit auf. Ich hingegen genieße die freien Tage!"
,,Aber... Geschenke!", rief Ron aus und wedelte mit mehreren Päckchen vor meiner Nase herum.
Ich verglich kurz die beiden Aspekte Bett und Geschenke. Die Argumente für Geschenke überwiegten knapp.
Ich quälte mich aus dem Bett und schnappte mir das erstbeste Paket. Im Inneren war eine silberne Halskette und auf der Karte daneben standen in Jaimes winziger Schrift die Worte Merry Christmas. Mein Bruder war kein Fan großer Worte.
Das nächste Geschenk war ein Buch, vermutlich von Hermine.
Dann noch diverse Süßigkeiten von Harry und Ron.
Ich prüfte die anderen Geschenke, die noch auf dem Boden verteilt waren. Gab es hier noch etwas für mich?
Ein schmaler, zerknitterter Brief fiel mir ins Auge. Für Allana B., stand da krakelig geschrieben. Allana B.? Ich hieß Diggory mit Nachnamen! Zumindest offiziell...
Meine Hände zitterten leicht, als ich den Brief öffnete. Plötzlich war mir ziemlich warm. Ich las die erste Zeile.
Allana,
Es tut mir leid, dass ich dich im Turm so erschrocken habe. Ich verspreche dir, dass ich weder dir noch Harry oder sonst jemanden etwas antun wollte oder will. Es geht um etwas viel größeres.
Ich will die Umstände herausfinden, warum deine Mutter und dein Onkel - Selena und Regulus - gestorben sind. Denn ich bin überzeugt, dass sie etwas wussten. Und deshalb mussten sie sterben.
Allana, ich habe die Potters nicht verraten, das musst du mir glauben! Näheres kann ich dir in diesem Brief nicht verraten, es steht zu viel auf dem Spiel.
Wenn du mir vertraust, komm morgen abend nach Hogsmeade, in den Eberkopf. Dort werde ich dir alles erklären.
P.S Merry Christmas
S.B

Ich legte den Brief zur Seite. Meine Gedanken wirbelten herum, wie Blätter im Wind. Sollte ich ihm trauen? Sirius Black, dem verurteiltem Mörder? Meine rationale Seite schrie lauthals, dass ich vollkommen war, aber die andere Seite in mir glaubte ihm... irgendwie. Dieser Teil wollte förmlich, dass Black der ,gute' war und der Rest der Welt sich einfach irrte. Aber meine Erfahrungen hatten gezeigt, dass das wirkliche Leben keineswegs so wie in kitschigen Büchern war.
Trotzdem... ich hatte meine Wahl bereits getroffen.

Jaime

Wie sah ich aus? Skeptisch betrachtete ich mein Abbild im Spiegel. Eigentlich ganz normal. Meine Haare waren vielleicht etwas zerzaust und mein Gesicht etwas bleich, aber sonst so wie immer.
Warum verdammt nochmal bin ich mur so nervös?!
Meine Hände waren schwitzig und mir war, obwohl ich nur eine Hose und ein langärmeliges Sweatshirt trug, ziemlich warm.
Verdammt! Stell dich nicht so an! Es ist nur ein Treffen unter Freunden. Kein... Date oder so!
Ich beschloss zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors zu gehen. Dort würde sie wie jeden Tag um etwa acht Uhr hinauskommen, um frühstücken gehen. Ich würde sie also dort abfangen und sie überreden, dass es in der großen Halle zu laut und zu voll war. Dann würde ich ihr vorschlagen etwas mit mir in einen Raum zu essen, den ich vor kurzem entdeckt hatte.
Ich hatte alles durchdacht!
Jetzt musste sie nur noch Ja sagen...
Ich ging die Stufen zum Turm der Gryffindors nach oben. Dort war es vollkommen leer, nur die Fette Dame musterte mich misstrauisch mit zusammengekniffenen Augen. Sie suchte bestimmt bereits nach einem Grund, um mich an zu brüllen, aber ich gab ihr diesen Gefallen nicht. Stattdessen wartete ich einfach nur ganz entspannt - das war zumindest der äußere Anschein - auf Hermine. Innerlich war ich total aufgeregt und mein Herz klopfte wie verrückt.
Warum kam sie denn nicht? War sie vielleicht schon in der großen Halle? Oder verbrachte sie den Tag lieber mit ihren Gryffindor-Freunden?
Ich wartete noch etwas länger.
Dann schlug ich mit der Hand gegen die Wand.
Komm doch endlich! Ich sterbe hier fast vor Nervosität!
,,Das ist ein Bilderrahmen aus dem Fünfzehnten Jahrhundert!", tönte die Fette Dame, ,,aus Mahagoni!"
,,Sag das jemanden, den's interessiert!"
Das Porträt schnappte sichtlich empört nach Luft und begann eine weitere Schimpftirade.
Ich verdrehte nur die Augen und massierte meine Schläfen. Dieses Bild machte mich wahnsinnig!
,,Jaime?", meinte plötzlich eine wohlbekannte Stimme, ,,was machst du denn hier?"
Wie von Blitz getroffen ruckte mein Kopf in Hermines Richtung. Ein Halswirbel knachste. ,,Hermine, schön das du da bist!", rief ich lauter als beabsichtigt. Erleichterung machte sich in mir breit.
Die Fette Dame hob eine Braue.
,,Jaa, ich bin da", meinte Hermine, die leicht verwirrt wirkte. ,,Hast du auf mich gewartet?"
,,Ähm, ja, in gewisser Weise schon", meinte ich verlegen.
,,Du hättest einfach in der großen Halle warten können! Du weißt doch, dass ich da immer morgens bin."
Hervorragendes Stichwort!
,,Du fragst dich bestimmt, warum ich dir nichts geschenkt habe", begann ich und hakte damit den Beginn meiner kleinen Rede ab. ,,Die Sache ist die: du bist meine beste Freundin und deshalb habe ich mir etwas besonderes ausgedacht." Ich hielt ihr grinsend den Arm hin. ,,Darf ich bitten?"
Sie funkelte mich verschmitzt an. ,,Natürlich." Sie hakte sich bei mir unter, als ob wir ein vornehmes Pärchen auf dem Weg zu einem Ball wären.
Wie romantisch.
,,Also, Mister, was haben Sie sich für den heutigen Tag ausgedacht?", scherzte sie fröhlich.
,,Nun, meine Gute, ich habe ein romantisches Dinner zu zweit arrangiert. Mit Kerzenschein und einen versteckten Heiratsantrag."
Hermine gluckste und tat so, als würde sie sich Luft zufächeln. ,,Ich bin tief berührt."
Wir marschierten an der Fetten Dame vorbei, die den Anschein hatte, als würde sie sich nur mit großer Mühe ein Lächeln verkneifen.
,,Also, wo gehen wir hin?", fragte mich Hermine neugierig.
,,In einen Raum, der deine Wünsche wortwörtlich erhört", antwortete ich nur ausweichend, musste mir aber insgeheim ein Grinsen verkneifen.
Hermines Miene war abzulesen, dass sie es nicht mehr abwarten konnte, endlich in diesen geheimen Raum zu gehen, das bohrende Interesse stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben.
,,Tritt ein", meinte ich und deutete eine gespielte Verbeugung an, als wir vor der schweren Holztür standen, die den Eingang zum Raum der Wünsche markierte.
Langsam öffnete sie die Tür. Kurz darauf war ein freudiges Kieksen zu vernehmen. ,,Genau so einen Raum habe ich mir früher mal gewünscht!"
,,Tja, ein Raum der Wünsche eben", erklärte ich ihr geheimnisvoll.
Dann ging ich ebenfalls hinein und blickte mich um. ,,Ziemlich viele Bücher", beschrieb ich meinen ersten Eindruck Hermine.
,,Ja, das sind alle Bücher, die ich mal gelesen habe!"
Der Raum war ziemlich groß. Es roch nach Pergament. Auf dem Boden lagen mehrere Sitzkissen und die Wände strahlten rot und golden.
Ich holte das eingepackte Essen heraus und stellte es auf den niedrigen Tisch, bei dem die Sitzkissen als Stühle dienten.
Das kleine Frühstück bestand aus Brötchen, Rührei, Speck und mehreren Sorten von Marmelade. Eine Weile aßen wir schweigend. Aber es war kein unangenehmes Schweigen, eher die Art von Schweigen, wenn man weiß, dass Worte den flüchtigen Moment nur zunichte machen würden.
,,Das müssen wir definitiv öfter machen!", meinte Hermine, nachdem wir gegessen hatten.
,,Schön, dass es dir gefallen hat", lächelte ich und ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Inneren aus.
Meinetwegen müsste der Tag nie enden!
Wir redeten über die Bücher in den Regalen, stellten Theorien über den Raum auf und bemerkten gar nicht, wie es langsam Mittag wurde.
,,Und sonst kennt niemand diesen Raum?", fragte mich Hermine voller Interesse.
Ich zuckte lässig die Schultern. ,,Vielleicht kennen ihn ein paar Schüler, aber sie sehen den Raum, den sie sich wünschen. Diesen bestimmten Raum hingegen", erklärte ich und deutete eine Geste an, die die rot-goldenen Wände umfasste, ,,kennt niemand, außer uns beiden. Es ist sozusagen unser kleines Geheimnis."
Hermines Augen blitzten schelmisch. Ihr gefiel der Gedanke, dass wir beide die einzigen waren, die den Raum kannten, genauso gut wie mir. Wir beide waren begeistert, als auch begierig von Geheimnissen. Und von Wissen, egal von welcher Art.
Der Zeiger der Uhr an der Wand erreichte die Zahl 4.
,,Wir sollten langsam gehen", murmelte  Hermine schließlich bedauernd und zog mich hoch.
Wir gingen langsam hinaus und hörten, wie die Tür hinter uns zufiel. Ich drehte mich um. Nur eine Wand.
Nichts deutete mehr darauf hin, dass wir hier die letzten Stunden verbracht hatten. Es deutete überhaupt nichts mehr auf einen Raum hin. Da waren nur noch Erinnerungen in meinem Kopf.
,,Bis morgen!", rief Hermine und winkte mir zum Abschied zu. Ich winkte zurück.

Seine Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt