8 - Fall vom Himmel

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* Andreas *

Stephan und ich hatten ein wenig verschlafen, sodass es bereits gegen elf war, als wir aufwachten. Bis wir aßen und uns fertig gemacht hatten, war es dann auch schon um eins, da wir uns unglaublich viel Zeit ließen. Danach hatten wir einige Foto- und Pressetermine.

"Hey Wellinger, Anzug steht dir.", hörte ich eine Stimme als ich von einem Interview wiederkehrte. Kaum zu verkennen, dass es Emilia war, welche auf dem Weg zu ihrem Wettkampf war.
"Dankesehr.", gab ich geschmeichelt wieder und wir fuhren mit unserem albernen Handschlag fort.
"Bilde dir nichts darauf ein. ", erwiderte sie nur und winkte, da sie gehen musste."Ich zieh mich nur um, dann komme ich zu euch.", gab ich von mir und sie nickte.
"Mila? Pass auf dich auf.", fügte ich noch hinzu als sie am Gehen war und sie drehte sich nocheinmal um.
"Mach ich. Bis dann."

Ich warf mich also in entspanntere und wärmere Kleidung um meine neu gefundene Sportsfreundin anzufeuern. Mila und ich verstanden uns wirklich
unglaublich gut und waren auf derselben Wellenlänge. Es war tatsächlich sehr überraschend wie gut wir uns vom ersten Moment an verstanden hatten. Zum Glück konnten wir ohne Probleme nah an der Schanze stehen, sodass ich nach Emilias Probesprung ankam.
"Ey, Blondie!", schrie ich ihr also nach und sie drehte sich lachend um.
"Wie hast du mich gerade gennant?", fragte sie schmunzelnd.
"Viel Glück!", erwiderte ich nur und bekam eine Umarmung. Man sah in Milas Gesicht einen Schimmer von Angst und ich erkannte schnell, dass es an den Bedingungen dieses Abends lag. Der Wind veränderte sich ständig und der Schneeregen machte es nun nicht gerade besser.

"Keine Sorge. Du musst nur von oben nach unten kommen. Und das kommst du.", lachte ich und sie nickte "Und wenn ich Glück habe kriege ich auch noch eine Landung hin, was?", erwiderte sie wenig überzeugt und zog die Augenbrauen nach oben. Ebenfalls wie ich schien sie nie ihren Humor zu verlieren. Trotzdem drückte ich ihr die Daumen, denn es war wirklich sehr schwer diesen Bedingungen stand zu halten. Ich konnte Richards Atem nicht hören als Selina ihren ersten Sprung machte. Mit jedem Springer verschlechterten sich die Bedingungen.
Leonard presste seine Hände ineinander als seine Schwetser die Schanze betrat. Mir ging es ähnlich, denn der Schneefall hatte zugenommen und dazu gab es Rückenwind.
"Die können sie doch jetzt nicht runterlassen.", sprach er aufgeregt meine Gedanken aus. Stellt die Ampel auf rot! Stellt die Ampel auf rot!, dachte ich. "Sie müssen fair bleiben.",erwiderte Stephan, der genau wie ich oft genug das selbe Leid trug. Und ich sagte garnichts, drückte nur die Daumen, dass alles gut ging. Und das ging es Gott sei Dank, aber für die Führung reichte es nicht. Ich hörte, wie alle erleichtert ausatmeten als Mila heil am Boden ankam.

Sie lächelte uns kurz zu und kam einen kurzen Augenblick zu uns.
"Alles okay?", fragte Leon sofort und sie sah an sich herunter. "Beine sind noch dran, Arme auch. Mach dir keine Sorgen.", lächelte sie und umarmte ihren Bruder. "Nur noch ein Sprung, Leon. Mach dir keine Sorgen. ", sprach sie und ich sah es Leon an, dass er sie am liebsten nicht mehr hochgehen lassen würde. Ich hoffte noch auf bessere Bedingungen und sah Mila nach.

Beim zweiten Durchgang passierte es Selina fast, doch sie konnte einen Sturz geradewegs verhindern, weshalb Richard erleichtert ausatmete und ich ihm die Hand auf die Schulter legte. Es war wirklich knaüp gewesen und siw war nicht die einzige. Als Emilia oben stand, musste sie sogleich wieder runter, da der Wind zu sehr wehte. Erleichtert atmeten wir aus, denn diese Bedingungen waren unzumutbar. Der Wind drehte sich sekündlich und die Schneeflocken verdeckten jegliche Sicht . So ging es einige Male vom Balken wieder hinunter und nun machte sich Nervosität in uns allen breit. Im Gesicht ihres Trainers konnte man ablesen, dass dieser nicht begeistert war als sie hinunter musste. Aber sie war die letzte Springerin - sie musste springen.
Der Wind wechselte ständig und als der Trainer sie abwinkte betete ich, dass nichts passieren würde. Schließlich hatten viele Probleme beim Landen gehabt. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und drückte diese so, dass es weh tat.

Mila sprang pünktlich ab und alles sah gut aus. Fast atmete ich erleichtert aus, da die Bedingungen wirklich unheimlich waren, doch ich sollte mich nicht zu früh freuen. Angespannt beobachtete ich ihren Sprung, welcher mir unendlich lang erschien. Und dann passierte genau  das, wovor sich alle gefürchtet hatten. Sie bekam einen kräftigen Windstoß von der Seite ab, sodass sie kämpfen musste um ein Gleichgewicht aufzubauen, was nun fast unmöglich war. Sie kippte zur Seite und versuchte sich wieder aufzurappeln. Sie zog die Beine auseinander um an Halt zu gewinnen, doch es bewirkte das Gegenteil. Durch diese ruckartigen Bewegungen fiel sie ein Stück nach links, weshalb sie zu rudern begann, wodurch sich ihr sich ihr rechter Ski von ihrem Körper löste. Alles geschah  wie in Zeitlupe und ich war stocksteif bis mich ein Schrei in die Gegenwart holte. Leonard schrie und rannte los, ich rannte ihm sofort nach. Meine Augen richteten sich noch imner auf das Geschehen während ich rannte. Mila fiel mit der rechten Seite auf den Boden und bekam dabei ihren zweiten Ski, der sich zu spät löste, in das Gesicht. Alles passierte so schnell.
Ein schmerzverzerrter Schrei ertönte und ließ uns alle zusammenzucken, fast hätte ich mir die Ohren zugehalten und Leonard schluchzte, so als hätte man ihm nun das Leid übertragen. Mila rutschte den restlichen Teil des Auslaufes auf dem Bauch hinunter und bewegte sich nicht mehr. Ich hatte so unglaubliche Angst um Emilia. Auch, wenn wir uns nicht so lange kannten war alles zwischen uns so vetraut und sie war mir auf irgendeine Art und Weise wichtig.  Natürlich durften wir die Schanze und deren Auslauf nicht betreten, die Sanitäter rannten bereits zu Emilia, welche nun mittlerweile am Auslauf angekommen war und sich vor Schmerzen krümmte. Allein dieses Bild schmerzte. Alles war still und diese Stille erdrückte mich. Für einen Moment bekam ich ein Flashback meines Sturzes in Kuusamo vor Augen. Einige Bilder zuckten wie Blitze vor meinen Augen. Die Videos, die ich gesehen hatte und das, was ich gespürt hatte. Wie es sich anfühlte zu wissen dass alle einem zusahen wie man fiel und sich nicht erahnen konnten wie sehr das schmerzte.Leonard schüttelte den Kopf und riss mich aus der Vergangenheit.
"Nein.", sagte er nur immer wieder zu sich selbst.

Es schein Ewigkeiten zu dauern, ehe die Sanitäter sie erreichten. Natürlich hob sie weder ihren Arm, noch ihren Kopf. Natürlich hatte ich es nicht erwartet, nach dem, was ich gerade gesehen hatte, doch ich hatte darauf gehofft. Eines der schlechtesten Zeichen und wir konnten nur da stehen und zusehen. Wir hofften noch immer auf ein Winken ihrerseits doch nichts geschah. Sie hielt ihre Arme um ihre Körper und drehte sich zur Seite. Ein weiterer Schrei erfolgte und mir war klar, dass ich diese zwei Töne nie mehr vergessen würde. Ich bekam eine Gänsehaut. Als sie auf die Liege getragen wurde, fand der Stadionsprecher seine Stimme wieder. Selbst aus der Entfernung erkannte man, wie jede Bewegung sie zusammenzucken ließ. Sie lag zusammengekrümmt auf der Liege und wimmerte vor Schmerz, sodass die Sanitäter es sich nicht wagten sie zu berühren und ihr lediglich eine Decke überwarfen.

Leonard weinte leise für sich selbst. Ich umarmte ihn, während der Rest nun hinter uns stand.
"Scheiße.", fluchte Markus in seiner gewohnten Art als die Sanitäter durch kamen und wir ihnen die Tore aufhielten. Emilia lag immernoch gekrümmt auf der Trage, das war sogar durch die Decke erkennbar. Ihr Gesicht war so schmerzverzerrt, dass es mir im Herzen weh tat. Tränen überzogen ihr Gesicht, aber ihre Augen waren geschlossen. Im ganzen Gesicht hatte sie Schürfwunden und der Ski hatte einen deutlichen Abdruck hinterlassen. Leonard berührte ihre Hand "Ich bin ihr Bruder, darf ich mitkommen?", fragte er.
"Wir müssen sie erstmal schnellstmöglich wegbringen. Am besten sie kommen nach in das städtische Klinikum.", antworteten sie auf Englisch und Leonard sah hoffnungsvoll zu mir. Natürlich joggten wir gemeinsam mit Markus und Selina zu der nächsten Straße zu der Eisei ein Taxi bestellt hatte und begaben uns auf direktem Wege in das Krankenhaus. Den ganzen Weg hörte ich diese Schreie und sah ihr schmerzverzerrzet Gesicht. Keiner sagte etwas, alle hatten Angst vor dem was kommen würde. Dass der Sturz übel ausgesehen hatte, wussten wir alle und keiner wollte ein Wort darüber verlieren. Jeder hing seinen eigenen Gedanken hinterher, während ich meinen eigenen schlimmsten Sturz vor Augen hatte, wie in einem Kino. Nur, dass sich die Bilder von da und heute vermischten. Es war schrecklich und Leon weinte die ganze Fahrt lang, während er mit seinen Eltern telefonierte.

Fliege zu den Sternen.  • {Andreas Wellinger}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt