21 - Verpeilte Beste Freundin

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* Andreas *

Sieben Wochen später...

Der Weltcup war nun vorbei und ich konnte endlich wieder durchatmen. Es war ziemlich anstrengend so lange durchzuhalten, vorallem nach Olympia.
Ich hatte so viele Interviews geben müssen, dass ich kaum Zeit für meine Freunde und meine Familie hatte. Das war nun einmal der Preis, den ich zahlen musste, wenn ich erfolgreich war. Dennoch war es Ende März und ich hatte unzählig viele Sachen zu erledigen und viele meiner Verwandten und Bekannten zu besuchen. Die letzten Wochen waren so unglaublich stressig, dass ich den gestrigen Tag einfach nur im Bett verbracht hatte. Natürlich stand ich durch meine Leistungen momentan im Fokus der Presse und hatte viel zu tun. Außerdem musste ich für Werbungen auftreten, die kleinen Nachwuchsspringer besuchen und zahlreiche Empfänge wahrnehmen. Das würde sich in den nächsten Wochen nicht großartig ändern.

Mila und ich schrieben ab und an einige Nachrichten miteinander, doch ich hatte sie beinahe zwei Monate nicht gesehen. Immer, wenn ich Zeit hatte, hatte ich Termine und andersherum. Manchmal fehlten mir ihre Kommentare wirklich. Aus diesem Grund war ich froh, dass wir uns heute endlich treffen konnten, denn Emilia war meine beste Freundin geworden. Ich wollte sie nach ihrer Physiotherapiestunde abholen, doch das lehnte sie natürlich ab. Stattdessen trafen wir uns im nahegelegem Park. Schon von weiten erkannte ich Mila und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, denn sie war nun wieder ohne Krücken unterwegs. Nun trug sie wieder ihr Lächeln auf dem Gesicht und war ganz die Mila, die ich kennengelernt hatte. Ihre blonden langen Haare hatte sie mit einem blauen Blumenhaarband dekoriert, welches mit der Farbe ihrer Jeansjacke übereinstimmte. Sie sah genauso fröhlich aus, wie sonst und das machte sie so unglaublich wundervoll. Ich hätte mir keine bessere beste Freundin aussuchen können und zog sie freudig in die Arme.

"Na, du Schanzenheld.", begrüßte sie mich als sie sich löste und wir versuchten unseren Olympiahandschlag auszuführen.
"Na, du Sturzpilotin?", lachte ich deshalb und sie sah mich skeptisch an.
"Hey, ich stehe wieder auf zwei Beinen und nicht auf vieren, okay?", seufzte sie und schob sich eine lose Strähne aus dem Gesicht.

Es war alles wieder bunt. Sie war nicht mehr grau, sie hatte ihre Welt wieder in Farbe getränkt. Doch ich wusste, dass es nicht nur an den Krücken liegen konnte. Allerdings wollte ich nicht nachbohren. Stattdessen genoss ich die Zeit mit Emilia, welche wieder völlig die Alte war. Sie sah wirklich toll aus und da spielte das Makeup oder die Kleidung keine große Rolle.

"Heute mit persönlicher Gärtnerei?", fragte ich und deutete auf ihren Haarschmuck. Mila verdrehte die Augen.
"Ich dachte ich fang mal an mit dem Frühling.", lächelte sie und zuckte mit den Schultern.
"Wie war die Physio?", fragte ich nach und sie seufzte.
"Dieser Therapeut ist eine Katastrophe. ", lachte sie und erzählte mir von seinen Missgeschicken. Und während sie so erzählte, bemerkte ich wie die Ruhe in mir zurückkam. Wie ich mich schwerelos fallenlassen konnte ohne mir großartig Sorgen machen zu müssen.

Wir liefen an einem kleinen verlassenem Spielplatz vorbei als Emilia stehen blieb und mich freudig anstrahlte.
"Es tut mir leid, aber ich muss jetzt eine Runde schaukeln.", lachte sie und ich musterte sie skeptisch.
"Meinst du, das geht?", fragte ich und deutete auf ihren Fuß.
"Ach Andi, ich bin schon groß und weiß, was ich tue. Aber wenn du dir keine Vorwürfe machen möchtest, dann kannst du mich natürlich gerne abschupsen.", lachte sie und ich tat es ihr gleich. Genau das war es, was ich meinte. In ihrer Anwesenheit schienen die kleinsten und simpelsten Dinge eine Bedeutung zu erhalten. Ich machte mir keine Gedanken darüber, wer uns sehen könnte, sondern lebte nur in dem Moment.
"Wie Sie wünschen, Hoheit.", lachte ich deshalb und erntete einen bösen Blick. Mila setzte sich also auf die Schaukel und ich gab ihr zahlreiche Anstöße.
"Fühlt sich sogar ein bisschen an wie fliegen.", rief sie und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Es erinnerte mich an unsere ersten Treffen, denn mit Emilia neben einem schien das Glück auf einen hinabzuregnen. Als hätte sie einen Zauber an sich, welcher alle in Frohsinn stimmte. Durch ihren Sturz war er eine Zeit lang verloren gegangen. Wie ein Licht, welches erloschen war, aber nun umso heller strahlte.

Kurz darauf ließen wir uns auf einer Bank nieder, denn Milas Fuß war noch nicht so viel Bewegung gewohnt.
"Sorry.", stöhnte sie und ich lächelte erneut "Alles gut."
Eine Sekunde lang wirkte ihr Gesicht gequält. Ich vermutete, dass das Schaukeln keine gute Idee gewesen war, doch das würde sie natürlich niemals zugeben.
"Was machen wir jetzt?", fragte sie dann und ich zuckte mit den Schultern.
"Worauf immer du Lust hast.", antwortete ich, da es mir wirklich egal war, denn ich verbrachte gerne Zeit mit meiner besten Freundin.  Einen Moment lang dachte sie nach, ehe sie mich angrinste. Sie setzte gerade zum Sprechen an, als ihr Handy klingelte. Seufzend nahm sie den Anruf entgegen.

"Was? Das ist heute?", fragte sie sichtlich verwirrt.
"Nein, ich habe das natürlich nicht vergessen.", log sie und ich musste mich zusammenreißen um nicht loszulachen.
"Klar, ich bin schon fast da.", sagte sie verzweifelt.
"So in einer Viertelstunde?", brachte sie kleinlaut hervor und beendete das Telefonat.

"Ich habe leider noch eine Besprechung, wegen dem weiteren Verlauf mit dem Training und der Physio.", seufzte sie deprimiert und ich nickte verständnisvoll.
"Hast du heute Abend schon was vor?", fragte sie und ich schüttelte den Kopf "Nö."
Eigentlich hatte ich geplant mich einfach nur auf das Sofa zu legen und nichts zu tun, aber Zeit mit Emilia ließ mich das verschieben.
"Leon, seine Freunde und ich wollten bowlen gehen. Komm doch mit! Du kannst auch jemanden mitbringen, falls du dir sonst blöd vorkommst.", sprach sie und ich nickte.
"Ich bin dabei."
Dann stand sie auf, nannte mir eine Uhrzeit und lief links an mir vorbei. Kurz darauf erschien sie nocheinmal.
"Falsche Richtung.", lachte sie und ich schüttelte den Kopf. Mit Mila war es jedenfalls niemals langweilig.

Fliege zu den Sternen.  • {Andreas Wellinger}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt