Dejavu

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*Andreas *

Der Wettkampf begann wundervoll. So langsam gelang es mir wieder einen oder anderen besseren Sprung abzuliefern. Und Mila war unschlagbar. Sie hatte in der Mixedupstaffel den zweiten Platz gesichert und war in zahlreiche Interviews eingewickelt während ich mit Constantin und Markus durch die Stadt ging.

Am Sonntag hatten wir unseren Wettkampf schon hinter uns als die Damen ihren hatten und ich ließ es mir natürlich nicht nehmen meiner Freundin zuzuschauen. Die Jungs hatten sich zu Richie und mir an die Schanze gesellt und beobachteten das Geschehen. Durch aufkommenden Wind gab es ab und an einige Pausen, aber alles lag im grünen Bereich. Wir tranken das ein oder andere Bier und die Stimmung war ausgelassen. Es wurde viel gelacht und angefeuert, geschrien und gejubelt.

Als Mila an der Reihe war, lag meine komplette Aufmerksamkeit bei meiner Freundin. Unwillkürlich lächelte ich als sie auf dem Bildschirm sah und drückte meine Hände fest zusammen. Es war jedes Mal aufregend, wenn sie die Schanze hinunter sprang. Wahrscheinlich würde ich mich niemals daran gewöhnen.

Doch schon beim Absprung bemerkte ich das falsche Timing. Sie war viel zu spät, als hätte sie Angst zu springen. Unwillkürlich bohrte ich meine Nägel in die Handflächen, denn ich wusste, dass Mila immer den perfekten Zeitpunkt abwartete, aber niemals verpasste. Und dann passierte das, was ich vor Monaten vorausgesehen hatte, aber schon lange Zeit einen Haken daginter gesetzte hatte. Wie in einem Dejavu beobachtete ich, wie meine Freundin plötzlich in der Luft zusammen sank. Wie gelähmt stand ich da und musste zusehen, wie sie fiel. Stille breitete sich aus. Fassungslosigkeit. Und ich stand mitten drin. Sie kippte nach vorne und kam noch im Abhang auf. Ich nahm nichts anderes wahr außer den Sturz meiner Freundin. Sie kam zuerst mit dem Bauch auf den Boden auf und rutschte die gesamte Strecke nach unten. Dieses Mal war nicht einmal ein Schrei zu hören. Durch die Skier drehte sie sich in alle Richtungen und flog durch den Anhanhmg noch einige Male einige Zentimeter in die Luft, ehe sie mit dem Hinterkopf aufkam.

"Warum fallen die Skier nicht ab?" Fauchte ich und wiederholte meine Aussage lauter. Markus legte mir sogleich seine Hand auf die Schulter, doch ich nahm es kaum wahr. Noch immer rutschte sie nach unten und drehte dabei so oft die Seiten, dass ich keine Ahnung hatte, wie oft sie mit den Skiern in Berührung kam, bis diese sich endlich lösten, sodass Mila sich zusammen krümmte. Ein Ski traf sie am Hinterkopf und ich wusste, dass dieser Sturz schlimmere Folgen haben würde als der von Kora.Und dann durchbrach das allzu bekannte Geräusch die Stille und brachte mich zum Zittern. Ein Schrei, welcher mich aus dem Trance holte. So schmerzverzerrt und laut hallte er in meinem Kopf. Sofort rannte ich los und drängte mich durch die Menge, ehe ich über die Bande sprang und zu ihr stolperte. Als sie endlich im Auslaif ankam, stürzten sich die Sanitäter über sie. Noch bevor ich meine Freundin sah, erkannte ich die Blutspur hinter ihr. Fuck. Jemand zog mich nach hinten, doch ich wehrte mich gegen den starken Griff. Ich nahm Worte wahr, doch hörte nicht hin. Viel mehr riss ich mich los und erkannte meine Freundin auf der Trage. Noch immer lag sie am Boden, kein Ton, kein Zeichen. Noch einmal wurde ich nach hinten gezogen und sackte zusammen als endlich die Trage hochgehoben wurde. Sofort richtete ich mich wieder auf und erhaschte einen Blick auf meine Freundin. Ihre Augen waren geschlossen und ihr Gesicht voller Blut. Es sah fürchterlich aus. Das Kissen auf dem sie lag hatte bereits eine rote Farbe angenommen und mir wurde augenblicklich übel. Ihr rechter Arm war s-förmig gekrümmt und ich konnte nur ahnen, was sich unter der Decke verbarg.

"Wird...sie es schaffen?" Fragte ich mit letzter Kraft und einer der Sanitäter blickte mich an, während sogar ein Notarzt auf uns zurannte. Kein gutes Zeichen. Ich schluckte hart.
"Wird sie." Hörte ich plötzlich Hans hinter mir und war froh, dass er da war um Mila zu helfen. Doch seine Stimme zitterte; er war sich selbst nicht sicher. Und nun stand ich hier und musste zusehen, wie sie weggebracht wurde.

"Wir fahren hinterher." Sagte Hans bestimmt und griff nach meinem Arm, während Markus mir immer wieder seine Hand auf die Schulter legte.
"Ich hätte sie nich springen lassen dürfen." Murmelte Hans als wir das Auto erreichten und ich sah ihn verwundert an. Ee scglug gegen das Lenkrad, ehe er den Motor startete.
"Sie hat mich heute noch gefragt, wie sie ihre Atmung unter Kontrolle halten kann. Hätte ich gewusst, dass..." er sprach weiter, doch ich hörte nicht mehr zu. Mit einem mal wurde mir alles klar. Milas Yogastunden und ihr seltsames Verhalten in letzter Zeit...ihre Schmerzen hatten sich nicht gebessert. Und ich Idiot hatte die Augen verschlossen, weil ich es mit ganzem Herzen glauben wollte. Die häufigen Male, die sie sich auf der Toilette versteckte oder kurzfristig Treffen absagte...sie hatte nie etwas anderes vor, sie wollte mir nur nicht sagen, wie es ihr ging. Also sagte ich Hans nun alles, was ich wusste, weil es ihr vielleicht das Leben retten könnte. Hans schien verblüfft, aber ganz und gar nicht überrascht. Er schien Mila gut zu kennen.

Am Krankenhaus angekommen, stürzten wir uns aus dem Auto. Ich wusste nicht, woher ich die Kraft nahm, alles passierte wie automatisch. Als würde mich etwas steuern. Natürlich durften sie uns keine Auskunft geben. Nur Hans verschwand um den Ärzten das weiterzugeben, was er nun wusste. Stunden vergangen in denen ich in die Leere starrte und weinte, sodass uch kaum noch Stimme oder Tränen übrig hatte. Ich schrieb meiner und Milas Familie, welche sich sofort auf den Weg machten. Ich war froh, dass Markus ihnen die Fragen beantwortete als sie eintrafen. Ich erinnerte mich zu gut an das letzte Mal als ich hier saß, aber diesmal würde sie nicht so ein Glück haben. Was auch immer der Arzt sagen würde, es musste furchtbar sein. Ich hatte den Sturz verfolgt. Jede Sekunde. Jede Bewegung. Und ich hatte kaum Hoffnung, dass sie glimpflich davon gekommen war.

Milas Mutter stand auf als eine Schwester in den Gang trat.
"Sie hat schwere Verletzungen und wird noch operiert. Sie ist noch nicht über den Berg." Teilte sie besorgt mit und ich schluchzte erneut. Ich konnte sie nicht verlieren. Nicht hier. Nicht jetzt.

Fliege zu den Sternen.  • {Andreas Wellinger}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt