19 - Durchatmen Mal Anders

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* Andreas *

Am nächsten Morgen machte ich mich für das bevorstehende Interview fertig. Während ich mir die Zähne putzte, sah ich auf mein Handydisplay und antwortete auf Nachrichten von Freunden und Familie. Dabei klickte ich versehentlich auf Milas Profil und erkannte, dass sie online war.

"Schon fertig mit dem Gemälde auf deinem Gesicht?🤔😂", tippte ich deshalb in den Chat und erhielt die Antwort noch während ich mir den Mund ausspülte.
"Du kleiner Stalker😝, aber nein, das machen die ja da, haha.", hatte sie geschrieben und ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.
"Bis gleich", antwortete ich noch und kümmerte mich um meine Haare, ehe ich mich auf dem Weg zum Studio begab.  Als ich ankam, saß Mila bereits in der Maske und unterhielt sich mit den Stylistinnen. Auf mich kamen sofort die anderen Stylistinnen zu um mich fertig zu machen. Erst kurz vor dem Auftritt bekam ich Mila zu Gesicht und begrüßte sie freudig. In der kurzen Zeit war sie mir eine unfassbar gute Freundin geworden und ich freute mich jedes Mal, wenn ich sie sah.

In dem Interview passierte nichts Spannendes. Es wurde über Olympia gesprochen, über Milas Sturz und unsere scheinbare Freundschaft, welche wir sofort bestätigten. Es zog sich unglaublich in die Länge und wir seufzten. Es war keine Frage, dass wir die momentanen Lieblinge der Presse waren und deshalb oft zusammen eingeladen wurden. Ab und an gab es natürlich auch Anspielungen auf irgendwelche Flirtversuche.

"Essen wir einen Frozen Yogurt?", fragte sie als wir vor der Tür des Studios ankamen und ich lachte verwirrt.
"Es ist Winter und du hast Bock auf einen FroYo?", fragte ich zweifelnd und sie nickte selbstverständlich "Ähhh ja?"
Ich zuckte lachend mit den Schultern und nickte "Wie Sie wünschen, Miss."
Wir liefen also im langsamen Tempo die Straße entlang und auf Milas Wunsch, bestellte ich ebenfalls einen Frozen Yogurt. "Das wird jetzt unsere Tradition. ", stellte sie fest als sie ein Foto machte um es in ihre Instagramstory zu stellen damit die Fans bemerkten, dass wir tatsächlich gut miteinander auskamen.
Es war eindeutig zu kalt um Appetit auf Frozen Yogurt zu haben, doch es war tatsächlich unglaublich schmackhaft.
Übermorgen würde es mit dem Weltcup weitergehen, sodass ich morgen Nachmittag nach Lahti fliegen würde. Es handelte sich nur noch um elf Wettkämpfe bis ich endlich wieder durchatmen konnte. Später stand noch eine Besprechung mit Werner und dem gesamten Team an. Stephan würde danach bei mir übernachten um von München direkt fliegen zu können.  Bei Mila allerdings ließ es sich immer gut durchatmen.

"Ich bin froh, wenn ich dieses Ding endlich los bin.", seufzte sie auf dem Weg zur Straße und ich schmunzelte kurz.
"Ich bringe dich nach Hause, mein Auto steht gleich um die Ecke.", sprach ich ehe sie sich ein Taxi rufen konnte und sie nahm mein Angebot dankend an.
"Wenn das mit dem Springen nichts wird, wirst du einfach Altenpfleger.", stellte sie fest während ich ihr die Krücken entgegen nahm und ich schüttelte lachend den Kopf.
Zeit mit Emilia zu verbringen war wie fliegen - unbeschwert und frei.

"Genau, ich helfe ja gerne den Bedürftigen. ", zwinkerte ich während ich mich auf den Fahrersitz setzte und erntete einen tötenden Blick.
"Ganz dünnes Eis, mein Freund. ", stellte sie fest und ich lachte.
"Wie gut, dass ich Sport treibe und auf meine Ernährung achte.", grinste ich und Mila seufzte. Diese Runde ging an mich.
"Du weißt aber schon, dass Rittersport nicht unter Sport zählt?", fragte sie sarkastisch und ich zog die Augenbrauen hoch. Dass sie auch imner das letzte Wort haben musste.
"Ja, ich sehe es ja an dir.", schmunzelte ich und sie prustete los.
"Ganz schön fies. Man bezeichnet Frauen nicht als fett. ", lachte sie und ich sah sie lachend an. Emilia war keinesfalls fett und brachte weniger Kilos auf die Waage als ich, aber sie zu provozieren machte so unglaublichen Spaß. Dennoch beließ ich es erstmal dabei und startete den Motor.

Milas Wohnung lag genau auf meinem Weg, denn ich wohnte nur einige Straßen weiter von ihr entfernt. Seltsam eigentlich, dass wir uns noch nie getroffen hatten, nichteinmal im Olympiapark. Als ich vor ihrem Blog einparkte, half ich ihr beim Aussteigen. Natürlich begleitete ich sie bis vor die Wohnungstür, wobei sie die ganze Zeit protestiert hatte, dass sie keinen Babysitter bräuchte.
"Schreib mir, wie die OP verlaufen ist.", bat ich und sie nickte "und du schreibst Bescheid, wenn du heil unten angekommen bist.", zwinkerte sie.
Sie deutete auf ihren Fuß "Der macht das schon.", lachte sie und umarmte mich zum Abschied.
"Bis nächste Woche irgendwann!" Und damit verschwand sie vierbeinig hinter der Tür. Kurz darauf traf auch schon Stephan ein und wir machten uns schnellstens auf den Weg zu der Teambesprechung, in der die Pläne für die letzten Springen noch beschlossen wurden. Diese Besprechungen zogen sich immer so lange, dass man danach kaum noch motiviert war irgendwas zu tun. Dennoch hatten Stephan und ich uns wenigstens zum Joggen begeben und nahmen natürlich eine Route um das Haus, in dem Mila wohnte. Ich war schon oft hier vorbeigelaufen,d och ich konnte mich nicht daran erinnern sie ein einziges Mal gesehen zu haben. Sie wäre mir mit Sicherheit aufgefallen, wenn ich sie zu Gesicht bekommen hätte. Ich ertappte mich selbst dabei, wie ich hoch zu ihrem Fenster schaute. Ich machte mir wirkliche Sorgen um Mila, denn ich wusste, dass sie große Angst vor der Operation hatte, egal wie cool sie spielte.

Fliege zu den Sternen.  • {Andreas Wellinger}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt