15 - Verzeih dir

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* Andreas *

So kam es also, dass ich am nächsten Morgen an der Tür von Emilia und Leonard stand. Die Tür wurde mir von einer Dame geöffnet, welche bestimmt die Mutter der beiden war. Sie hatte ein symphatisches Lächeln, welches mich an das von Mila erinnerte. Ich wollte mich gerade vorstellen, alsvsie mir zuvor kam.
"Komm nur rein Andreas, die beiden frühstücken noch. Glückwunsch zum Sieg, übrigens.", zwinkerte sie und ließ mich eintreten.
"Danke Fra..." begann ich, doch sie unterbrach mich sofort.
"Johanna.", lächelte sie und gab mir die Hand. Danach nahm sie mir meine Jacke ab und ich zog die Schuhe aus.
"Magst du auch noch etwas essen?", fragte sie, doch ich schüttelte den Kopf.
"Dankeschön, aber ich habe schon bei meinem Kollegen gefrühstückt.", lachte ich und sah sie noch einmal an. Es war unverkennbar, dass es sich bei den Geschwistern um ihre Kinder handelte. Sie sahen sich so unglaublich ähnlich und teilten sich alle drei die gleiche Ausstrahlung.

Als ich die helle Küche betrat, wandten sich Leonard und Emilia sofort zu mir. Ich setzte mich Mila  gegenüber während Johanna mir eine Tasse Kaffee vor die Nase stellte und sich neben ihre Tochter setzte.
"Morgen.", lächelte ich meine Freunde fröhlich an, welche sich gerade an einem Obstsalat zu schaffen machten.
"Emilia, du hättest dich wenigstens schon mal fertig machen können.", meckerte ihre Mutter schmunzelnd. Tatsächlich sahen Milas Haare noch nicht unbedingt gekämmt aus, aber es machte sie nur noch sympathischer. Ihr Gesicht war ungeschminkt und sie trug ein lockeres T-Shirt.
"Entschuldige bitte, dass ich lieber esse als fünf Stunden im Bad zu stehen.", erwiderte sie frech und ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.
"Da kann ich meinem Schwesterherz nur zustimmen.", nuschelte Leon mit vollem Mund und ihre Mutter verdrehte die Augen, während beide einschlugen.
"Zeigt euch weiterhin von dieser Seite und Andreas flieht bestimmt gleich wieder.",schmunzelte Johanna tadelnd und ich musste mich zusammenreißen um nicht loszulachen.
"Keine Sorge, die besten Seiten kennt er bereits. Bei meinem Absturz war er ja live dabei." Scherzte Mila, doch ich wusste, dass es ihr mehr zu schaffen machte als sie es zugab. Auch ihre Mutter schien diese Anmerkung verunsichert zu haben.
"Es war ein Witz - Verehrte Damen und Herren, Sie können lachen.", gab sie ironisch wieder und begann den Tisch abzuräumen.
"Wir machen das schon. Mach dich endlich fertig.", seufzte ihre Mutter und Mila warf mir einen genervten Blick zu, sie tat mir schon fast leid. Sie stand langsam auf und bewegte sich auf ihre Krücken zu um dann mit diesen los zu hinken. "Könntet ihr diese Blicke bitte unterlassen? Nur weil ich momentan vier Beine habe, heißt das nicht, dass ihr mir morgen gleich eure Organe spenden müsst.", sprach sie genervt und wandte sich ab.

Als sie außer Hörweite war, wandte sich Johanna an mich.
"Es tut mir leid, sie verhält sich in letzter Zeit ziemlich seltsam ..", begann sie, doch ich schüttelte den Kopf, denn es gab keinen Grund für eine Entschuldigung. Ich verstand Emilias Verhalten zu gut und ich wusste auch wie schwer es war selbst mit einem Sturz umzugehen. Ich konnte nur erahnen, was in ihr vorging. "Leonard muss noch eine Woche hier bleiben. Es wäre schön, wenn du ab und an nach ihr schauen könntest. Es ist un2d wirklich unangenehm, aber...", begann ihre Mutter erneut "Hatte ich sowieso vor.", widersprach ich lächelnd und sie bedankte sich erleichtert.
"Das ist doch selbstverständlich.", lächelte ich und half den beiden beim Abräumen.
"Andi! Wenn du so weiter machst will sie dich noch als Schwiegersohn!", warnte Leon lachend und seine Mutter betrachtete ihn kopfschüttelnd und verkniff sich scheinbar ihren Beitrag. Wir unterhielten uns noch einige Minuten über den Sport bis wir ein Poltern von der Treppe hörten.
"Mila?!", schrie Leon erschrocken während er losrannte.
"Keine Sorge, waren nur meine Taschen!", schrie sie zurück und wir erreichten den Treppenaufgang. Leonard sammelte die Taschen auf und trug sie in den Flur während ich Mila die Treppe runterhalf, was sich mit Krücken als sehr schwierig erwies. Scheinbar hatte sie sich um ihre Mutter zu provozieren extra viel Zeit im Bad gelassen. Sie hatte ihre Haare geglättet und sich geschminkt.
"Danke.", wandte sie sich unten angekommen an mich, griff nach ihren Krücken und begab sich in die Küche.

"Liebste Mutter, kannst du nun erkennen, dass ich kein Pflegefall bin und sogar in der Lage bin, mein Gesicht aufzubessern." Ich lud die Taschen in das Auto während sie sich verabschiedeten. Als ich wiederkam zog Mila sich gerade die Schuhe an und verzog ihr Gesicht dabei.
"Frag garnicht erst.", lachte sie und zog sich ihre Jacke über.
"Bereit für den Ballast?", fragte Mila und ich schüttelte den Kopf.
"Nein, aber bereit für Mila.", grinste ich als ich ihr die Autotür öffnete. Ich nahm ihr die Krücken ab, ehe ich mich selbst in das Auto setzte. Bevor ich den Motor startete, sah ich sie noch einmal an "Alles okay?", fragte ich und sie nickte, also fuhr ich los.

Eine ganze Weile schwiegen wir. Während der Autobahnfahrt kamen wir schnell in einen Stau, weshalb ich seufzte. "Okay, Emilia. Wo drückt der Schuh?", fragte ich sie, da sie selten so schweigsam war.
"Nichts. Irgendwie ist der Tag einfach scheiße.", murmelte sie, was mich zum Schmunzeln brachte.
"Du glaubst mir nicht, oder?", fragte sie und ich schüttelte den Kopf.
"Gut erkannt."

"Es nervt mich einfach, dass ich behandelt werde wie eine Schwerkranke. Verdammt, ja ich bin gestürzt, aber mir geht es gut. Sie passen auf mich auf wie auf ein kleines Mädchen, deshalb bin ich froh die nächste Woche allein in unserer Wohnung verbringen zu können. Als wäre es nicht schwer genug für mich.", seufzte sie, während ich langsam dem Stop-and -Go-Verkehr folgte.
"Sie machen sich doch nur Sorgen und wollen dir helfen.", sprach ich deshalb und sie nickte.
"Ich weiß, aber es nervt mich."
Und ich wusste genau, was sie meinte. Eltern hatten die Angewohnheit mit ihrer Fürsorge zu erdrücken.
"Ich glaube du musst anfangen dir selbst zu verzeihen, Mila. "  sagte ich während ich in eine Ausfahrt fuhr um meine Aufmerksamkeit auf Mila zu richten.
"Wie soll ich mir etwas verzeihen, was ich hätte verhindern können? Es wird ewig dauern ehe ich überhaupt wieder richtig Springen kann.", seufzte sie und stieg aus sobald ich anhielt. Sie zog sich ihre Jacke an und nahm die Krücken aus dem Auto.  Ihre Augen waren glasig geworden, weshalb ich sie in eine Umarmung zog.
"Siehste, ich werde schon ganz sentimental.", lachte sie um ihren kurzen Maskenbruch zu überspielen.

Fliege zu den Sternen.  • {Andreas Wellinger}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt