Betrug

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Andreas *

Am liebsten hätte ich den ganzen Tag einfach kuschelnd mit Mila im Bett verbracht, aber wir hatten noch einiges zu erledigen. Nach einem gemütlichen Frühstück machten wir uns also fertig  um die letzten Kleinigkeiten zu besorgen. Schon während wir den Einkaufswagen holten, spürte ich die Blicke auf uns und seufzte. Doch daran musste ich mich nun wohl oder übel gewöhnen. Wir kauften also alles ein, was wir zum Kochen und Backen der nächsten Tage brauchen würden. Als Mila an der Kasse ihre Geldkarte hervorholt, tippte ich mir an die Stirn und kam ihr zuvor.

Als das erledigt war, zogen wir uns erneut um, da wir noch einen Weihnachtsbaum schlagen mussten.
"Zu schief",
"Zu hässlich",
"Zu klein" waren wohl die häufigsten Worte, die ich in dieser Zeit zu hören bekam, bis sie sich zufrieden gab. Fröhlich schmückte sie den Baum, während ich uns einen Tisch in Restaurant reservierte, in welchen wir danach zu Mittag aßen. Den Nachnittag ließen wir mit Karusselfahrten und einem gemütlichen Schlendern über den Weihnachtsmarkt ausklingen.

Der tatsächliche Weihnachtsabend verlief allerdings nicht so locker, da wir bis zum frühen Nachmittag in meiner Familie und später dann bei Mila zuhause eingeplant waren. Dennoch war es eine schöne Zeit und ich genoss es, meine Freundin bei mir zu haben.

Ich mochte die Spuren, welche sie in meiner Wohnung hinterließ. Auch das bisschen Chaos, was sie mit sich brachte, gefiel mir. Als wäre das erste Mal leben in meinen vier Wänden. Es war schön nach Hause zu kommen und zu wissen, dass jemand da war. Umso schwerer fiel es mir, mich von meiner Freundin zu verabschieden. Zwar würde sie zum Neujahrsspringen kommen, aber die Zeit bei der Vierschanzentournee fiel immer sehr knapp aus. Außerdem behagte es mir nicht, meine Freundin alleine zulassen.

Doch als mich sie pünktlich am ersten Januar vor meiner Joggerrunde erwischte, freute ich mich umso mehr, dass sie da war. Allerdings sah sie nicht sonderlich froh aus, aber vielleicht war sie auch einfach nur gestresst. Ich hatte sie tatsächlich nur am Morgen zu Gesicht bekommen, denn in der Zuschauermenge konnte ich sie nicht ausmachen. Und danach mussten wir wieder los.

Die Tage vergingen und Mila steigerte sich in das Training. Nicht selten sagte sie mir kurzfristig ab, da sie irgendwelche anderen Pläne durchziehen musste. Es passte nicht zu Mila, andererseits kannte ich ihre Verpeiltheit. So verbrachte ich in den nächsten Tagen wenigstens etwas Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden. Gerade hatte ich Selina zu einem Kaffee eingeladen, da Mila nicht aufgetaucht war, als es an meiner Tür klingelte.

"Sorry für die Verspätung, ich... hatte etwas zu erledigen." Seufzte sie und zog mich in eine Umarmung. Völlig verwirrt über ihr Verhalten drückte ich sie an mich. Ich hatte das Gefühl sie festhalten zu müssen, damit sie mir nicht aus den Händen glitt. Eigentlich wollte ich mit ihr reden, denn ihr Verhalten schmerzte, aber als sie vor mir stand war jegliche Wut verschwunden. An ihrer Umarmung merkte ich, dass etwas nicht stimmte und bereute es, ausgerechnet Selli eingeladen zu haben. Schließlich wusste ich, was meine Freundin von ihr hielt.
Mila warf einen Blick auf die gelbe Jacke und seufzte als ihr klar wurde, wer in meiner Küche saß.

"Ich komme später wieder." Lächelte sie sanft, ehe sie verschwand. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich so seltsam verhielt, aber ich hatte mir nichts dabei gedacht. Doch jetzt machte ich mir umso größere Sorgen. War es möglich, dass ...? Ich wollte diesen Gedanken nicht in meinem Kopf haben, aber was war, wenn sie einen Neuen hatte? Wenn sie sich verliebt hatte? Eine Gänsehaut hüllte sich um meinen Körper und brachte mich unbehaglich zum Frösteln.

"Andi?" Riss mich Sellis Stimme aus meinen Gedanken und ich kehrte völlig verwirrt zurück in die Küche. Selina erzählte mir von der Arbeit, doch mein einziger Gedanke hing bei Mila. Was war los mit ihr? Bis nach den Weihnachtstagen lief doch alles perfekt oder hatte ich mir das eingebildet?  Es schienen Jahre dazwischen vergangen zu sein

Ich war froh als Selli einen Anruf bekam und aufbrechen musste, denn so begab ich mich geradewegs zu meiner Freundin. Keinesfalls wollte ich auch nur eine Sekunde riskieren um sie zu verlieren. Vor ihrer Wohnungstür blieb ich unsicher stehen und lauschte einen Moment. Als ich den Klang einer Männerstimme wahrnahm, packte mich die Wut. Ich schloss die Tür auf und ärgerte mich über meine Reaktion als ich Mila und den umsprochenen Typen auf zwei Yogamatten Übungen machen sah. Wie hatte ich auch nur eine Sekunde lang an unserer Beziehung und vorallem an meiner Freundin zweifeln können? Aber warum hatte sie mir nicht gesagt, dass sie Yoga betrieb?

Völlig durcheinander verließ ich die Wohnung, doch Mila hatte mich natürlich bemerkt und griff nach meiner Hand, bevor ich auch nur den zweiten Absatz erreicht hatte. Völlig atemlos stand sie vor mir, obwohl sie nur einige Meter gerannt sein musste.
"Warum rennst du weg?" Fragte sie und griff nach meiner zweiten Hand. Ich konnte sie nicht einmal ansehen, so sehr schämte ich mich für meine Gedanken.

"Ich weiß nicht, was du gesehen hast, aber das ist mein Yogalehrer. Nachdem ich so oft hyperventiliert bin, dachte ich, dass ich vielleicht so wieder auf den richtige..." sprach sie sofort entschuldigend und ich zog sie in meine Arme. Ich hatte so unglaublich unfair reagiert.
"Ich weiß, alles in Ordnung." Seufzte ich dann gegen ihr Haar und drückte ihr einen Kuss darauf.
"Ich hätte es dir sagen sollen...es war mir nur einfach so peinlich." Gab sie zu und ich musste lachen. Wie konnte ich auch nur eine einzige Sekunde glauben, dass sie mich betrügen würde. Mila war so eine gute Seele und ich wusste, dass sie niemals zu so etwas fähig wär.

"Tut mir leid."  Flüsterte ich und Mila lächelte sanft, während sie mir über die Wange strich. "Es ist alles in Ordnung. " sprach sie und griff nach meiner Hand um mich in ihre Wohnung zu führen.

"Andi, das ist Tom - mein Yogalehrer."

Fliege zu den Sternen.  • {Andreas Wellinger}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt