Kapitel 5: Von Neuanfängen und Wachstumsschmerzen (3)

62 13 6
                                    


„Ist der selbstgemacht?", fragte ich ungläubig, als Inga mir stolz eine gigantische Menge Pizzateig zeigte, der in einer Schüssel ruhte.

„Natürlich ist der selbstgemacht.", erwiderte sie mit einem erstaunten Gesichtsausdruck. „Wie macht ihr Pizza?"

„Mit gekauftem Teig.", murmelte ich und behielt die Sache mit dem fertig geriebenen Käse lieber für mich. Auch so warf ich Ingas Mutter, die sich über die Arbeitsplatte beugte und gerade noch die letzten Instruktionen fürs Pizzabacken für uns aufschrieb, einen verlegenen Blick zu.

„Darin liegt keine Schande, Lukas.", sagte die. Das Vollkornmehl neben ihr strafte sie jedoch Lügen.

„Aber so viel Aufwand ist das gar nicht, weißt du. Man muss nur..." Inga unterbrach sich, als es klingelte und wuselte los, um die Tür aufzumachen.




Ingas Eltern verabschiedeten sich schließlich zu einem Kinoabend und ihr großer Bruder verschwand in seinem Zimmer. Er versprach uns in Ruhe zu lassen, solange wir ihm ein Stück Pizza brachten. Ariana zumindest sah für einen Moment so aus, als würde sie das ziemlich bedauern. Sie fing sich allerdings, als Alex dazukam, der eine große Packung Schokoeis auf dem Weg gekauft hatte. Während wir die erste Portion Teig ausrollten, aufs Backblech legten, mit Tomatensoße bestrichen und danach mit Schinken, Paprika, Oliven und Käse belegten, blieb die noch im Eisschrank. Danach allerdings setzten wir uns barfuß auf die sonnige Terrasse und vernichteten zu fünft die ganze Packung, noch bevor die Pizza fertig war. Wir quatschten über Ferienpläne und eventuelle Lehrerwechsel im neuen Schuljahr und natürlich über Arianas Ballettpläne. Nils unterbrach sie irgendwann und erzählte mit vor Stolz geschwellter Brust nicht zum ersten Mal, dass er ab dem kommenden Schuljahr in der Schulband Gitarre spielen konnte. Er strich sich danach so albern seine zu langen Haare aus der Stirn, dass mir vor Lachen die Limo aus der Nase spritzte. Selbst Alex, der Nils Flirtversuche sonst stur ertrug, schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn.

„Alter, das sah hart dämlich aus.", sagte er und klopfte Nils tröstend aufs Knie, sobald Inga nach drinnen verschwand, um die Pizza zu checken. „Bisschen weniger dick auftragen, okay?"

„Alter, ich hatte Haare im Auge!", erwiderte er. „Ihr habt halt keine Haare, ihr kennt das nicht."

„Wir lassen unsere halt schneiden.", erwiderte ich und atmete den einzigartigen Duft von knusprig backender Pizza genüsslich ein.

„Ich habe definitiv Haare und muss die auch nicht so dämlich herumwirbeln.", setzte Ariana noch einen oben drauf und Nils schüttelte schnaufend den Kopf.

„Boys and Girls, Essen ist fertig.", hörten wir Inga aus der Küche rufen und Nils ergriff sofort die Chance und eilte los, um sich aus der Situation zu retten.



Alex und Nils verabschiedeten sich um neun. Ariana, Inga und ich spülten noch gemeinsam das Backblech und die Schüsseln. Der Abend war fantastisch gewesen und ich spürte deutlich verrückte Euphorie, weil alles gut gegangen war und fragte mich, ob ich gerade dabei war, Freunde zu finden, richtige Freunde. Zum ersten Mal seit...seit Anbeginn der neuen Zeitrechnung. Trotzdem riss ich mich schweren Herzens um halb zehn los, weil ich Julian versprochen hatte, vor zehn und vorm Dunkelwerden zurück zu sein. Ich wollte nicht direkt bei der ersten Möglichkeit das in mich gesetzte Vertrauen ruinieren.

„Also, Fachsenberg.", sagte Inga, als sie mich zur Tür brachte. Ariana war schon nach oben in ihr Zimmer verschwunden und baute ihre Luftmatratze auf, weil sie zum Ferienstart hier übernachtete.

„Sachsenberg.", murmelte ich und zwinkerte ihr zu. Sie kannte meinen Namen ganz genau.

„Fachsenberg.", sagte sie nachdrücklich und grinste. „Sieht man dein Gesicht jetzt öfter außerhalb der Schule?"

„Wer ist man?", fragte ich und hätte mir dafür am liebsten auf die Zunge gebissen. Wer war schon man?

„Ich bin man.", erwiderte sie, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den Türrahmen.

„Du siehst mein Gesicht zweimal pro Woche außerhalb der Schule und bekommst sogar Geld dafür. Niemand sonst wird dafür entschädigt."

„Du bist doof." Sie seufzte und malte mit ihrem Fuß Kreise auf die Treppenstufe vor ihr.

„Du bist eingeladen, weißt du.", sagte ich dann. „Thestrale gucken. Wann immer du willst. Wir haben die auch im Mini-Format."

„Ihr habt Shettys?", fragte sie und ein ernsthaft entgeisterter Gesichtsausdruck legte sich auf ihr Gesicht.

„Keine Shettys, aber Fohlen. Die sind..." Echt süß hatte ich sagen wollen. Irgendwie erschien es mir aber doch unpassend. Also zuckte ich nur mit den Schultern.

Sie riss sich daraufhin vom Türrahmen los und blieb direkt vor meiner Nase stehen. „Die anderen mögen dich, falls du es nicht gemerkt hast. Sei so cool und lade dich bald mal wieder selbst ein, okay? Wenn das mit dem Annehmen von Einladungen schon nicht so gut klappt. Und was deine Thestrale angeht..." Sie kniff die Augen fest zusammen. „...ich rufe dich an, ja? Ich habe echt Angst vor den Biestern. Ich brauche da etwas Vorbereitungszeit." Damit fiel sie mir um den Hals, drückte mich einmal fest, wirbelte dann herum und sprang die Treppenstufen mit zwei großen Sätzen hoch. „Gute Nacht, Fachsenberg!", rief sie und knallte die Haustür schneller hinter sich zu, als ich einen Satz zur Verabschiedung hatte murmeln können.

„Nacht.", sagte ich überrumpelt, mehr zu mir selbst, schüttelte meinen Kopf und schloss mein Fahrrad auf.



----

....der Vollkornteig musste sein. 

Und ja, ich kann gerade nicht gut aufhören ;)

LieblingstagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt