Kapitel 25: She's so high (7)

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Pia 


Die nächsten zwei Tage konnte ich kaum laufen. Der Muskelkater biss mir gleichermaßen fies in die die Waden, die Oberschenkel, den Po und den Rücken. Ich hatte Helenas Angebot, Calvin zu reiten- und dieses Mal auch richtig- wie sie betont hatte, angenommen. Und nach dem lockerem Warmjoggen für den fleißigen, aber ziemlich steifen Calvin und mich, hatte ich die Zügel aufgenommen und versucht, die Zeit zurück zu drehen. Ich hatte kritisch in den großen Spiegel in der Halle geschaut, meine Hände aufrecht hingestellt, wieder und wieder meinen Unterschenkel zurückgeschoben und überkorrekt Bahnpunkte anvisiert. Meine Muskeln hatten nach zehn Minuten, in denen ich versucht hatte, meine Linie wirklich am Schenkel zu reiten, angefangen zu meckern. Calvin hatte sich im ganzen Körper festgehalten und mit großer Vorliebe gegen den inneren Schenkel gedrückt. Selbst gerade zu bleiben, die Hände unten zu lassen und unbeeindruckt Übergänge und noch mehr Übergänge zu reiten, war eine Konzentrationsaufgabe gewesen. Außerdem hatten mich der Blick in den Spiegel und das Gefühl unterm Sattel daran zweifeln lassen, dass meine Bemühungen zu irgendwas führten. Helena hatte sich das alles schweigend angesehen und ich hatte angefangen mir darüber Gedanken zu machen, ob sie mich wohl am liebsten von ihrem Pferd geholt hätte. Und dann- und die Veränderung war so schlagartig gekommen, dass man es nicht hatte verpassen können, hatte Calvin losgelassen. Er hatte angefangen, ans Gebiss heranzutreten und zu schwingen- und ich hatte perplex die Arbeit erst so richtig aufgenommen- und vor lauter Freude gar nicht mehr gemerkt, wie sehr das Reiten mich angestrengt hatte. Calvin mochte kein Dressurpferd sein, aber einmal locker hatte er sich wirklich bemüht. Ich war jedenfalls strahlend abgestiegen und Helena hatte mich auf dem Nachhauseweg gefragt, ob ich ein Auto hätte und ob ich nicht darüber nachdenken wolle, Calvin ab und an mitzureiten, als Urlaubsvertretung und wenn sie im Studium stressige Phasen hätte. Ich hatte versprochen, darüber nachzudenken und innerlich angefangen zu tanzen. So war der Mittwoch zu Ende gegangen. Am Donnerstag hatte ich dann sicher nicht mehr getanzt. Der Muskelkater hatte mich im Griff gehabt. Sehr langsam war ich nach den Vorlesungen noch in die Bib geschlichen, hatte mir einen Platz gesucht, mich in Zeitlupe hingesetzt und war während der nächsten Stunden heilfroh gewesen, dass man sich beim Lernen nicht bewegen musste. Ich hatte Lukas geschrieben, wie sehr ich litt und er hatte mich ausgelacht- bevor er mir angeboten hatte, das Klettern ausfallen zu lassen, direkt nach der Arbeit Pizza zu essen und danach einfach noch ins Kino zu gehen. Er hatte den neusten Star Wars Film vorgeschlagen- und obwohl ich normalerweise mein Geld nicht in Krieg der Sterne investiert hätte, kam mir keine Sekunde der Gedanke, abzusagen. Stattdessen schulterte ich am Freitagmorgen meinen Rucksack und schleppte neben meinen Lernunterlagen für den Tag sicherheitshalber auch Wechselklamotten und meine Zahnbürste mit in die Bibliothek, wo sich den ganzen Tag Vorfreude und Konzentration heftig miteinander stritten.



Lukas


Während meine Kollegen in die Mittagspause gingen, blieb ich an meinem Computer zurück und knabberte abwesend die Kürbiskerne von meinem Brötchen. Ich versuchte mich daran, virtuelle Tische und Stühle und Personen in eine Umgebung hinein zu programmieren und dem Büroraum Fenster zu verpassen. Mein Tagesziel war, die Farbe, Größe und Position aller Objekte aufeinander abzustimmen, bis die Umgebung einigermaßen realistisch aussah. Ein ziemlich ehrgeiziges Ziel für einen Tag, wie ich mir eingestehen musste. Und trotzdem hätte ich mich auch dann nicht gut losreißen können, wenn ich die Aufgabe schon erledigt gehabt hätte. Ich liebte dieses Herumprobieren mit den verschiedenen Parametern und jedes Mal, wenn eine Teilaufgabe erledigt war, war es, als hätte man beim Computerspielen ein neues Level freigeschaltet. Es gab einen Dopaminkick nach dem nächsten und ich vergaß vor Freude darüber, dass der virtuelle Bürostuhl seine Farbe von blau zu grau änderte oder er sich um 45 Grad drehen ließ, den Kaffee auf meinem Schreibtisch zu trinken. Allerdings bekam ich dann doch aus dem Augenwinkel mit, wie mein Chef an meiner Bürotür vorbeiging, wie er stoppte und dann doch umdrehte.

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