Kapitel 6: Next Level (3)

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Das Drama holte mich schon ein, während ich noch mit meinem Schlüssel im Fahrradschloss herumstocherte. Das blöde Ding klemmte ständig und ich war schon mehr als einmal kurz davor gewesen, es aufbrechen zu müssen. Bisher hatte es dann doch jedes Mal noch eines Besseren besinnen lassen und war aufgegangen.

„Verarsche mich nicht.", murmelte ich genervt, als ich zum zweiten Mal den Schlüssel abzog, nur um ihn neu einzustecken. Ich war sowieso schon zu spät und jetzt noch diesen Kampf mit dem Schloss auszufechten, ging mir auf die Nerven, gerade nach diesem Drama. Was war bitte mit Inga los? Sie war selbstbewusst und manchmal direkter, als ihren Mitmenschen lieb war, aber sie giftete eigentlich nicht grundlos ihre Freunde an. Und auch wenn manchmal die Feinheiten und aktuellsten Reiberein zwischen den Mädels verborgen blieben, war ich mir doch ziemlich sicher, dass Laila und Inga schon im weitesten Sinne Freunde waren. Sie luden sich immerhin gegenseitig zum Geburtstag ein. Frustriert ächzte ich, als ich auch beim dritten Versuch nur hilflos versuchte, den Fahrradschlüssel mit der richtigen Mischung aus Kraft und Gefühl umzudrehen. Genervt ruckelte ich noch einmal am Schlüssel und wollte mich gerade geschlagen geben und Laila um eine Zange bitten, als ich ein leises Schniefen hinter einer Wand aus Pampasgras hörte, dass keine zwei Meter von mir entfernt im Garten wuchs. Ich musste nicht nachsehen, um zu wissen, dass das Inga war. Irgendwie wusste ich es einfach. Ich warf einen kurzen Blick auf meine Armbanduhr, deren Zeiger die elf Uhr längst hinter sich gelassen hatten. Zu spät war ich so oder so schon. Ich ließ meinen Schlüssel stecken, umrundete den gewaltigen grünen Busch mit den weißen Blüten und sah einen Schatten auf dem Boden kauern.

„Was willst du?", fragte sie gereizt, noch bevor ich ein Wort hatte sagen können. „Ich brauche keinen moralischen Beistand, Sachsenberg."

Mir fiel darauf nichts ein, also ging ich mit einem stummen Schulterzucken vor ihr auf dem kühlen Gras auf die Knie. Es war so dunkel, dass ich ihr Gesicht kaum sehen konnte. Viel mehr als das das Funkeln ihrer Augen war nicht zu erkennen. „Was ist?", fragte ich nach einem Moment des Schweigens, aber sie antwortete nicht. „Stimmt es?", schob ich dann.

„Was stimmt?"

„Das mit dem Kiffen."

„Ob Nils kifft oder ob er kifft, um mich auszuhalten?", fragte Inga schroff.

„Na was wohl?", gab ich zurück und hätte fast gelacht.

„Er kifft.", murmelte Inga. „Neuerdings. Nicht oft, aber..." Sie schniefte nochmal. „Ich hasse das. Ich finde das dumm. Ich verstehe nicht, warum er das machen muss. Das ist so..." Sie schniefte noch einmal leise. „Ich hasse es einfach." , sagte sie dann leise, aber mit Nachdruck. „Er weiß das und ihm ist das egal. Zumindest ändert er nichts daran."

„Verstehe ich nicht." Tatsächlich verstand ich nicht, wieso er die Sache mit dem Gras nicht einfach sein ließ, wenn er wusste, wie sehr ihr das widerstrebte. Ich hätte niemals gekifft, wenn ich Inga damit zu Tränen geärgert hätte. Fairerweise hätte ich allein deshalb schon niemals gekifft, weil eine der wenigen harten Regeln bei den Feldmanns war, niemals nie und unter keinen Umständen Drogen anzurühren. Während ich befürchtete, dass Zuspätkommen nicht gut ankommen würde, war ich mir mittlerweile dennoch sicher, dafür nicht gleich rauszufliegen. Wenn mir allerdings Gras aus der Hosentasche fallen würde, am besten noch vor dem Zwerg, dann wäre ich ihn Schwierigkeiten. Daran bestand kein Zweifel.

„Das er kifft?", hakte Inga nach.

„Das auch." Ich zögerte, bevor ich dann doch aussprach, was mir dazu noch einfiel. „Ich verstehe nicht, wieso er das macht, wenn es dich doch stört."

Sie beugte sich vor und schlang ihre Arme fest um ihre Knie. „Vielleicht, weil ich eine Hexe bin.", sagte sie und wischte sich mit der Hand über die Augen. „Eine Hexe mit verschmierter Wimperntusche."

„Du bist keine Hexe." Ich lachte schnaubend und boxte ihr gegen ihr Knie. „Ich kenne dich. Und Wimperntusche sieht man nicht im Dunkeln. Du kannst also viel erzählen."

„Ich habe rote Haare.", murmelte sie düster und schüttelte demonstrativ ihre Locken. „Wenn mich das nicht zur Hexe qualifiziert..."

„Die sind schön." Das war mir herausgerutscht und schon peinlich, bevor sie antworten konnte.

„Geht so."

„Schon.", schob ich hinterher, auch wenn meine Ohren in der Dunkelheit ziemlich warm wurden.

„Hm...."

Wir schwiegen beide eine Weile. Mir lag die Frage auf der Zunge, womit Laila sich Ingas verbale Attacke verdient hatte, aber ich traute mich dann doch nicht zu fragen. Vermutlich hatte das mit mir nichts zu tun und ging mich einfach nichts an.

„Wenn ich keine Hexe bin", fragte Inga nach einer Weile zögerlich in die Stille zwischen uns hinein. „kann ich auch nicht auf einem Besen nach Hause fliegen, oder?"

„Du kannst ja versuchen, deinen Feuerblitz zu rufen. Aber ich glaube nicht, dass du Erfolg haben wirst." Schmunzelnd warf ich einen Blick über die Schulter. Weiter hinten im Garten Richtung Terrasse saßen die anderen. Irgendwo musste auch Nils sein.

„Schon oft probiert. Vielleicht bin ich dafür dann doch nicht magisch genug."

Bei dem Thema nicht magisch genug hätte ich ihr widersprochen, aber ich dachte an Nils, Ballett, vernichtete Zimtsterne und lange Ärmel und schluckte meine Bemerkung hinunter. „Herzlich Willkommen in der Welt der Normalsterblichen.", sagte ich stattdessen und streckte ihr meine Hand hin. Sie griff danach und hielt meine Finger fest.

„Wenn ich dir verspreche, dass ich todsicher keinen Besen reiten kann, bringst du mich dann nach Hause?"

Was? Mein Herz machte einen fiesen Taktstolperer und ich starrte sie an. „Ähm..." Ja. Nein. Nils. Wie spät ist es eigentlich? Nach Hause?

„Mein Fahrrad hat kein Licht, Faxi." Sie stöhnte und verdrehte die Augen, als sie mein Zögern bemerkte. „Ich will nicht auf der Landstraße überfahren werden. Nils wollte mich bringen, aber...." Sie verdrehte ihre Augen gleich noch einmal. „heute nicht. Da springe ich lieber bei jedem entgegenkommenden Auto in den Graben."

„Oh." Wieder eine leichte Störung meines sonst regelmäßigen und angeblich gesunden Herzschlags. „Klar." Mein Kopf war wie leergefegt, als sie aufstand und mich hochzog. Unsere Finger waren immer noch ineinander verhakt. „Wenn ich mein Fahrradschloss aufkriege." Das Haus ihrer Eltern lag in der entgegengesetzten Richtung des Stalls und ich warf einen ängstlichen Blick auf meine Armbanduhr. Shit. Eigentlich hatte ich keine Zeit mehr für eine Rundtour durch den Ort, aber andererseits- sie wollte nach Hause. Und ich wollte wirklich nicht, dass sie überfahren wurde. Also griff ich, als wir dieses Mal zu zweit neben meinem Fahrrad standen, nach dem Schlüssel.
„Was ist denn das Problem?", fragte Inga noch, als das Schloss schon aufsprang. Ich hielt es ihr demonstrativ und mit einem schiefen Grinsen entgegen.

„Gibt keins, Ink. Du bist doch eine Hexe." 

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Ich hoffe, ihr seid gut ins neue Jahr gerutscht/geritten/geflogen? 

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