Kapitel 18: Aus dem gleichen Holz (3)

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Pia



Die Mitarbeiterin, die uns mit gelangweilter Miene erklärte, wie wir unsere Phaser benutzen sollten, warf Paul, Malte und Samuel einen betont genervten Blick zu. Die drei, die vermutlich schon öfter Lasertag gespielt hatten als ich im Schwimmbad gewesen war, hielten die Einweisung für sichtlich überbewertet und überlegten längst halblaut, welche Team-Konstellation wohl am spaßigsten wäre. Maltes Freundin Anna verdrehte darüber nur die Augen, trat ihrem Freund irgendwann fest auf den Fuß und ihr mahnendes, langgezogenes „Jungs" verschaffte der Mitarbeiterin immerhin die eine Minute, die es brauchte, um ihren Monolog zu Ende zu bringen.

„Wir Mädels und Lukas gegen die Jungs.", zischte Kim leise neben meinem Ohr. „Ich will Paul untergehen sehen! Der ist viel zu selbstbewusst in letzter Zeit."

Lukas, der neben ihr stand und sie auch gehört hatte, warf ihr einen Blick zu, als ob er an ihrer geistigen Gesundheit zweifelte. „An ausgeglichene Teams glaubst du nicht so, oder Kim?", fragte er und ließ keinen Zweifel daran, dass er kaum zum Kräftegleichgewicht beitragen würde. Stattdessen schrie sein Gesichtsausdruck, dass er keine Lust hatte, hier zu sein. So hatte er geguckt, als er aus der Haustür getreten war, so hatte er während der Autofahrt geguckt und so schaute er eben noch immer.

„Vielleicht sind die Teams ja ausgeglichen. Vielleicht ist Kim gar nicht deine Schwester, sondern...", versuchte ich die Stimmung aufzulockern, aber er fiel mir ins Wort.

„Manuel Neuer?" Er hob provokant, fast spöttisch seine Augenbrauen.

„James Bond." Ich kniff meine Augen angriffslustig zusammen und versuchte mir das Gefühl, dass er mich für die unlustigste Idiotin hielt, nicht anzuziehen. Er hatte miese Laune. Warum auch immer. Und ich wollte das nicht zu meinem Problem machen. Zumindest redete ich mir das ein. „Ein gutes Auge für Distanzen hat sie ja."

„Hatte ich mal.", murmelte Kim zwischen uns und ließ die Schultern hängen. Ohne es zu wollen, hatte ich einen wunden Punkt getroffen. Es war nicht leicht, sich daran zu gewöhnen, dass Kim sowas hatte. Zumindest, wenn es um die Pferde ging. Super-Kim, wie viele sie jahrelang mal mehr oder weniger offen, mal mehr oder weniger wohlwollend genannt hatten, spielte darauf an, dass sie in letzter Zeit angeblich mies ritt, was außer ihr keiner so richtig nachvollziehen konnte. Sie hatte erst an Weihnachten ihrer Familie gebeichtet, dass sie mit der Turnierreiterei Schluss machen wollte, aber durch war das Thema für sie trotzdem nicht, noch lange nicht. Dass sie jetzt wieder zur Schule gehen und ihr Abi nachholen wollte, fand ich nicht nur ziemlich mutig, ich hätte es auch nie von Kim erwartet. Kimmi war nie begeistert zur Schule gegangen, sie hatte es ertragen, den Gedanken an den Nachmittag im Stall fest im Kopf.

„Du kannst immer noch ganz prima gucken. Gut genug, um Paul zu treffen.", sagte Lukas, bevor ich reagieren konnte und so missmutig, wie er noch Sekunden vorher ausgesehen hatte, so fest schlang er seinen Arm jetzt um ihre Schulter und drückte ihr einen Kuss auf die Haare. „Klar sind wir ein Team, Kim."

Sie murmelte etwas Unverständliches gegen seine Schulter und er wandte sich mir zu und deutete auf den Phaser in meiner Hand. „Kannst wenigstens du das, Pia?"



Konnte ich. Zumindest nach etwas Einlaufzeit. Und ich konnte nicht fassen, wie viel Spaß es machte, geduckt durch die Dunkelheit zu schleichen, hinter Wänden zu lauern und mit diebischer Freude sehr zielstrebig die Carsten-Brothers auszuschalten. Ich hatte einen richtigen Lauf- und das Adrenalin in meinen Adern schob jeden anderen Gedanken beiseite. Mädels und Lukas gegen die Jungs war jedenfalls kein eindeutiges Ding mehr, nachdem ich mich warmgespielt hatte.

„Nicht du schon wieder!", schimpfte Samuel irgendwann und warf mir einen frustrierten Blick zu, als ich mit einem gut platzierten Treffer seine Weste zum Leuchten brachte. Ich grinste nur, verschwand hinter der nächsten Wand und brauchte keine zehn Sekunden, bevor ich Paul traf, der gerade versucht hatte, sich an Anna anzupirschen.

„Zu langsam.", sagte ich schadenfroh, duckte mich weg und unterdrückte ein schadenfrohes Lachen, während ich versuchte, Malte zu entkommen. Irgendwie war ich ungeahnt gut dabei, im Dunkeln herumzuschleichen. Der Skill würde mich zwar nicht durch meinen Präparierkurs bringen, aber immerhin.

„Pssst...", machte es hinter mir und ich sah den schadenfroh grinsenden Paul quasi schon vor mir, wirbelte in Höchstgeschwindigkeit herum und jaulte auf, als ich meinen Ellbogen fest an irgendetwas Hartem stieß, über Füße stolperte, die nicht zu mir gehörten und krachend zu Boden ging. „Carstens, man!", fauchte ich und schlug fest nach der ausgestreckten Hand direkt vor meiner Nase. „Immer stehst du im Weg wie ein dicker, fetter Baum und..." Ich brach ab, als ich realisierte, dass die Weste in der Farbe meines eigenen Teams leuchtete und ich weder Paul, noch Samuel vor mir hatte. „Oh."

„Ruhig Blut, 007.", sagte Lukas und ich sah, wie er sich in der Dunkelheit an den Kopf fasste und leise ächzte, bevor er mir erneut die Hand hinstreckte. „Sind deine Knochen noch heile?"

„Habe ich deinen Kopf getroffen?", fragte ich statt einer Antwort peinlich berührt, aber bevor Lukas etwas erwidern können, stimmte Samuel hinter mir lautes Triumphgeschrei an, als er mich schließlich doch noch traf.  

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Und? Hat Lukas einen unzerstörbaren Dickschädel?

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