Kapitel 15: Neuland

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Pia



„Dein Bett ist so leer ohne dich."

Daran hatte ich keinen Zweifel und trotz- oder vielleicht gerade wegen des Selfies, das Viktor mir von sich und meinem Kopfkissen schickte- wünschte ich mich gerade nicht nach Hamburg. Dazu war ich zu nervös. Mein Knie wippte auf und ab, während ich auf Kims Bettkante saß und die Uhr im Blick behielt. Fast acht. In zwei Stunden sollte ich mein Pony, das am Vortag eine der Boxen bei den Feldmans bezogen hatte, vorreiten. Alleine der Gedanke daran drehte mir den Magen um. Schon, als ich Niro gestern abgeladen und ihn über den gefegten Hof zwischen bepflanzen Blumenkübeln in Richtung Stall geführt hatte, war mir schmerzlich bewusst geworden, wie weit ich mich in den letzten Jahren von dieser Welt entfernt hatte. Ich hatte nach meinem Umzug nach Hamburg zu meinem Geburtstag und zu Weihnachten Geld für ein paar Reitstunden bekommen, ansonsten war ich stets bemüht aber zunehmend demotiviert alleine meine Kringel geritten. Niro und ich mochten uns zwar noch vage an Schrittpirouetten und Außengalopp erinnern können, aber jeder Übergang hakte mindestens ein bisschen, alles geriet irgendwie schief und die Anlehnung war sicher auch mal konstanter gewesen. Ihn vorzureiten war mir unangenehm und das lag weniger an seinen, als an meinen eigenen Defiziten. Vor Felix, Paul, Kim und ihren Eltern aufs Pony zu steigen, war mir unangenehm. Es war eine Sache, mit Kim und Paul ausreiten zu gehen, aber gerade vor Julian mochte ich nicht Dressur reiten. Ich dachte gerade ernsthaft darüber nach, vielleicht einfach nur alle drei Grundgangarten auf großen Linien zu reiten und danach an Felix zu übergeben, als es an der Tür klopfte.

„Pia?"

„Was willst du, Carstens?", fragte ich laut, noch während ich aufstand und Richtung Tür ging.

Paul wartete mit seiner Antwort, bis ich die Klinke heruntergedrückt hatte und er mir ins Gesicht sehen konnte. „Du siehst ungewohnt käsig aus."

„Und du siehst nicht müde genug dafür aus, dass du in der Nacht noch mit Kim durchs Bett geturnt bist.", murrte ich und kniff die Augen genervt zusammen.

„Sind wir gar nicht.", erwiderte er mit Unschuldsmine.

„Sind wir gar nicht.", äffte ich ihn nach und verdrehte die Augen. „Natürlich seid ihr. Zwischen deiner Wohnung und Kims Müllhalde, auf die ihr mich verbannt habt, ist nur eine dünne Wand. Erzähle mir keinen, Pauli. Mir ist immer noch schlecht." Ich schnipste ihm mit dem Zeigefinger fest gegen die Brust und tat empört. Das war einfacher, als zuzugeben, das mir jenes Frühstück, das ich noch gar nicht gegessen hatte, allen wegen der Herzchen in seinen Augen fast hochzukommen drohte.

„Ach komm, das war so schnell vorbei, das zählt nicht." Paul grinste.

„Das spricht jetzt nicht gerade für dich. Versuchst du mich immer noch davon zu überzeugen, dass ich dir nicht nachweinen sollte?", erwiderte ich trocken. „Weil diese Info jetzt vielleicht schon dazu beitragen würde.

„Keine voreiligen Schlüsse, Pia." Er nickte amüsiert an mir vorbei in Kims halbleere, chaotische Wohnung und nahm meine Sticheleien mit einer stoischen Gelassenheit hin, die nur ein in sich ruhender, von sich überzeugter Paul ausstrahlen konnte und so sehr ich ihn dafür liebte, so schwer zu ertragen war es gleichzeitig. „Verlässt du die Müllhalde und kommst zum Frühstück?"

„Kommt drauf an, was du auftischst.", fragte ich und fragte mich, was ich meinem unruhigen Magen zutrauen konnte.

„Brötchen mit Frischkäse oder Marmelade."

„Erträglich.", beschloss ich und schlüpfte in meine Turnschuhe, die neben der Tür standen. „Und Kim-Marie ist schon wach?"

„Wenn du sie im falschen Moment so ansprichst, wird sie dich irgendwann dafür hängen. Aber ja, Kim ist schon wach und sitzt sogar schon auf dem Pferd. "


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Kleiner Happen für den Samstagabend.  Habt ihr Pauli auch irgendwie vermisst? ;)

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