Kapitel 18: Aus dem gleichen Holz (4)

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Pia


Ich wusste nicht, ob ich mir die leicht-bläuliche Färbung direkt oberhalb von Lukas' Augenbraue einbildete. Ich hoffte es, aber ich fühlte mich dennoch ziemlich schuldig, was nicht besser wurde, als wir die Ausrüstung zurückgaben, Lukas sich flüchtig an die Stirn fasste und vor seiner eigenen Berührung zurückzuckte. Ob bläuliche Färbung oder nicht- ich hatte offensichtlich einen Volltreffer gelandet.

„Ey!"

Ich drehte mich um und sah auf Maltes ausgestreckte Hand.

„Du bist schießwütig."

„Du hast mehr geschossen und weniger getroffen als ich. Du bist also derjenige, der kopfloser durch die Gegend geballert hat.", erwiderte ich, schlug aber mit einem Grinsen ein. Er hatte ziemlich viele Treffer gelandet- nur ich war besser gewesen. Und ich konnte selbst beim Anblick von Lukas' Augenbraue nicht anders, als mich diebisch darüber zu freuen. Ich wusste, dass die Jungs mir das nicht zugetraut hatten- und ich liebte es, sie eines besseren belehrt zu haben. Als ich mir die Jacke überzog und Seite an Seite mit einer befreit wirkenden Kim zum Auto ging, war ich deswegen sicher fünf Zentimeter größer als sonst.

„Hey, Pia!", rief Paul und schloss mit langen Schritten zu uns auf. „Gibst du uns ein Bier aus? Auf unser gekränktes Männerego?"

„Wenn euer Ego gekränkt ist, weil eine Frau besser war als ihr, dann habt ihr keins verdient."

„Das war auf jeden Fall eine korrigierende Erfahrung, würde Sina sagen.", sagte er und knuffte mich mit der Schulter an. „Komme schon. Ich arbeite an mir. Ich habe mir das verdient."

„Nein." Ich warf meine Haare über die Schulter und warf ihm einen gespielt warnenden Blick zu.

„Ich nenne dich von jetzt an auch immer Peng-Peng, um deine Leistung zu würdigen.", versprach er mit einem zuckrigen Augenaufschlag.

„Ekelhaft.", brummte ich und schubste ihn beiseite. „Gucke besser deine Freundin so an, da kannst du dir mehr erhoffen."

„Also Peng-Peng?", lachte er kehlig.

„Bist du eigentlich schon 12, Carstens?", schnaufte ich betont genervt, während ich dieses Gestichel insgeheim so liebte und so vermisst hatte, dass ich dieses Gefühl meine Freunde um mich zu haben, aufsaugen musste wie ein Schwamm.

„Seit gestern, ja."

„Gab es Fantakuchen?" Den hatten Kim und ich ihm wirklich mal gebacken, weil Paul früher auf jedem Turnier mindestens eine Flasche von dem Zeug gekillt hatte. Spätestens seit er vor einer kleinen großen Ewigkeit beim Preis der Besten mal den ersten Sprung nicht gefunden hatte, war ich der festen Überzeugung, dass die Inhaltsstoffe Demenz auslösen mussten.

„Ohne Spaß, den kannst du mir wirklich mal wieder machen. So als Hausfrau, Peng-Peng!" So schnell, wie mein Absatz auf seinen großen Zeh zielte, konnte er gar nicht fliehen und sein Aufheulen war einmal mehr Musik in meinen Ohren.




Paul musste sich sein Bier selbst kaufen, aber ich bestellte dennoch zwei und schob eines davon Lukas zu.

„Womit habe ich das verdient?", fragte er, während seine Finger einmal mehr seine Augenbraue betasteten. Aus der Nähe bestand kein Zweifel mehr daran, dass ich ihm ein Veilchen verpasst hatte. Jetzt, nachdem ich – oder besser mein Ellbogen- sichtbaren und bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen hatte, schien seine schlechte Laune immerhin so weit beruhigt, dass seine Kiefermuskeln locker gelassen hatten.

„Ich bin in Geberlaune. Ich habe gewonnen. Und dein Kopf war der Kollateralschaden auf dem Weg zum Erfolg."

„So so.", murmelte er und ein schwer zu deutendes, ironisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Kollateralschäden nimmst du ja schon mal in Kauf, habe ich gehört."

Mir schoss das Blut in den Kopf und ich sah mich nach den anderen um, aber Paul ertrank an der Bar in Kims Augen und Samuel, Anna und Malte waren neben uns in ein Gespräch vertieft waren. „Weiß nicht, was du meinst.", murmelte ich.

„Ich habe gehört, wenn du auf Rachefeldzügen unterwegs bist, ruinierst du deinem Gegner auch gern mal das Outfit." Er schmunzelte und ich hatte das Gefühl, mir würden Eiswürfel in den Magen rollen.

„Das war kein Rachefeldzug.", murmelte ich und zog die Schultern hoch. „Ich dachte...."

„Weiß ich. Sorry. Schlechter Scherz." Er seufzte, hob auffordernd sein Bier und wartete, bis ich zögerlich mit ihm anstieß. „Wie ist es bei dir?"

„Kann nicht klagen.", erwiderte ich und zog die Schultern hoch, weil ich an Berlin, Niklas und mein Studium nicht denken wollte. „Und bei dir? Wohnung gefunden?"

„Vielleicht." Lukas lächelte vage in sein Bier. „Was kannst du mir über Yoga erzählen?"



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ich liebe und hasse Paul gleichermaßen. Und ob Pia wohl was über Yoga erzählen kann?

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