Nichts und niemand tat mir diesen Gefallen. Niemand schrieb, niemand rief an und der Schlaf kam auch nicht mit Verspätung zu mir. Also gab ich irgendwann auf, schulterte meinen Rucksack und tat das einzige, was mir sinnvoll erschien. Ich ging zum Bäcker, besorgte mir ein belegtes Brötchen und einen Kaffee, stieg in die S-Bahn und fuhr erst zur TU und dann zur FU und guckte mir halbherzig und überwiegend von außen – ich schaffte es immerhin bis zum schwarzen Brett- die Institute für Informatik und Wirtschaftswissenschaften an. Ich hatte Inga immerhin erzählt, dass der Hauptgrund für meinen Kurztrip meine berufliche Zukunft war. Deswegen hatte ich das dumpfe Gefühl, dass ich wenigstens eine Idee davon haben sollte, wo die Uni-Gebäude sich in der Stadt befanden. Nicht, dass ich mir überhaupt sicher gewesen wäre, im Anschluss an mein Studium noch promovieren zu wollen, aber es war irgendwie naheliegend. Das Angebot war einfach dagewesen- und damit der grundsätzliche Gedanke.
Ich las mäßig interessiert die Aufrufe zu Studienteilnahmen, die Information zu Studenteninitiativen, die Ausschreibungen einiger Abschlussarbeiten und fand immerhin zwei Stellenausschreibungen für wissenschaftliche Mitarbeiter. Eine davon war thematisch so weit von meinen Schwerpunkten entfernt, dass ich das beschriebene Forschungsvorhaben schon nicht verstand und die andere klang immerhin so interessant, dass ich sie noch ein zweites Mal las. Es ging um die Durchführung von Verhandlungsstudien in virtueller Realität. Es sollten – unter kontrollierten Bedingungen- verschiedene Faktoren untersucht werden, die möglicherweise Einfluss auf das Verhandlungsergebnis hatten. Programmierkenntnisse wurden vorausgesetzt und natürlich- wie hätte es auch anders sein können- war es eine halbe Stelle. Was in der Wissenschaft niemals nicht hieß, dass man nur den halben Tag arbeiten musste. Stattdessen hieß es, dass man nur die Hälfte des Tages bezahlt bekam. Als ich Sina dieses Konzept vor Monaten schon einmal erklärt hatte, hatte sie mich entrüstet angestarrt und mich gefragt, ob ich das ernsthaft in Erwägung zöge. Nach einem abgeschlossenen Studium Vollzeit für halbes Geld arbeiten. Das könne nicht mein Ernst sein. Sie fand die Vorstellung absurd. Meine Beteuerungen, dass das eben üblich war und man am Ende hoffentlich promovieren konnte, hatten ihr die offensichtliche Abneigung gegenüber diesem Konzept nicht nehmen können und in mir immerhin insoweit Zweifel gesät, dass ich meinen Plan zu promovieren nochmal grundsätzlich überdacht hatte- bisher ohne finales Ergebnis. Ich seufzte unentschlossen, fotografierte die Stellenanzeige sicherheitshalber mit meinem Handy ab, verstaute es wieder in meiner Hosentasche, organisierte mir meinen zweiten Kaffee des Tages und verbrachte den Nachmittag in der Sonne liegend im Viktoriapark.
Ich wartete einfach ab, wie die Zeiger meiner Armbanduhr sich weiter bewegten. Die Nervosität, die sich einigermaßen gelegt hatte, während ich die Universitätsgebäude angeschaut hatte, meldete sich zurück. Jeder Schritt meines Sekundenzeigers war ein unangenehmes Kribbeln, dessen ich mir schmerzhaft bewusst war. Ich hasste warten. Es war eine schmerzhafte Verschwendung von Lebenszeit und das mein Kopf sich dank der Müdigkeit anfühlte wie mit Watte ausgestopft, machte es auch nicht besser. Es war einfach nicht mein Tag. Das dachte ich noch, während ich unter dem strahlend blauen Himmel lag. Es war ganz sicher nicht mein Lieblingstag.
Ende Part I
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Uh, Ende des ersten Teils. Was auch immer das heißen mag ;) Abgesehen davon, dass es keine Rückblicke mehr geben wird. Und wenn wir das nächste Mal von ihm lesen, steht er vor Ink.
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Lieblingstag
Novela JuvenilInga hatte schon gezeichnet, als ich sie kennengelernt hatte. Sie war kein Picasso, aber was sie auf Papier brachte, das lebte. Asymmetrisch unperfekt, niemals seelenlos. Ihre Bilder waren, wie sie die Welt sah und ich hatte mich in diesen Skizzen v...