Kapitel 18: Aus dem gleichen Holz

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Pia



„Und fahre nicht zu schnell, Pia."

Meine Großmutter stand auf dem Parkplatz und umklammerte meine Handtasche, als könnte sie damit verhindern, dass ich wegfuhr. Sie trug ihre Hausschuhe und immer noch ihre graue, gebügelte Stoffhose, die sie an Feiertagen aus dem Schrank holte. Da spielte es keine Rolle, dass wir zwei alleine Weihnachten gefeiert hatten und niemand mit uns Rouladen mit Rosenkohl und Kartoffeln gegessen hatte. Es gab Dinge, die änderten sich hier nie. Sehr viel Lametta am Raum, das Menü und der Kaffee mit Butterkeksen, bevor ich aufbrach. Das waren die Gesetzmäßigkeiten der letzten Jahre, die ich zu schätzen gelernt hatte. Sie standen im starken Kontrast zu dem wenig durchritualisierten Leben in der Zweier-WG mit meiner Mutter und ich hatte damals lange gebraucht, um diese Veränderung zu akzeptieren. Von sehr viel Freiheit zu sehr viel Tradition und Kontrolle in 24 Stunden- so hatte sich das angefühlt, zumindest, nachdem ich dazu gekommen war, darüber nachzudenken.

„Mache ich nicht, Oma.", versprach ich, schlug den Kofferraum zu und umarmte sie ein weiteres, letztes Mal. Sie zog mich an sich und klopfte mir auf ihre unnachahmliche Art fest den Rücken, bevor sie mir einen feuchten Kuss auf jede Wange drückte.

„Ich will nicht wieder Post mit einem Foto von dir kriegen, Pia.", mahnte sie.

„Oma..."

„Ich habe Angst um dich seit ich weiß, wie viel zu schnell du immer fährst!", sagte sie und ließ mich nur los, um mir durch ihre runde Brille prüfend ins Gesicht sehen zu können.

„Mache ich nicht nochmal.", versprach ich und ließ den Versuch bleiben, ihr ein weiteres Mal einzuschärfen, dass einmalig 12 km/h zu viel direkt hinterm Ortseingangsschild zwar nicht unbedingt wiederholenswert, aber vielleicht auch noch kein Selbstmordversuch waren. „Ich bin vorsichtig."

„Und komme bald wieder, nicht erst zu Ostern." , schärfte sie mir ein und ich nickte, während ich ihr die Handtasche abnahm.

„Mache ich." Wie immer beim Abschied spürte ich einen Kloß im Hals, als ich ins Auto stieg, das Fenster herunterkurbelte und unter den besorgten Augen meiner Großmutter ausparkte, die sicherstellte, dass ich zu jedem Blumenkübel und jedem Auto mindestens einen halben Meter Abstand hielt. Vermutlich hätte sie jeden anderen damit zu Tode genervt, weil es dazu führte, dass man auf dem geräumigen Parkplatz mehrfach herumkurbeln und vor- und zurücksetzen musste, aber ich wusste, dass es ihre Art war dafür zu sorgen, dass ich gut loskam. Sie brauchte das genauso wie sie meinen Anruf brauchte, wenn ich angekommen war.

„Und grüße deine Freunde!", rief sie mir hinterher, als ich betont gemächlich mit dem alten Golf Variant meines Großvaters auf die leere Straße rollte.

„Mache ich.", wiederholte ich ein weiteres, ungezähltes Mal, bevor ich auf die Hupe drückte, winkte und langsam beschleunigte. Ich war kaum um die erste Kurve, als ich das Radio anstellte, mir ein Kaugummi zwischen die Zähne steckte, meine Sonnenbrille aufsetzte und aufs Gaspedal trat. Ich hatte es eilig. Nicht etwa, weil ich auf dem Weg nach Berlin an meinen Schreibtisch gewesen wäre. Der Gedanke an meine Lernunterlagen hätte eher eine abstoßende denn eine anziehende Wirkung gehabt. Entsprechend leicht fiel es mir, ihn sehr weit wegzuschieben. Stattdessen spürte ich fast prickelnde Vorfreude bei dem Gedanken daran, ein paar Tage einfach mit Freunden zu verbringen, die keinerlei Verbindung zu Berlin, zu Niklas oder zu Biochemie hatten. So anstrengend die Symbiose von Kim und Paul auch sein mochte, so sehr freute ich mich auf die beiden. Pauls unkomplizierte Positivität und Kims Lebensdramen waren eine Kombination wie Erdbeeren mit Schlagsahne, oder, wie Aristoteles es nicht weniger treffend formuliert hätte: das Ganze war mehr als die Summe seiner Teile. In dieser Erdbeer-Schlagsahne Kombination war ich immer die Eiswaffel gewesen, die komplettierende Deko. Erdbeeren und Sahne funktionierten auch ohne mich, aber mit mir waren sie wenigstens ein bisschen hübscher. Zumindest sagte Paul das, wenn Kim weghörte.

Dieses Mal aber lag meine Kribbeligkeit nicht nur daran, dass ich mich auf die beiden freute. Ich freute mich mindestens so sehr darauf, Niro um den Hals zu fallen. Felix hatte mir extra im Vorhinein geschrieben und gefragt, ob er ihn mir für ein, zwei Tage überlassen sollte und ich hatte das Angebot fast mit schlechtem Gewissen angenommen. Und ja, da war nicht nur Niro und bei dem Gedanken wurde mir unnatürlich warm, sobald ich mich selbst dabei ertappte. Es war lächerlich und ich hatte alles daran gesetzt, es schon vorab kaputt und unmöglich zu machen. Aber Weihnachten war Weihnachten und ich musste nicht einmal die Grundrechenarten beherrschen, um ziemlich sicher zu wissen, dass der komplette Feldmann-Clan über die Feiertage zusammengerückt war. Lukas wäre zuhause. Und so wenig ich es wollte, so unbeeindruckt davon kribbelte mein Magen bei dieser Vorahnung. 

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Hach ja....was sagt ihr zu Pias Timing? Und wie steht ihr zu Erdbeeren mit Schlagsahne und Eiswaffel? 

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