Kapitel 10: Exotherme Reaktion (2)

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Juan, Daniel und ich hatten uns auf dem Sofa breit gemacht, während die Party langsam in Gang kam. Während sich die ersten Grüppchen am Baguette- und Salatbuffet bedienten und ich ziemlich schnell die ersten Leute erspähte, die ich noch nie gesehen hatte und die trotzdem irgendwer mit auf die Party gebracht hatte, versuchte Daniel, Juan endlich mehr Don Juan einzuhauchen und ihn dazu zu bequatschen, an dem Abend eine unserer Kommilitoninnen anzusprechen, auf die Juan seit fast einem Jahr ein Auge geworfen hatte.

„Die ist doch eh bald fertig.", wehrte der ab.

„Und?"

„Dann zieht sie weg. Was sonst?"

„Hast du sie das schon gefragt? Ich meine, dafür, dass du nicht mit ihr sprichst, weißt du viel über ihre Zukunftspläne."

„Sei still." Juan schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck von seinem Bier, während er Caro, die in ein Gespräch mit einem großen, blonden Typen vertieft war, einen flüchtigen Blick zuwarf.

„Caro ist wirklich nett, weißt du.", schaltete ich mich ein. „Der Versuch könnte sich lohnen. Wenn du dich nicht traust, tut es ein anderer."

„Sei still, Lukas. Du hast in deinem ganzen Erwachsenenleben noch keine Frau angesprochen. Mit einer Klassenkameradin auf einer Silvesterparty zu knutschen ist ein anderes Level. Du hättest es immer auf den Alkohol schieben können oder..."

„Halt den Rand, Juan." Daniel stöhnte genervt. „Sie ist keine völlig Fremde. Ich kenne sie, meine Freundin kennt sie, Lukas kennt sie. Wenn sich das nicht anbietet, weiß ich auch nicht. Wenn du heute Abend nichts versuchst, höre ich mir außerdem nie wieder an, dass sich einfach keine Chance bietet, um sie anzuquatschen. Gehe da hin, nimm ein Bier mit, dann hampelst du nicht hilflos mit deinen Händen rum und komme so schnell nicht wieder."

Juan rührte sich nicht und Daniel und ich warfen uns einen kurzen Blick zu, bevor Daniel mit den Schultern zuckte und etwas tat, was Juans Gesichtszüge augenblicklich entgleiten ließ. Er pfiff laut- so laut, dass man es sogar über die Musik hin hörte und sich fast alle Köpfe schlagartig uns umwandten.

„Caro, komm mal!", rief er und winkte ihr zu. Juan neben mir erstarrte und ich stand lachend auf.

„Ihr regelt das.", murmelte ich und klopfte Juan auf die Schulter, der Daniel anstarrte, als wolle er ihm Schmerzen zufügen.



Ich schob mich zwischen den Leuten durch, bis ich in der Küche stand, wo ich Ink mit zwei ihrer Freundinnen fand. Alle drei saßen auf der Arbeitsplatte und während die anderen beiden sich über die Snacks hermachten und ihre Abschlussarbeiten diskutierten, saß Ink daneben und starrte ins Leere. Sie sah müde aus. Müde oder traurig oder beides. Ich war mir nicht sicher. Ich wusste nur, dass mich einen Moment lang die Befürchtung beschlich, dass sich an diesem Abend die Geschichte mal wieder wiederholen würde.

„Hey." Ich stellte mich direkt vor sie und stützte meine Ellbogen auf ihren Oberschenkeln ab. Sie trug ihre Lieblingsjeans, ihre schwarzen Turnschuhe und das schwarze T-Shirt, das sie schon den ganzen Tag über angehabt hatte. Außer der Wimperntusche, die sie jeden Morgen direkt nach dem Zähneputzen benutzte, war sie ungeschminkt- vollkommen ungeschminkt. Dafür, dass wir gerade unsere WG-Party feierten, war das mindestens ungewöhnlich. „Alles gut?"

„Alles super." Sie lächelte, aber es erreichte ihre Augen nicht.

Ich legte meine Stirn in Falten und sah sie auffordernd an. „Sicher?" Mehr wollte ich neben ihren Freundinnen nicht sagen.

„Alles super, Lukas." Sie versuchte mir unbeschwert und beruhigend zuzuzwinkern, aber das geriet noch weniger glaubhaft als ihr Lächeln. „Ich verspreche es dir. Ich bin nur kaputt. Die Vorbereitungen waren ein Marathon." Sie gab mir einen flüchtigen Kuss und legte ihre Hände auf meine Schultern. „Ich brauche noch was zu Essen und zu Trinken, bevor ich partytauglich bin. Mache dir keinen Kopf, okay?"

„Soll ich dir was holen? Bier, Sekt, Wein?"

Ink schüttelte stumm den Kopf und ich warf einen fragenden Blick auf ihre Freundinnen, die aber ihr Gespräch über ihre Abschlussarbeiten so sehr vertieft hatten, dass sie mich kaum zu bemerken schienen. Oder sie wollten mich nicht bemerken. Ich war mir nicht sicher. „Daniel hat gerade organisiert, dass Juan mit Caro sprechen muss.", erwiderte ich in der Hoffnung, dass sie das zum Lachen bringen würde. Stattdessen legte sich wieder jene angestrengte Maske über ihr Gesicht, die ein Lächeln sein sollte.

„Wird er schon schaffen. Sie ist toll und er ist ja schon groß."

„Ich hoffe." Ich ließ meinen Blick nochmal forschend über ihr Gesicht wandern und verstärkte den Druck auf ihre Oberschenkel. Sie legte nur den Kopf schief und ich verstand, was sie mir sagen wollte.

Stelle dich nicht an. Du siehst Gespenster. Es ist alles gut.

„Sicher?", hakte ich ein letztes Mal nach und sie schloss die Augen und nickte.

„Gib meiner Partystimmung ein bisschen Zeit. Sie und ich, wir hauen dich noch um heute Abend. Versprochen." Damit schob sie mich sanft zur Seite und wandte sich fast demonstrativ dem Gespräch ihrer Freundinnen zu. 


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Und? Haut sie ihn noch um mit ihrer Partystimmung? Was meint ihr? ;)

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