Kapitel 25: She's so high (5)

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Lukas


Ich begegnete Enno im Treppenhaus direkt vor unserer Wohnungstür, wo er in seiner Sporttasche nach dem Schlüssel suchte.

„Hast du die Hosentaschen schon probiert?", fragte ich schmunzelnd, als ich ihn sah.

„Als ob...", murmelte er und schüttelte den Kopf, bevor er doch nochmal erst seine Hosen- und dann seine Jackentaschen absuchte. „Verdammt.", murmelte er als er fündig wurde und die Erleichterung stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Wieso passiert mir das immer wieder?"

„Besser, als wenn er gar nicht wieder aufgetaucht wäre.", erwiderte ich und wartete geduldig, bis Enno die Tür aufschloss.

„So wie du, meinst du.", gab Enno zurück, als wir die Wohnung betraten und uns die Schuhe von den Füßen streiften. „Hast du eine Nacht länger bei der Familie verbracht als geplant?"

„So in der Art." Unwillkürlich lächelte ich und wollte mich wegdrehen, bevor Enno mich erwischen konnte, aber er war zu schnell und zu aufmerksam.

„So in der Art, ja?"

Ich zuckte mit den Schultern- und typischerweise wäre ich in mein Zimmer geflüchtet und hätte die Tür hinter mir zugemacht, um nicht in ein Kreuzverhör zu geraten. Gleichzeitig war ich dafür zu aufgedreht. Zu glücklich. Und zu dankbar- für den Stups, den Enno mir verpasst hatte, als er mir nahegelegt hatte, Pia doch zuzutrauen, ihre Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Er hatte recht gehabt- und nicht zuletzt deswegen fragte ich ihn, ob wir nicht noch zusammen kochen wollte. Untypischerweise wollte Enno nicht. Er hatte sich mit einem Kunden über die Bezahlung eines Kurses gestritten und seine Laune hatte unter der Auseinandersetzung ziemlich gelitten. Also bestellten wir Pizza- und während wir warteten, redete Enno sich den Frust von der Seele. Erst, als er die erste Hälfte seiner Ruccola-Pizza heruntergeschlungen hatte, atmete er tief durch, setzte seine Brille ab und rieb sich die Augen. „So ein Idiot.", brummte er abschließend. „Und davon lasse ich mir auch noch den Abend verderben."

„Soll Yoga nicht bei sowas helfen?", entgegnete ich und zwinkerte ihm zu. „Ausgeglichenheit und Unwichtiges gehen lassen und so?"

Enno lächelte schief. „Wir können ja mal darüber reden, wie unwichtig mein Beitrag zur Miete ist, Lukas."

„Schon verstanden.", wehrte ich ab und biss ein großes Stück meiner Pizza ab. „Du kannst dein Geld gerne mit der nötigen Härte eintreiben. Ich möchte mir keinen neuen Mitbewohner suchen."

„Ich dachte, du wartest nur darauf, mich mit Pia auszutauschen und mein Zimmer umzugestalten."

„Quatsch."

„Aber du warst gestern bei ihr, oder?" Bei der Frage warf Enno mir einen forschenden Blick zu.

„Und woher weißt du das schon wieder?"

Er zog die Augenbrauen hoch und sah mich spöttisch an, bevor er zitierte, was ich auf seine Frage, ob ich die Nacht noch bei der Familie verbracht hätte, geantwortet hatte. „ ‚So in der Art?' Dein Ernst, Lukas? ‚So in der Art?' " Er fing an zu grinsen. „Du und Pia habt das also klären können, ja?"

Das unwillkürliche, breite Lächeln, dass sich schon im Wohnungsflur kurzzeitig auf meinem Gesicht ausgebreitet hatte, meldete sich zurück- und ich konnte und wollte nichts dagegen machen.

„Oha." Enno lachte laut, ohne, dass ich irgendetwas auf seine Frage erwiderte. „Du warst heute nicht arbeiten, oder?"

„Ich habe so schlecht geschlafen, da musste ich mich glatt mal krankmelden.", erwiderte ich und lachte los- lauter, als ich mich in den letzten Monaten überhaupt mal hatte lachen hören. Enno zeigte mir einen Vogel, grinste aber nicht minder breit als ich. „Im Ernst. Ich habe bis zum Mittag geschlafen und fühle mich immer noch betrunken.", versuchte ich mein schlechtes Gewissen zu besänftigen. „Ich bin nicht arbeitsfähig gewesen heute."

„Ich glaube dir sofort, dass du dich betrunken fühlst." Enno schüttelte den Kopf. „Na fein. Kommt Pia heute noch rum und bringt ihre Zahnbürste mit?"

„Ach, quatsch.", winkte ich ab, obwohl ich mir eigentlich schlimmeres hätte vorstellen können. „Sie muss morgen früh arbeiten, ich muss morgen früh arbeiten."

„Du meinst, es reicht auch, wenn die Zahnbürste morgen Abend hier einzieht?", erwiderte Enno todernst- und ich konnte nicht anders, als ihn für seine unkomplizierte, fast zufriedene Reaktion wirklich zu mögen.

„Könnte sogar Freitag werden.", gab ich amüsiert zurück und biss nochmal von meiner Pizza ab.

„Bis Freitag?" Enno verpasste mir einen sachten Tritt gegen mein Schienbein. „Lukas, ich dachte, ihr seid verknallt. So siehst du zumindest aus." Er schnaubte, wie um seine Worte zu bekräftigen und schüttelte den Kopf. „Bis Freitag. Wir haben Montag."

„Alles ganz entspannt.", erwiderte ich- und musste zumindest mir gegenüber einräumen, dass das nur zur Hälfte stimmte. Der Impuls, Pia einfach mit in die WG zu nehmen oder auch bei ihr zu bleiben, war ziemlich stark gewesen. Stärker war nur der Wunsch gewesen, einige Dinge zu regeln. Ich wollte Inga Bescheid sagen- nicht, weil ich das gemusst hätte, aber weil ich die Karten lieber offen auf den Tisch legen wollte, wenn sie und ich in nächster Zeit häufiger miteinander zu tun hätten. Außerdem- und was war etwas, dass ich ganz unabhängig von Pia und mir angehen musste, musste ich meine Arbeit in den Griff kriegen. Es musste vorwärts gehen. Das ewige auf der Stelle treten machte mich wahnsinnig. Kurz hatte ich darüber nachgedacht zu kündigen, irgendeinen anderen Job anzunehmen, der mich weniger stresste und von dessen Gehalt auch eine Unterhaltszahlung weniger schmerzhaft zu bezahlen wäre. Dann aber war mir wieder bewusst geworden, weswegen ich meine Hand zurückgezogen hatte, als Inga mir angeboten hatte, zu fühlen, wie wild das Kind herumtobte. Sie war vielleicht nicht von mir. Vielleicht war es nicht verhältnismäßig, mein ganzes Leben jetzt schon für ein vielleicht vollständig umzukrempeln. Statt zu kündigen hatte ich also vor, meinen Chef um ein Gespräch zu bitten. Ich wollte wissen, wo ich eigentlich stand und wo ich stehen sollte- und die Aussicht auf diese Unterhaltung war nicht besonders angenehm.  

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Schönen Feiertag, ihr Lieben :)

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