Kapitel 23: Tsunami (6)

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Lukas


Ich wollte nachfragen, aber ich kam nicht dazu. Sina entdeckte die Besitzer eines Pferdes, dass ihr in einer Youngsterprüfung aufgefallen war. Sie hatte bei dem Wallach an Kim gedacht, obwohl die gerade- soweit ich wusste- vieles, aber keine Nachwuchspferde für den Sport im Kopf hatte. Sina sah das anders, immerhin stand die sportliche Zukunft von Kims Stute Donni in den Sternen. Nach einer Kolik-OP und scheinbar endlos vielen Komplikationen war niemand mehr ehrlich optimistisch, dass die Stute nochmal an ihr altes Leistungsniveau würde anknüpfen können.

„Ein Kracher für jedes Kind. Kein zweiter. Ich will das nicht bezahlen.", schärfte Julian ihr ein, bevor Sina aufstehen und die Besitzer anvisieren konnte. Er erinnerte sie damit an die Regel, die auch Felix, Kim und mir immer klar kommuniziert worden war: Ein Pferd mit allen Möglichkeiten für jeden von uns, kein zweites. Der Fairness halber. Donni war Kims Kracher und Nikita hätte meiner sein können.

„Ich will doch nur wissen, was das für einer ist.", verteidigte sie sich und ihre Augenbraue zuckte gefährlich. Es war offensichtlich, dass sie fand an diesem Tag mindestens einmal zu oft von Julian zurückgepfiffen worden zu sein. Ich wunderte mich derweil darüber, dass sie überhaupt Notiz von seinem Kopfschütteln genommen hatte, als es um Inga gegangen war. Entweder wollte sie nicht streiten, vielleicht, weil sie fand, dass Felix genug an Julians Nerven riss, oder sie dachte, dass er insgeheim recht hatte und was immer ihr auf der Zunge gelegen hatte, besser nicht ausgesprochen werden sollte. Der Gedanke hinterließ ein wirklich ungutes Gefühl in meiner Magengrube.

„Die nächsten Pferde, die wir verkaufen, sind für Felix. Wenn der Stall nicht ganz leer werden soll mit Ausnahme der Pferde unserer Kinder, dann lässt du das sein.", schob Julian derweil hinterher.

Sina verdrehte genervt die Augen. „Du übertreibst."

„Wir haben einen Stalltrakt mit Pferden, die keiner mehr reitet und die nur noch Geld kosten. Die wollen alle weiterhin genug Futter bekommen. Deine graue Fressmaschine allen voran."

Sina warf ihm einen tödlich beleidigten Blick zu und ich grinste unwillkürlich in mich hinein. Julian musste es ernst damit sein, unter keinen Umständen ein neues Pferd für Kim zu kaufen, sonst hätte er Sinas heilige Kuh kaum als Fressmaschine bezeichnet.

„Wir verdanken Paula alles.", gab Sina kühl zurück.

„Deswegen soll sie ja auch im Heu baden, bis ihre arthrotischen Gelenke sie nicht mehr tragen. Es wäre nur gut, wenn du vorher das Bankkonto nicht blankziehst, um Kim einen Ersatz für ihr Turnierpferd zu kaufen, den sie gar nicht haben möchte." Julian seufzte ungehalten- und ich fragte mich, ob die Stimmung doch noch kippen würde und ich mich besser aus dem Staub machen sollte. Ich wollte nicht zwischen die Fronten geraten.

„Niemand räumt Bankkonten leer. Außerdem sprengen Black Beautys Wellnessbehandlungen jedes vernünftige Maß.", zischte Sina.

Julian sah ernsthaft wütend aus- zumindest für einen Moment- bevor er anfing zu lachen und die angespannte Stimmung sich so schnell auflöste, wie sie sich aufgebaut hatte. „Neidest du Steinchen die Rückenmassage?"

„Ich neide dem gar nichts. Ich lasse mir nur nicht sagen, dass die zahnlose Paula uns die Haare vom Kopf frisst, während du deinem alten Kumpel Akupunkturnadeln setzen lässt." Sina atmete tief durch und ich sah, wie sie ihre Hand in ihre Jackentasche schob. Ich wusste sofort, was sie suchte- und als sie Julians und meinen Blick auf sich ruhen spürte, stand sie mit einem Kopfschütteln auf und murrte etwas Unverständliches, bevor sie davonstapfte.

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