Kapitel 15: Neuland (2)

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Das Frühstück hatte meinen Magen zumindest vorübergehend beruhigt und als ich danach mit Paul Niro fertig machte und ihm von meinem Plan, mein Pony so schnell wie möglich an Felix zu übergeben erzählte, bedachte er mich mit einem stummen Kopfschütteln und hochgezogenen Augenbrauen.

„Was, Paul? Ich bin nicht du oder Kim und..."

„Egal. Mache einfach dein Ding. So schlecht kann es nicht sein. Und ganz ohne dir ein schlechtes Gewissen machen zu wollen: glaubst du wirklich, dass irgendwer glaubt, das Niro in den letzten Jahren regelmäßig gearbeitet wurde und laufen wird wie ein Gott?" Er legte den Kopf schief und sah mich über Niros Rücken hinweg an. „Der ist so dick, dass der Fettpolster am Hals hat, Pia. Was hast du alles reingestopft in das Pony?"

„Gar nichts.", fauchte ich, ohne Paul seine Beobachtung wirklich übel zu nehmen. „Der hatte einen guten Sommer auf einer guten Wiese. Und falls es dir nicht aufgefallen ist: ich versuche, zu studieren. Ich habe nicht jeden Abend die Zeit, Raupe Nimmersatt fünfundzwanzig Mal durch brennende Reifen springen zu lassen."

„Du hattest Zeit für Vicky.", sagte Paul und ich sah, wie seine Mundwinkel zuckten.

„Für den brauchte ich auch kein Tageslicht."

„Brauchtest du keins oder wolltest du keins?"

„Carstens.", murmelte ich warnend, aber Paul grinste längst wieder über beide Ohren. „Du bist besser still. Sonst ziehe ich die JenJen-Karte vor Kim."

„Das machst du nicht." Viel zu selbstsicher schmunzelnd zog er einen dünnen Strohhalm aus Niros dickem Schopf. „Und selbst wenn- das sind alles keine Neuigkeiten für sie."

„Du weißt nicht, was deine Verflossene mir alles erzählt hat."

„Nichts, was Kim nicht schon wüsste."

„Das hättest du gern. Jenny redet viel, wenn sie in der Mittagssonne Sekt trinkt. Ich weiß alles und auf jeden Fall mehr, als dir lieb ist. Sie hat mir den Zünder für die Munition quasi in die Hände gelegt." Ich zuckte betont gleichmütig mit den Schultern. Nicht, dass ich je vorgehabt hätte, ein Wort von dem, was Jenny ausgeplaudert hatte, in Kims Nähe zu wiederholen. Mir war egal, was vor diesem Sommer zwischen Jenny und Paul gelaufen war, aber irgendwie schwante mir, dass Kim Vergangenes nicht so gut würde ruhen lassen können wie Paul.

„So?", machte Paul nur misstrauisch, während ich die dunkelblaue Schabracke auf Niros Rücken legte.

„Ich weiß, dass sie vor anderthalb Jahren in Hagen ein blaues Knie und ihr eine gute Zeit hattet. Muss ich deutlicher werden?" Ich verkniff mir erst noch erfolgreich ein Grinsen, lachte dann aber laut auf, noch bevor Paul etwas erwidern konnte. Die Geschichte war gut- und Kim durfte sie niemals zu hören bekommen.

„Du gewinnst. Ich mache alles, was du willst.", murrte er mit rotem Kopf und schüttelte sich. „Wieso hat sie dir das erzählt?" Er war ehrlich schockiert darüber, dass die Geschichte bei mir gelandet war und ich genoss diesen kurzen Triumph ein bisschen zu sehr. „Im Ernst, wie offen plappert Vicky aus, was zwischen euch gewesen ist?"

„Gar nicht.", erwiderte ich und zog die Schultern hoch. „Weil es immer noch keiner wissen darf, Paulchen. Wahrscheinlich käme es selbst bei seinen Kumpels nicht so gut an, dass er die ganze Zeit seine Freundin betrogen hat und wahrscheinlich würden die zumindest die Augen verdrehen, wenn sie wüssten, dass er quasi bei mir wohnt, seit..." Ich brach meinen Satz in der Mitte ab und vermied den Blickkontakt zu Paul, während ich Niros Sattel auf seinen viel zu breiten Ponyrücken legte. Das hatte ich nicht sagen wollen.

„Er wohnt bei dir?", fragte Paul so langsam, als hielte er mich für schwachsinnig. Er betonte jede Silbe einzeln und ohne ihn anzusehen wusste ich, wie groß seine Augen gerade geworden waren.

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