Kapitel 8: Das mit den Weisheiten und den Abenteuern (5)

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Kim hatte mich nur mit einem Stirnrunzeln gefragt, ob eine Adoption denn überhaupt noch irgendetwas ändern würde- ich würde doch sowieso dazugehören. Sie schob mit einem Schulterzucken hinterher, dass sie bis vor kurzem sowieso gedacht hätte, ich sei adoptiert, weil ihr der Unterschied zwischen Pflegeverhältnis und Adoption nie klargewesen sei. Als ich ihr den erklärte, guckte sie nachdenklich an die Decke. „Heißt das, Mama und Papa hätten dich jederzeit rauswerfen können?"

„Schon, ja." , sagte ich und setzte mich auf ihr Bett, während sie mit dem Drehstuhl vor ihrem Schreibtisch eine Umdrehung nach der anderen hinlegte. Ihr langer, geflochtener Zopf baumelte über der Rückenlehne und sie trug, wie immer ohne Unterbrechung in den Ferien, Reitsachen. Die Socke an ihrem linken Fuß hatte ein Loch und der Sand an ihrem Knie ließ vermuten, dass sie mal wieder ungeplant den Pferderücken verlassen hatte.

„Hmhm...." Sie drehte sich weiter und ich rechnete insgeheim damit, dass sie aus dieser Information für sich versuchte abzuleiten, wie viel Quatsch sie sich dann erst würde erlauben können, ohne ihr Hausrecht zu verlieren. Kim war- wenn das überhaupt denn möglich war- mehr denn je auf Konfrontationskurs. Nicht so sehr mit Julian, Felix oder mir, aber mit Sina schrie sie sich bisweilen an, bis einer von beiden die Stimme ausging. Beim letzten Streit der beiden hatte ich für einen Moment Angst gehabt, Kim würde Sina ins Gesicht spucken, einfach, um der Eskalation willen. „Das finde ich mies.", sagte sie dann zu meinem großen Erstaunen.

„Sie haben mich aber nicht rausgeworfen.", warf ich ein und merkte in dem Moment, wie ruhig mich die Aussicht darauf, auch in den nächsten Jahren meine Sachen nicht in einem Koffer vor der Tür wiederzufinden, machte.

„Trotzdem richtig asozial. Was ist das für eine dumme Regelung." Sie unterbrach ihr Dauergedrehe abrupt, in dem sie ihren Fuß auf den Boden stellte und richtete sich auf, um mich anzusehen. „Ich finde, du solltest das machen. Felix flippt aus, wenn du irgendwann plötzlich weg bist- und dann hängt der mir an den Hacken. Außerdem..." Sie brach ab und warf einen Blick auf ihre geöffnete Zimmertür, als wolle sie sich vergewissern, dass niemand zuhörte. Obwohl das Wohnzimmer hinter uns leer war, setzte sie zu einer neuen Frage an, statt auszusprechen, was sie eigentlich hatte sagen wollen. „Gehst du weg nach dem Abi?"

„Weiß nicht.", antwortete ich wahrheitsgemäß. „Ich habe keine Ahnung, was ich machen will bisher."

„Willst du nicht reiten?", fragte sie und die Ernsthaftigkeit ihrer Frage ließ mich unwillkürlich auflachen. Wenn ich eins wusste, dann das ist beruflich nicht reiten konnte. Ich war nicht Kim, die furchtlos auf alles kletterte, was vier Beine und Haare hatte. Und so gern wie ich ab und zu auch Turniere ritt, meinen Sonntagmorgen im Bett mochte ich mehr.

„Das ist nicht das Richtige für mich, Kim.", antwortete ich und beobachtete belustigt, wie sie verständnislos die Stirn runzelte. „Das überlasse ich Leuten, die das können und wollen. Dir, zum Beispiel. Du kannst später mein Pferd für mich Korrekturreiten."

„Das ist lahm..." Sie lehnte sich zurück und ein Grinsen huschte über ihr Gesicht. „Du hast dann einfach einen Job, bei dem du richtig viel Geld verdienst. Dann kannst du gute Pferde kaufen und ich reite die für dich. Die Einnahmen können wir teilen, okay? Deal?"

„Geschäftstüchtig, Kim." Sina hatte so eindeutig auf sie abgefärbt, dass ich es nicht wagte, ihr genau das zu sagen.

„Wie auch immer..." Sie zuckte mit den Schultern. „Es wäre schon unpraktisch, wenn mein Mäzen zu weit weg ist. Also laufe nicht zu weit weg nach der Schule." Sie kniff die Augen fast drohend zusammen, während ich versuchte auszumachen, ob sie gerade versuchte zu sagen, dass sie mich vermissen würde.

„Ist erstmal nicht geplant, Kim."

„Hm..." Sie nickte und ich sah, dass ihr immer noch auf der Zunge lag, was sie eben schon nicht ausgesprochen hatte. Also parkte ich meinen linken Unterschenkel auf dem rechten Oberschenkel und wartete unschlüssig. „Weißt du noch...damals?", fragte sie dann doch.

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