Kapitel 18: Aus dem gleichen Holz (8)

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Lukas



Pia versuchte immer noch, sich unsichtbar zu machen, als sie an meiner Seite Richtung Haus ging.

„Du kannst aufhören damit.", murmelte ich möglichst leise, während ich das Gefühl nicht loswurde, dass sie am liebsten hinter meinem Rücken verschwunden wäre. „Die Sprengkraft reicht nicht mehr für eine zweite Explosion."

„Und warum flüsterst du dann noch?", gab sie finster zurück und guckte ängstlich auf Sinas geflochtenen Zopf. Sie ging fünf Meter vor uns, in Jeans und Jacke, der Zopf hing lang und geflochten über ihren Rücken und sie visierte im Stechschritt die Haustür an. Ihre Hand schloss sich fest um die große und schwere Taschenlampe und ich war froh, dass sie uns doch noch erkannt hatte, bevor sie dazu gekommen war, vermeintliche Einbrecher zu erschlagen. Stattdessen war sie laut und wütend geworden. Ich konnte an meinen beiden Händen abzählen, wie oft ich in meinem Leben einen solchen Wutausbruch bei ihr ausgelöst hatte. Vielleicht brauchte ich sogar nur eine Hand dafür. Sie war ernsthaft sauer gewesen, hatte die Taschenlampe geschwungen und uns zusammengefaltet, während ich perplex und Pia erschrocken ausgehalten hatten, was da auf uns niedergegangen war.

„Das hatte nichts mit dir zu tun.", erwiderte ich und sah Pia an, deren Lippen vor Kälte bläulich schimmerten. Im Stall hatte ich das übersehen, aber jetzt war es offensichtlich.

„Es klang aber verdammt nach..." Pia unterbrach sich, als Sina die Treppe hochspurtete, die Tür aufschloss und demonstrativ wartete, bis ich zu ihr aufschloss. Kaum hatte ich die Finger am Holz der Haustür, rauschte sie kommentarlos die Treppe hoch. Ich sah ihr wortlos hinterher und spürte, bei allem Unverständnis für den Auftritt eben, mein schlechtes Gewissen.

„Es hatte wirklich nichts mit dir zu tun und nichts damit, dass wir noch bei den Pferden waren."

„Ich wiederhole mich: Es klang aber verdammt danach.", wisperte Pia und guckte an mir vorbei ins Treppenhaus. Wir beide hörten, wie die Wohnungstür für die Uhrzeit zu laut ins Schloss fiel und Pia verzog ihr Gesicht. „Außedem hasst sie mich. Sie hat mich schon immer gehasst, seit ich einmal Mischbier mit aufs Turnier genommen habe und Kim und Paul noch nicht sechzehn waren."

„Als ob sie sich daran erinnern könnte.", erwiderte ich matt.

„Als ob sie das vergessen hätte."

„Als ob sie das je interessiert hätte.", beharrte ich und schmunzelte widerwillig.

„Als ob sie mich damals nicht fast skalpiert hätte." Pia huschte hinter mir ins Haus und schlang sich ihre Arme fester um den Körper, während wir im Flur stehen blieben.

„Wahrscheinlich dachte sie, sie muss das tun. Weil Aufsichtspflicht für Kinder, die nicht ihre sind. Was weiß ich. Sina hat sicher keine drei Minuten darüber nachgedacht, ob Kim jetzt zwei Wochen vor oder nach ihrem Geburtstag an einer Bierflasche nippt." Selbst Julian hätte das vermutlich längst aus seinem Gedächtnis gestrichen.

„Aber wenn das eben nichts mit mir oder uns im Stall zu tun hatte, was...?"

„Sie ist angepisst. Meinetwegen. Und der Gewittersturm galt mir allein."

„Und womit willst du den verdient haben?", fragte Pia und reckte auffordernd ihr Kinn, als könne sie sich nicht vorstellen, dass es etwas gab, womit ich Sina derart getroffen hätte.

Ich lächelte schief und zuckte die Schultern und Pia schaffte den Gedankensprung, bevor ich Worte finden konnte.

„Wegen deines Weihnachtsgeschenks an deine Ex?" Sie wackelte provokant mit ihren Augenbrauen, während sie zeitgleich ein Kälteschauer überfiel.

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