Chapter 89

58 4 0
                                    

Mit übertrieben schwungvollen Schritten und einem aufgesetzten Lächeln führe ich meine Kameraden durch meine alte Heimat. Immer wieder halten wir an bekannten Orten und ich beschreibe meine Erinnerungen an diese, doch meine Gedanken sind noch immer bei meiner Mutter und ihrer Reaktion auf meine Wiederkehr. Früher einmal war es mir sehr wichtig gewesen, sie zu verstehen, den Grund ihrer Handlungen zu ergründen. Doch irgendwann hatte ich es aufgegeben, ich hatte nur noch so gehandelt, dass der geringste Konflikt entstand. Ich wollte ihr nicht alles Recht machen, aber zumindest mit dem geringsten Übel leben. Diese Anschuldigungen, welche sie mir eben vorgeworfen hatte, warfen mich aus der Bahn. Ich mache mir wieder Gedanken darüber, warum sie so denkt und lebt, was ich falsch gemacht haben muss. Ich dachte ich könnte endlich frei von diesen Fragen sein, doch der Fluch des Deduzierens hatte mich nie verlassen. Grübelnd laufe ich den Feldweg entlang, kaum auf meine Umgebung achtend, nur meiner Vergangenheit nachhängend. Wie soll ich so, mit ihr abschließen und ein neues Leben beginnen. Seufzend richtet sich mein Blick geradeaus und ich verziehe sogleich genervt mein Gesicht. Niemand anderes als der eingebildete Adelssproß von meiner letzten Verkupplung kommt uns entgegen. Kichernd muss ich feststellen, dass ich seinen Namen noch immer nicht kenne und jetzt sogar über ihm stehe, doch das darf er nicht erfahren. Ich ziehe mir die Kapuze meines Umhangs tief ins Gesicht und gehe leicht gebückt an ihm vorbei. Wir sind gerade an ihm vorbei, als er mich aufhält und arrogant sagt: "Du musst dich vor dem Adel verbeugen". Ich höre ein unterdrücktes Knurren von Jake, doch ignoriere es gekonnt. Langsam drehe ich mich auf dem Hacken um und gehe einige Schritte auf ihn zu. Vor ihm bleibe ich stehen und verbeuge mich. "Schau mich an.", spricht der Junge nun neugierig. Zähneknirschend überlege ich mir meine nächsten Schritte genau und erhebe schließlich meinen Kopf, um ihm in die Augen zuschauen. Doch mein Aussehen gleicht nun nicht mehr dem meines gebürtigen Ichs, meine Gesichtszüge sind schärfer und werden von feuerroten Locken umrundet. Als mich mein Gegenüber anschaut, blitzen ihm giftgrüne Augen entgegen. "Verzeihen Sie, haben wir uns schon einmal gesehen". fragt der Adlige in einem neugierigen Ton, aber auch leicht gerunzelter Stirn. Frech grinse ich zu ihm auf und spreche scheinheilig: "Nein tut mir leid, nicht das ich wüsste". Ich spüre die angespannte Stimmung von Jake und weiß, dass ich keinen Schritt weiter gehen durfte, sonst würde der Junge vor mir keine Zukunft mehr haben. Ich verdrücke ein Kichern, bei dem Gedanken daran, wie eifersüchtig mein Seelenpartner gerade war, dabei war gar nichts passiert. "Verzeiht mich und meine Begleiter nun bitte.", spreche ich entschuldigend und verbeuge mich erneut, nur um den jungen Mann alleine auf dem Feld stehen zulassen. Mit schnellen Schritten gehen wir weiter ins Dorf hinein, doch sobald wir abgebogen sind, werde ich besitzergreifend von Jake in die Arme gezogen. Seine Nase vergräbt sich in meinen Nacken und seine Arme halten mich fest umschlossen. Mein Blick wandert zu Lian und Runa, welche mich beide wissend angrinsen und dann einfach in der nächsten Gasse verschwinden. Geschockt schaue ich ihnen nach, wurde dann aber dem Gedanken entrissen, als Jake in mein Ohr knurrt und mich noch ein wenig fester an sich zieht. Seufzend lehne ich mich an ihn und genieße seine Nähe, während sein Kopf sich auf meine Schulter legt und er beginnt zusprechen: " Verzeih mir, dass ich so gehandelt habe, aber die Blicke, welche er dir zugeworfen hat, haben mich zur Weißglut getrieben". Lächelnd schmiege ich mich näher an ihn und spreche sanft: " Es ist schon in Ordnung, ich hätte ihn nicht so provozieren müssen, verzeihst du mir"? Vorsichtig drehe ich mich in seinen Armen, wieder in meiner alten Gestalt und schaue zu meinen Seelenverwandten auf. Sein Hand erhebt sich und legt sich an meine Wange, sanft streicht er an diese entlang, bis hinunter zu meinem Kinn, welches er leicht anhebt. Fasziniert beobachte ich das Farbenspiel in seinen Augen und blende alles, bis auf ihn und seine Berührungen, aus. Jake schnurrt mir leise zu: "Ich verzeihe dir, unter einer Bedingung". Dabei zieht er mein Gesicht noch ein Stück näher an seines, während mein Blick immer wieder zwischen seinen Augen und seinen Lippen hin un her zuckt. Wir sind nur noch Millimeter von einander entfernt und eine elektrisierende Spannung vibriert zwischen uns. "Jake, Kathlin kommt ihr"?, durchbricht Runas Stimme diesen besonderen Moment und ich zucke erschrocken weg. Mein Blick schießt zu meiner Freundin, welche an der Häuserwand angelehnt, uns anstarrt. Ich laufe knallrot an und ziehe mir meine Kapuze tief ins Gesicht, nur um schnell zu meinen anderen Freunden zulaufen. Solche peinlichen Momente passieren aber auch nur mir, trotzdem bin ich froh, als Jake zu uns aufholt und ich seine Präsenz wieder direkt neben mir spüre. Als wir wieder alle zusammen sind, führe ich meine Freunde zum großen Markt und erzähle, wie ein Wasserfall, über alles was ich weiß, nur um die ebengeschehene Situation zu verdrängen. Doch der stechende Blick von Jake und der spielerisch anzügliche Ausdruck von Runa, macht es mir nicht gerade leicht.
Schließlich stehen wir am anderen Ende des Dorfes und haben eigentlich alles gesehen, was mich meine Kindheit über begleitet hat. Das Dorf wirkt nun so viel kleiner, als in meinen Erinnerungen und wenn ich hier so stehe, kann ich den ganzen Ort mit nur einem Blick überschauen. Seufzend lehne ich mich gegen einen der Bäume und blicke noch einmal über jeden Fleck meiner Kindheit. Bis meine Augen an einer heruntergekommenen Hütte stehen bleiben, es ist das Heim von Fanney und ihren fünf Waisenkindern. Ich schiebe mich vom Baum weg und gehe einige Schritte in deren Richtung, nur um abrupt stehen zubleiben. Viele schöne Erinnerungen schießen durch mich, als ich an das Heim denke, doch gleichzeitig fühlt mich die Angst, die gleiche Abfuhr zubekommen, wie bei meiner Mutter. Ich schließe meine Augen und wiege meine Entscheidung ab, doch dann öffne ich sie entschlossen. Ich drehe mich in die andere Richtung und gehe zu meinen Freunden, um zusprechen: "Ich würde gerne alte Freunde besuchen, würdet ihr mich begleiten"? Meine Kameraden stimmen mir sofort zu und mit ihrer Unterstützung laufe ich den Weg zu dem kleinen Cottage entlang. Vor der hölzernen Tür bleibe ich stehen, ich atme kurz durch, klopfe dann aber entschieden an. Es dauert eine Weile, doch dann öffnet mir die alte Dame die Tür. Es vergeht eine Sekunde im Stillen, doch als sie mich erkennt, strahlt sie auf und zieht mich sofort mit ins Haus, auch meine Freunde werden nicht verschont und stehen keinen Moment später neben mir. "Was für eine Freude dich wieder zusehen. Deine Oma meinte nur, dass du kurzfristig abreisen müsstest und nicht weißt wann du wieder kommst. Ich freue mich so. Du hast dich kaum verändert. Wie geht es dir? Die Kinder werden sich freuen, dich wieder zusehen.", plappert Fanney auch schon los und schiebt uns dabei in die Küche, in welcher sie uns auf die Sitzbänke drückt. Bei dem Trubel dauert es auch nicht lange und schon stehen die fünf Kinder neugierig an der Tür. Sie wirken etwas schüchtern bei den vielen Fremden, doch als sie mich erkennen, trauen sie sich hinein. Es dauert nicht lange, da sitzen wir zusammen gedrängt ihm Raum und meine Freunde und ich werden mit Fragen gelöchert. Eines der kleineren Kinder hat es sogar geschafft, sich auf den Schoss von Jake zu schleichen und ich kann grinsend beobachten, wie überfordert er mit der Kleinen ist.
So sitzen wir in der Küche und ich kann noch einmal eine der schönsten Erinnerungen meiner Kindheit genießen. Wir werden gegen Abend noch zum Essen eingeladen und da man Fanney nichts ablehnen kann, genießen wir bald darauf einen warmen Eintopf. Währenddessen erfahre ich auch, dass Fanney nicht mehr an Rückenschmerzen leidet, da meine Oma anscheinend eine neue Salbe gefunden hatte. Außerdem besucht Oma Elli sie wöchentlich und sie werden finanziell unterstütz. Fanney will gerade erklären, woher sie das Geld bekommen, als ein vertrautes Klopfen ertönt. Erstaunt blicke ich zu der Tür, welche von Fanney geöffnet wird. Meine Augen weiten sich bei dem Anblick und ich schaue erstaunt zu der Person, welche im Türrahmen steht. Niemand anderes als Beatrice, meine beste Freundin unterhält sich gerade mit der Heimleiterin. Doch als ihr Blick zu uns wandert, erstarrt sie genauso wie ich, mit langsamen Schritten geht sie auf uns, während ich genauso schwerfällig aufstehe. "Kathlin.", flüstert sie mir zu und ich nicke atemlos. Bis sich auf ihrem Gesicht ein Lächeln bildet und sie mir plötzlich in die Arme fällt. Lachend umschließe ich sie und drücke mein Gesicht an ihre Schulter. Schließlich lösen wir uns wieder und grinsen uns entgegen, bis ich frage: "Was machst du denn hier, ich dachte du bist bei deiner Tante"? "Das gleiche könnte ich dich fragen. Nach einigen Überlegungen haben wir meine Tante zu uns geholt, doch als ich wieder hier war und dich besuchen wollte, traf ich nur deine Oma an, welcher mir sagte, dass du weg bist.", antwortet sie mir. Seufzend lächele ich ihr zu und schiebe sie dann zum Esstisch. Zusammen setzen wir uns und ich beantworte ihre Fragen, leider nur soweit, dass sie nichts wichtiges erfährt. Ich stelle ihr meine Kameraden vor und erkläre das wir durchs Land reisen, um neue Kulturen kennenzulernen. Es ist nur ein Teil meiner Geschichte, doch es ist das Beste für sie, zumindest glaube ich das. Von ihr erfahre ich, dass sie die Hälfte des Geschäftes ihrer Eltern führt und somit das Heim finanziell unterstützen kann. Was mich jedoch am meisten erstaunt, ist dass sie verlobt sei. Sie habe sich im Dorf ihrer Tante in einen jungen Händler verliebt, welcher ihr nach wenigen Monaten einen Antrag gemacht hatte. Da er erfolgreich in seinem Beruf ist, erlaubten Beas Eltern die Verbindung und der junge Mann soll nächste Woche in ein leerstehendes Anwesen neben den Adel ziehen. Ich freue mich sehr für Bea, denn sie scheint wahrhaftig verliebt und hat eine vollkommene Zukunft vor sich, mit einem Heim, Liebe und der Erfüllung ihrer Wünsche. Trotzdem dauert es für mich einen Moment, um zu realisieren, dass Beatrice nicht mehr das vergessliche Mädchen mit den Blumen im Haar ist. Sie war erwachsen geworden und baut sich gerade ihr eigenes Leben auf.
Spät am Abend verlassen wir das Heim, wir verabschieden uns von Fanney und den Kindern und ich umarme ein letztes Mal Beatrice. Sie hatte uns angeboten, bei ihr zu nächtigen, doch wir mussten dankend ablehnen. Zenobio würde nicht auch noch die Nacht im Wald alleine verbringen müssen.
Bea und ich wissen Beide, dass das ein Abschied für eine lange Zeit werden würde, vielleicht für immer, doch wir tuen es bewusst und mit klarem Gewissen.
Meine Freunde und ich laufen gerade in Richtung Wald, als meine Aufmerksamkeit auf ein kleines Licht bei der Isle of Skye gezogen wird. Ich kämpfe mit mir selbst, entscheide mich aber dann doch, zu dem Licht zugehen. Meine Freunde folgen mir schweigend.
Mit schweren Schritten gehe ich den Berg hinauf, immer näher zu der Klippe und dem kleinen Licht. Einige Meter vor der Klippe zeige ich jedoch meinen Freunden, dass sie hier warten sollen, doch nicht alle hören darauf. Jake bleibt dicht an meiner Seite und insgeheim bin ich froh darüber. Zusammen beschreiten wir die letzten Meter zu dem Licht und zu der Person, welche daneben steht. Neben meiner Oma bleiben wir schließlich stehen, doch sie schaut nur hinaus in die Weiten des Meeres, bis sie schließlich beginnt zusprechen: " Waren meine Sagen hilfreich"? Ein sanftes Lächeln bildet sich auf meinen Lippen, als ich leise antworte: "Ja Oma, vielen Dank, dass du mich auf diese Welt vorbereitet und mir den Weg gewiesen hast. Ich bin dir vom Herzen dankbar, für jede Erinnerungen mit dir". Nun bildet sich auch ein Lächeln auf den Lippen von Oma Elli, doch ihr Blick richtet sich noch immer auf die Ferne. "Es tut mir leid, wie sie reagiert hat, sie ist keine einfache Person, doch als ihre Mutter ist es meine Aufgabe sie trotzdem vom Herzen zu lieben. Verzeihst du ihr?", haucht sie gegen den Wind. Ich schlucke einmal und überlege genau was ich sage, doch tief im Herzen weiß ich bereits die Antwort und so spreche ich: "Ja, ich verzeihe ihr. Jede Person trägt ihre eigenen Lasten und Probleme mit sich. Kein Mensch hat ein einfaches Leben, doch nicht jede Beziehung funktioniert so, wie sie soll. Man muss sich die Personen, um sich halten, welchen man vertrauen kann und genau, dass tue ich. Deshalb frage nun ich, verzeihst du mir, dass ich nun mein Leben beginne"? Eine einzelne Träne rinnt ihr die Wange herunter, doch ihr Lächeln verblasst keine Sekunde. Ihr Blick wandert nun endlich zu mir und sie schaut mir vertraut in die Augen, dann nimmt sie mich in die Arme und ich kann mich endlich fallen lassen. Eine schwere Last fällt mir von den Schultern, noch deutlicher wird es, als sie mir noch einmal zuflüstert: "Natürlich mein Kind, wie könnte ich dir diese Chance nehmen, lebe dein Leben und lerne aus deinen Erfahrungen". Lächelnd lösen wir uns, heute war ein anstrengender Tag, mit Höhen und Tiefen, doch am Ende konnte ich mich von jedem verabschieden. Ab heute kann ich mit gutem Gewissen in mein neues Leben starten, ohne die Angst, dass mich meine Vergangenheit einholt. Mit Tränen in den Augen verabschiede ich mich schließlich auch von Oma Elli und so machen meine Freunde und ich uns auf in den Wald. Wir haben noch einen zwei Stunden Marsch vor uns.

2235 Wörter ✔

The legends of tomorrowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt