Chapter 107

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Schmerzhaft zische ich auf, als ich die Verbände um meine Hände entferne und mir eine neue Schicht an Salbe auf die Wunden schmiere. Mit schnellen Handgriffen nehme ich mir die neuen Bandagen und wickle sie fest von meinen Handgelenken bis hin zu meinen Fingerspitzen. Meine Zofen sind wie ein großer Teil des königlichen Hofes bei ihrer Familie und so suche ich mir selbst ein Kleid heraus und mache mich fertig. Zurück in meinem Zimmer nehme ich mir eine der Sternfrüchte und schneide sie in mundgerechte Stücken. Schließlich stelle ich mich an mein offenes Fenster und vernasche mein kleines Frühstück. Zenobio schläft noch und da die Verhandlung, welche gleich stattfindet, ihn sowieso nur langweilen würde, wecke ich ihn auch nicht. Mein Blick wandert über unseren Rosengarten, wobei meine Gedanken schon wieder ganz wo anders sind. In den letzten Tagen hatte ich kaum Zeit zu realisieren, was passiert war. Nach dem Kampf im Thronsaal wurde ich mit neuen Informationen nur so überschüttet. Dann mussten Krankenlager aufgebaut werden, um die Verletzten zu versorgen. Die Toten mussten identifiziert werden und die Beerdigung wurde geplant. Gestern noch standen wir alle zusammen in Trauer auf dem großen Platz, nun muss entschieden werden, wie wir mit den Schuldigen des Krieges verfahren. Keiner der menschlichen Soldaten lebt mehr, doch gibt es noch immer König Härbör und seine Mutter Tuuli, welche eine Gefahr darstellen können.
Seufzend drehe ich mich von meinem Fenster weg und stelle meinen benutzten Teller auf den Tisch, dann verlasse ich zügig das Zimmer. Mit schnellen Schritten durchquere ich die immer gleichaussehenden Gänge und gehe einige der hunderten Treppen hinunter, bis ich schließlich den Thronsaal erreiche. Mit aller Kraft schiebe ich die Tore auf, wobei meine geschundenen Hände rebellieren und anfangen zu zittern. Schließlich schaffe ich es doch die Tür einen Spalt breit zu öffnen und schlüpfe durch diesen hindurch. Im Raum erblicke ich sofort meinen Vater und die dreizehn Parlamentarier, welche geduldig auf ihren Stühlen sitzen. Mit einem Knicks zeige ich den Ältesten meinen Respekt und gehe dann hinauf zu meinem Vater. Neben ihm bleibe ich stehen und frage mich ein weiteres Mal, warum ich mich nie setzten kann. "Guten Morgen Vater:", flüstere ich ihm zu, was er mir lächelnd erwidert, dann werden die Tore für die erste Verhandlung geöffnet. König Härbör tritt in Handschellen herein, begleitet von zehn freiwillig arbeitenden Soldaten. Einige Meter vor dem Parlament bleibt die kleine Gruppe stehen und mein Onkel wird für die Blicke freigegeben. Dann beginnt mein Vater zusprechen: "König Härbör ich bezichtige Sie hiermit das Land Färöer angegriffen und mutwillig einen Krieg begonnen zuhaben. Dadurch starben hunderte Menschen und Wandler und weitere sind für ihr Leben lang physisch und psychisch geschädigt. Was haben sie zu ihrer Verteidigung zusagen"? Mein Blick gleitet über das Gesicht von Härbör bis hin zu seinen Augen, doch ich erkenne keinerlei Gefühle, es scheint fast so als wäre er innerlich Tod, was mir eine kalten Schauer über den Rücken fahren lässt. Seine Augen sind nicht grau oder abwesend, wie bei den Wesen, welche von Tuuli verhext wurden. Sie scheinen einfach nicht mehr zu leuchten oder sie konnten es nie. Es vergehen einige Minuten des Schweigens, dann spricht mein Vater erneut: "Das Parlament bekommt einige Minuten zur Besprechung, doch nach meiner Meinung ist es unsere größte Pflicht das Volk zu schützen. Sollen wir denn Mann vor uns vergessen lassen wer wir sind, nehmen wir ihm jegliche Verbindungen zu dem Einfluss seiner Mutter und schicken ihn nach Hause, er muss ein Land regieren". Ich bewundere die Entscheidung meines Vaters, denn er stellt das Wohl der Wandler weit über seine eigenen Gefühle und die Verbindung zu seinem Bruder.
Es kommt zustimmendes Murmeln von den Mitgliedern des Parlamentes und schließlich steht einer der Ältesten auf und spricht das Urteil: "So soll es sein, dem Angeklagten werden jegliche Erinnerungen an der Existenz von Legenden und Sagen genommen. Er wird glauben seine Mutter sei vor vielen Jahren, als normaler Mensch gestorben und vor wenigen Tagen hat er bei einer Erkundungstour viele Soldaten in einem Sturm verloren. Möglicherweise werden sein schlechtes Gewissen und die unschuldigen Tode dazu führen, dass er ein besserer König wird".
Der Angeklagte schaut noch immer anteilslos vor sich hin und langsam Zweifel ich an, dass er überhaupt etwas mitbekommt. Die Soldaten nehmen ihn wieder in die Mitte und führen ihn ab. Durch einige Recherchen, weiß ich dass wir viele begabte Zauberer unter unserem Volk haben und ich kann mir vorstellen, dass einer von ihnen die Aufgabe bekommen wird, das Urteil zu vollstrecken.
Es vergehen einige Minuten, in welchen wir auf die Hexe Tuuli warten. Jeder hängt seinen Gedanken nach, doch dann öffnen sich die Türen ein weiteres Mal und die zweite Verhandlung wird eröffnet. Tuuli wird ebenfalls von Wachen begleitet, doch ihnen folgt noch eine weitere Person, nämlich die Hexe Karmayna, sie scheint stark konzentriert und murmelt vor sich hin, während sie mit den Fingern eine langen Kette mit Runensteinen entlang fährt. Wahrscheinlich schließt sie damit die Magie der Angeklagten weg und verhinderte einen möglichen Zwischenfall.
Tuuli kommt nun auch vor uns zum Stehen und mein Vater spricht erneut: "Hexe Tuuli, Mutter von Härbör, Ihnen wird vorgeworfen mehrfach Magie in böser Absichten zu nutzen, Königin Freya getötet zuhaben, die Königsfamilie zweimal angegriffen und gegen das Volk der Wandler Krieg geführt zuhaben. Was haben sie dazu zusagen". Doch auch dieses Mal schweigt der Feind, kein Ton kommt über ihre Lippen und sie starrt uns nur wütend zu Boden. Dann tritt Karmayna vor und spricht: "Ich habe einen Vorschlag für ihr Urteil, da wir bereits Ihre gnädige Variante versucht haben König, gibt es eine traditionelle Vorgehensweise unter Hexen. Jene, welche die Magie zum Bösen nutzen und Leben damit nehmen oder schaden, werden in die ewige Verdammnis geschickt". Plötzlich entgleiten Tuuli die Gesichtszüge und sie schaut erschrocken zu Karmayna. In diesem Moment tat sie mir irgendwie leid, ich weiß nicht was es mit dieser Verdammnis auf sich hatte, doch wenn sogar die verrückte Drahtzieherin Angst bekommt, kann es nichts Gutes sein.
Nachdenklich gibt mein Vater von sich: "Ich weiß nicht, dass scheint mir doch etwas grausam". Doch da unterbricht einer der Parlamentarier ihn und spricht: "Mit höchstem Respekt König, doch diese Frau hat uns zwei Mal angegriffen und hat viele Tode auf ihrem Gewissen, noch dazu hatte sie bereits ihr Chance". Mein Vater nickt grübelnd und stimmt schließlich zu: "Wenn das restliche Parlament der gleichen Meinung ist, werde ich dem nicht im Wege stehen". Von den Ältesten kommt zustimmendes Nicken und ich höre das tiefen Seufzen meines Vaters, dann nickt er und spricht das Urteil: "Die Hexe Tuuli wird unter der Aufsicht des großen Hexenzirkels und mit der Macht der Natur in die ewige Gründe geschickt. Sie wird ihre restliche Lebenszeit im vollkommenen Nichts vegetieren und all ihre biologischen, wie auch magischen Kräfte verlieren". Sobald Rayloy zu Ende gesprochen hat, entsteht ein schwarzer Rauch, welcher sich langsam im Raum ausbreitet. Bald hat er alles und jeden verschlungen und nimmt mir jegliche Sicht auf meine Umgebung. Doch so schnell, wie er gekommen war, so verschwindet er auch wieder. Doch nun steht eine weitere Person mit im Saal, eine junge Frau mit blonden Haaren, so strahlend wie die Sonne selbst. Sie blickt hoch zu uns und macht einen leichten Knicks, dann beginnt sie zusprechen: "Eure Majestät, es ist eine Freude sie wieder zusehen. Kronprinzessin, mein Name ist Kalinda und ich bin die Hexenmeisterin dieses Jahrtausends, schön dass sie den Weg in unsere Welt gefunden haben". Verwirrte nicke ich zu, verstehe nur langsam was hier gerade passierte. Dann dreht sich die Hexenmeisterin zu Tuuli und stemmt vorwurfsvoll ihre Hände in die Hüfte, dann spricht sie: " Na, wenn haben wir denn da. Tuuli, Hexe der Geistesverwirrung". Kalinda geht näher an die Angeklagte heran und hebt schließlich ihre Hand, welche sie sanft auf die Stirn der Gegenüberstehenden legt. Plötzlich entfacht ein grelles und heißes Licht zwischen der Handfläche und der Stirn. Tuuli schreit gequält auf und ich verziehe bemitleidend mein Gesicht, denn das sah sehr schmerzhaft aus. Als Kalinda ihren Arm wieder sinken lässt, steht Tuuli nur noch schwankend vor ihr, mit einer dreieckigen Brandwunde auf der Stirn, welche noch leicht raucht. Doch das scheint Kalinda nicht zu stören, sie streckt ihre Hand zu Karmayna, welche ihr ihre Runenkette zuschmeißt. Mit Leichtigkeit fängt die Hexenmeisterin diese und von einem Moment auf den Anderen sind die Meisterin und Tuuli verschwunden. Ich bin noch immer etwas geschockt, was eben passiert war, doch eine unglaubliche Erleichterung durchflutet mich, als ich verstehe, dass Tuuli nun keine Gefahr mehr darstellt.

1410 Wörter ✔

The legends of tomorrowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt