Kapitel 70

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Lucas by MusicalGirl200

Außer mir vor Wut lief ich immer weiter und weiter. Wie hatte mir Noah das nur so lange verschweigen können? Ich war enttäuscht und verletzt. Er war doch wie ein Bruder für mich und dann verheimlichte er mir so etwas Großes, dass er mit einer Hexe zusammen war, die offensichtlich keine Kontrolle über ihre Kräfte hatte. Ich hatte ihm sogar damals anvertraut, dass ich ein Werwolf geworden war, ich hatte ihn über die Welt des Übernatürlichem aufgeklärt und ich hatte ihm auch damals alles über Serafina gesagt. Nie hatte ich ihm etwas verschwiegen.

Als ich schließlich in der Stadt ankam, drosselte ich mein Tempo und streifte durch die Straßen mit gesenktem Kopf. Ich brauchte jetzt einfach diesen Abstand. Ich hatte es in dem Schloss nicht mehr ausgehalten. Wäre ich dort geblieben, hätte es vielleicht noch viel schlimmer ausgehen können und auch das hatte ich verhindern wollen. Ich würde schon wieder zurückkommen, schon alleine wegen Serafina, aber nicht jetzt.

Ich lief immer weiter durch die Straßen, ohne Ziel vor Augen. Ich hörte das Klopfen der Herzen und das Rauschen vom Blut der Menschen. Aber ich schaffte es soweit die Kontrolle zu behalten. Doch dadurch, dass ich so wütend war, wurde mir die Kontrolle deutlich erschwert und so versuchte ich zu den Menschenmassen Abstand zu bekommen und landete in einer Seitenstraße.

Ich atmete tief und aus und schaffte es, dass ich mich ein wenig beruhigte. Ich wollte keinen unschuldigen Menschen anfallen. „Hilfe! Bitte hilft mir jemand!", hörte ich plötzlich eine Stimme rufen. Jemand war in Gefahr! Ich musste einfach nachsehen, woher dieser Ruf herkam und nahm die Spur auf.

Sie führte mich in eine weitere Seitenstraße und plötzlich roch ich auch noch Blut. Mein Gesicht begann sich automatisch zu meinem Hybridengesicht zu verändern und ich konnte nichts dagegen unternehmen. „Hilfe!", hörte ich die Stimme erneut rufen und dann sah ich einen Mann am Boden liegen, von dem auch das Blut zu stammen schien. Hatte sich ein Vampir an ihm zu schaffen gemacht?

Ich musste ihm einfach helfen. Ich konnte ihn doch nicht einfach so liegen lassen und ihn sterben lassen. Wenn er mein Gesicht sah, würde ich ihn manipulieren. Das wäre eine Ausnahme, gegen die auch Serafina nichts haben würde. Ich eilte an seine Seite und kniete mich zu ihm nieder. „Alles wird gut", redete ich auf ihn ein und suchte ihn nach seinen Wunden ab. Aber ich konnte keine finden und mir kam das nun äußerst merkwürdig vor.

Doch als ich erkannte, dass das eine Falle gewesen war, war es bereits zu spät. Ich hörte einen Schuss und spürte dann einen brennenden, stechenden Schmerz in meinem Rücken. Ich erstarrte. Jemand hatte eine Kugel auf mich abgeschossen und irgendetwas verhinderte, dass ich meine Kräfte einsetzte. Es musste Mondkraut an dieser Kugel gewesen sein. Ich spürte wie meine Beine nachgaben und ich ging zu Boden. Die Sicht vor meinen Augen verschwamm immer mehr. Ich konnte noch wage Gestalten vor mir erkennen und dann wurde alles schwarz.

Als ich wieder zu mir kam, fühlte ich mich immer noch geschwächt und völlig benebelt. Ganz langsam öffnete ich meine Augen und es dauerte einige Momente, bis meine Sicht wieder klarer wurde. Ich stellte fest, dass ich mit meinen Armen von der Decke gefesselt war. Ich war Oberkörperfrei und in meinem rechten Arm steckte eine Nadel mit einem Schlauch, wodurch mir mein Blut abgezapft wurde. Ich versuchte meine Fesseln zu lösen, doch ich war viel zu schwach und meine Handgelenke brannten an den Eisenketten, die mich festhielten. Sie mussten ebenfalls in Mondkraut getränkt sein.

Ich versuchte mich umzusehen. Wo war ich hier nur? Es wirkte hier wie ein Art Keller oder Kerker? Ich hatte keine Ahnung. Ich wusste nur, dass ich hier weg wollte, aber keine Kraft dazu hatte. Ich fühlte mich so fertig. Ich war durch das Mondkraut geschwächt und mir fehlte eine Menge Blut im Körper. Wer hatte mich mir entführt? Waren das Jäger gewesen? Ich nahm das mal schwer an.

Aber warum hatten sie mich entführt? Warum hatten sie mich nicht gleich getötet? Was brachte ich ihnen denn als ihr Gefangener und was wollten sie mit meinem Blut? Ich Dummkopf hätte besser aufpassen sollen. Hätte ich das getan, wäre ich nicht in ihre Falle gelaufen. Ich schämte mich für meine Dummheit. Serafina und all meine Freunde waren bestimmt krank vor Sorge. Ich wollte mir gar nicht erst ausmalen, was Serafina gerade durchmachte, falls sie überhaupt schon bemerkt hatte, dass ich entführt worden war. Sie hatte schon ihre Mutter und ihre Brüder an Jäger verloren und nun mich auch noch.

Wie lange war ich überhaupt schon hier? Aber im Endeffekt war das auch egal. Es war nur wichtig, dass ich hier irgendwie rauskam und zurück zu meinem Mädchen kam. Doch wie? Ich würde alles dafür tun, um zu ihr zurückzukommen, aber im Moment war ich zu schwach dafür. Trotzdem musste ich kämpfen, dass ich das hier überlebte, was auch immer die hier mit mir vor hatten. Ich würde nicht klein bei geben.

Ich zog so kräftig ich konnte an den Ketten, doch wieder vergebens und ich spürte, wie ich dadurch nur noch müder wurde. Ich wollte am liebsten einfach nur wieder die Augen schließen und schlafen. Eine einzelne Träne bahnte sich den Weg über mein Gesicht. Wäre ich nicht einfach so wütend vor den Problemen weggelaufen, wäre das alles nicht passiert. Dann würde ich jetzt bei meiner Familie sitzen und nicht hier angekettet und wehrlos hängen. Ich würde bei meinem süßen Mädchen sein.

„Oh Serafina, es tut mir so leid", flüsterte ich leise und ließ meinen Kopf hängen. Hatte ich überhaupt wirklich eine Chance hier lebend heraus zu kommen? Wahrscheinlich eher nicht, aber ich musste für sie daran glauben. Sie hatte zu mir immer gesagt, dass ich stark wäre und das wollte ich auch sein, auch wenn ich mich gerade mehr als schwach fühlte.

Plötzlich hörte ich Schritte. Es wirkte, als würde jemand Treppen hinunter steigen. Dann hörte ich auch schmerzerfüllte Schreie und ich bekam langsam Panik, was sie mit mir vor hatten. Mein Gehör schien noch einwandfrei zu funktionieren. Ich schluckte und sah mich panisch um, als ich Licht erspähen konnte, dass durch die Tür nur ganz leicht hineinschien. Vor der Tür zu mir hielten die Schritte plötzlich inne. Verzweifelt riss ich wieder an den Ketten, auch wenn es nichts brachte.

Plötzlich ging die Tür auf und zwei Männer komplett in schwarz gekleidet, kamen auf mich zu. Ein hämisches Grinsen war in ihren Gesichtern zu sehen. Es bereitete ihnen Freude mich so verängstigt und wehrlos zu sehen und nun wusste ich sicher, dass mich Jäger gefangen genommen hatten. Das war überhaupt nicht gut. „Sehr schön. Du bist endlich wieder wach. Dann können wir ja beginnen", sagte der Eine erfreut. Ich riss die Augen auf. „Womit beginnen?", fragte ich heiser nach. Mein Hals fühlte sich so trocken an. Ich brauchte Blut.

Der andere Jäger lachte. „Na mit den Experimenten. Einen Hybriden hatten wir schließlich noch nie und jetzt schlaf wieder", entgegnete er und jagte mir eine Spritze in die Hüfte. Experimente? Doch ich konnte nicht weiter darüber nachdenken, da das Mondkraut bereits seine Wirkung entfaltete. Ich wurde noch müder, als ich sowieso schon war und dann war ich wieder vollkommen weg. Nur noch das Lachen der Jäger hallte immer wieder in meinem Kopf wieder. Ich war dem Tode geweiht.

Cursed Beings - Lost SoulsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt