Kapitel 1

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Rosa ließ sich auf das Sofa neben Delphie plumpsen und pustete eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Also eins sage ich dir, ich heirate garantiert niemals!" Delphie fing an zu lachen. „Das sagst du jetzt, geliebte zukünftige Schwägerin." Ja, Rosa würde demnächst die Schwägerin von ihrer besten Freundin Delphine werden. Sie und Sascha waren jetzt schon fast drei Jahre zusammen. „Ich hätte echt nicht gedacht, dass heiraten so anstrengend ist, als mein lieber Bruder das Haus voll gesprayt hat. Warum hast du nicht einfach nein gesagt?" Delphie schüttelte empört ihren Kopf und ihre lockigen Haare hüpften dabei lustig. „Spinnst du, ich liebe deinen Bruder." Ja okay, das war Rosa schon lange klar. Und anders herum sah es ja auch nicht anders aus. Ihr Bruder Sascha war das wandelnde Glück auf zwei Füßen, seit er mit ihrer Freundin zusammengekommen war. Obwohl wandelnd traf es zumindest seit dem Heiratsantrag vor ein paar Monaten nicht wirklich. Seitdem traf wohl eher das schwebende Glück auf zwei Füßen auf ihn zu. Ein Wunder, dass er überhaupt noch Fußballspielen konnte, so wie er schwebte. Rosa kicherte bei dem Gedanken. „Was ist so lustig?" Delphie schaute sie irritiert an. „Dass ihr zwei so glücklich seid, dass ihr einen halben Meter über dem Boden schwebt." Delphies Gesicht verzog sich zu einem zufriedenen Grinsen. „Wie könnte ich nicht zufrieden und glücklich sein. Sascha hat mich schließlich mit dem süßesten aller Heiratsanträge gefragt, ob ich seine Frau werden will." „Oh ja, da hat sich mein Bruder, der alte Romantiker echt Mühe gegeben." In Rosas Stimme schwang der Stolz auf ihren Bruder mit. Na ja und vielleicht war sie auch ein klein wenig auf sich selbst stolz, weil sie ihm dabei geholfen hatte. Sie hatten aus einer unglaublichen Zahl an weißen Rosen ein Herz in die Wiese gesteckt. Die Wiese war aber nicht irgendeine, sondern die vor dem Haus, das Sascha für sich und Delphie heimlich gekauft hatte. Manchmal fragte sich Rosa, ob es noch einen weiteren Grund für den Hauskauf gegeben hatte als die Tatsache, dass er eine Fläche benötigte, wo Sascha dann seinen Heiratsantrag vollendet hatte. „Das Herz, das er auf euer Haus gesprayt hat, sah auch gar nicht mehr wie eine Niere aus", kicherte Rosa. Sie hatte zwar nur Fotos vom Erstwerk ihres Bruders gesehen, aber Delphie musste ihn wirklich schon ziemlich geliebt haben, wenn sie sich damals davon hatte überzeugen lassen. Ja, Sascha war wirklich in vielem begabt, aber Kunst zählte nicht dazu. „Das Herz war total perfekt." Delphine griff sofort nach ihrem Handy und schaute total verstrahlt auf ihr Hintergrundbild. „Schade nur, dass wir es nicht für immer an der Fassade lassen können." Sie zog einen Flunsch, der Rosas Bruder wahrscheinlich dazu verleitet hätte doch noch einmal darüber nachzudenken, die Maler zu stoppen. Glücklicherweise war er aber gerade nicht hier, sondern beim Training. „Na ja, ihr hättet schon, aber dann hättet ihr damit rechnen müssen, dass man euer Haus für ein Bordell hält." Delphie grinste breit. „Das gleiche hat Phil auch gesagt. Ach übrigens hat er jetzt zugesagt, mein Trauzeuge zu werden. Ich habe es ja nicht so leicht, wie Sascha, der nur eine Schwester hat." Delphine verzog das Gesicht. „Ich hätte echt nicht gewusst, wen ich von meinen Geschwistern nehmen soll. Irgendwer wäre immer beleidigt." Ja, das konnte sich Rosa gut vorstellen. Selbst Lu, Delphies jüngste Schwester wäre mit ihren zehn Jahren wahrscheinlich beleidigt, obwohl sie vom Alter her noch nicht in Frage käme. So wie Rosa die Kleine kannte, würde sie wohl darauf bestehen, dass die Hochzeit verschoben wurde, bis sie alt genug war, um Trauzeugin zu werden. „Dann ist Phil also meine andere Hälfte?" Der Gedanke gefiel Rosa. Wenn sie als Trauzeugin einige Zeit mit ihm für die Hochzeitsablaufsplanung verbringen musste, dann konnte sie die Möglichkeit gut nutzen, um ihm die ein oder andere Frage zu stellen, die ihr momentan durch den Kopf schwirrte. Genaugenommen, waren das sogar ziemlich viele Fragen, die da munter hin und her flatterten. War das ein Wunder? Nein, eigentlich nicht, denn seit sie die Zusage aus Berlin bekommen hatte, dass sie dort an der Freien Universität Veterinärmedizin studieren konnte, war sie ein echtes Quiz, dem die Antworten fehlten. Klar konnte man eine Menge im Internet recherchieren, aber mit jeder beantworteten Frage, ergab sich wieder eine neue. „Na ja, das Phil die bessere Hälfte von den Trauzeugen ist, bezweifele ich." Delphie schmunzelte. „Ich wäre dir wirklich sehr, sehr dankbar, wenn du ihn ein bisschen im Zaum hältst, damit er sich nicht irgendeinen totalen Blödsinn einfallen lässt." Rosa nickte. Klar, war Phil dafür bekannt, ziemlich über die Stränge zu schlagen. Trotzdem kannte sie ihn eigentlich nur als den verantwortungsvollen Tierarzt, der mit ihrer Stute Dalia gut klar kam, obwohl sie ziemlich speziell und manchmal kapriziös war, wenn es um die Behandlung oder den Hufschmied ging. Was sie von den anderen Storys halten sollte, die in ihrem Freundeskreis kursierten, wusste sie nicht. Ihre beiden Freundinnen Stella und Luna, die ihres Zeichens die jüngeren Schwestern von Phil waren, hielten ihn für den totalen Weiberheld und Aufreißer. Ob das stimmte? Das konnte sie echt nicht einschätzen, besonders Stella übertrieb ja manchmal ganz gerne und Rosa kannte ihn ja wirklich nur im Umgang mit den Pferden. Und bei ihr hatte er noch nie sein Glück versucht. Was sagte das aus? Nicht viel, außer dass sie entweder uninteressant oder wenig sexy war. Ja, das traf auf alle Fälle zu. Sicher gab es zwar Männer, die auf eine Gerte in der Hand einer Frau standen, aber in den wenigsten Fällen hatten sie dann wohl die Vorstellung, dass die Frau in einer Reithose und Gummistiefeln steckte. Und störte Rosa das? Nee, ehrlich gesagt nicht im geringsten, denn ihr Glück schwebte nicht wie ihr Bruder und Delphie auf zwei Beinen durch die Gegend, sondern bewegte sich auf vier festen Hufen auf dem Reitplatz. Nee, für einen Kerl hätte sie momentan gar keine Zeit. Für sie gab es nur ihr kommendes Studium und das Reiten. Das andere hatte noch jede Menge Zeit. Sie war ja mit ihren 19 Jahren noch jung und das ganze Leben lag noch vor ihr.

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt