Kapitel 95

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„Haben sie nicht mehr gesagt?" Delphie schüttelte ihren Kopf und sie biss ihre Kiefer fest zusammen. Ihr Gesichtsausdruck war wie versteinert. Okay, man musste kein Hellseher sein, um zu wissen, dass sie innerlich abgeriegelt hatte, damit sie ihre Emotionen nicht übermannten. „Auch nicht wie schlimm es ist?" Phils Blick fiel zu Rosa. Sie wirkte durcheinander. „Na ein abgebrochener Fingernagel wird es wohl nicht sein, wenn mich die Polizei informiert", quetschte Marshmallow möglichst beherrscht heraus. Sie wandte sich Phil zu. „Sorry, aber ich mache mit dem Sprayen ein anderes Mal weiter. Ich fahre jetzt erst einmal los." „Vergiss es! Du fährst da jetzt ganz bestimmt nicht alleine hin. Ich komme mit!" Rosa war mit ihrem Rollstuhl neben ihre Schwägerin gerollt und griff nach ihrer Hand. Scheinbar hatte sie wohl den ersten Schock überwunden. „Na dann los!" Delphie schnappte sich den Rollstuhl und schob im Turbotempo zur Haustür. Phil musste sich beeilen, um überhaupt hinterherzukommen. Er griff sich auf der Flurkommode schnell seinen Autoschlüssel. „Wartet auf mich! Ich fahre." Delphie blieb kurz stehen und nickte. „Das ist wahrscheinlich besser." Sie schaute auf ihre Hände, die immer noch zitterten. „Nicht nur wahrscheinlich, sondern definitiv", korrigierte er sie. Okay, er verschwieg ihr, dass seine Beine seit dem Anruf auch etwas flau waren, aber mit Sicherheit war er trotzdem fahrfähiger. Er schnappte sich Rosas Rollstuhl und schob ihn zu seinem Wagen. Keine fünf Minuten später fuhren sie bereits Richtung Innenstadt. „Und sie haben dir wirklich nicht mehr gesagt?" Phil warf einen kurzen Seitenblick zum Beifahrersitz, wo Rosa saß und auf ihrer Unterlippe kaute. Für sie rief der Weg ins Krankenhaus mit Sicherheit wieder Erinnerungen an ihren eigenen Unfall wach. Sein Blick wanderte in den Innenspiegel. Marshmallow saß dort kerzengerade und angespannt wie ein Flitzebogen auf dem Rücksitz und schüttelte den Kopf. „Sie haben mir nur gesagt, dass es einen Un...Unfall gab." Sie brauchte scheinbar ihre ganze Kraft, um nicht zusammenzubrechen. Verflucht! Was war da passiert?„Sie haben gesagt, dass sie ihn in die Uniklinik bringen und ich bitte dort hinkommen soll." Das hörte sich nicht nach einem Bagatellschaden mit einem Schleudertrauma an, wo die Polizei nur einen Fahrdienst für die Heimfahrt des Unfallopfers organisierte. Nee, das ließ schon einen größeren Unfall mit einem ziemlichen Personenschaden vermuten. Okay, seine Vermutung und sein mieses Bauchgefühl musste er ja nicht mit den beiden Mädels teilen. Sie waren auch so schon besorgt genug. Hoffentlich war Benny nicht dabei. Die beiden waren ja öfter zusammen unterwegs. Sein Magen zog sich zusammen und er begann in seinem Kopf zu kramen. Hatte Max heute Dienst? Nee, hatte er nicht. Er hatte ihm ja erzählt, dass er mit den Kiddies am Wochenende nach Bottrop in den Moviepark wollte und ihn sogar gefragt, ob er Lust hatte mitzukommen. Mist, verfluchter! Ein Anruf bei ihm hätte sonst garantiert Licht ins Dunkel gebracht. Anruf! Er tippte auf dem Display durch die Anrufliste und wählte die Nummer seines Bruders. „Hallo Onkel Phil, kommst du doch mit nach Bottrop?", schlug ihm die helle Stimme seiner kleinen Nichte entgegen, die sich vor Begeisterung fast überschlug. „Seid ihr noch gar nicht weg?" Das wäre ja mal super, dann konnte Max sofort in die Klinik kommen. „Nein, Merlin trödelt so!" Er konnte sich bildhaft vorstellen, wie die Kleine ihr Gesicht missbilligend verzog. Das hatte sie von ihrem Vater geerbt. Ja, sein Zwilling zeigte auch sehr deutlich, wenn ihm etwas missfiel. „Kannst du mir mal bitte Papa geben." Der würde wahrscheinlich gleich den gleichen Gesichtsausdruck wie seine Tochter haben, wenn Phil seine Bitte losgeworden war. Er wusste ja, wie Max die Ausflüge mit seinen Kindern liebte. Und es würde ihm sicher nicht gefallen den heutigen zu verschieben. Na ja und seine Nichte hätte garantiert auch den gleichen Gesichtsausdruck, wenn der Ausflug ausfiel und würde ihren Onkel hassen. Aber damit musste er dann wohl leben. Ihm würde schon etwas einfallen, womit er sie ihm gegenüber wieder milde stimmen konnte. „Papa! Onkel Phil will dich sprechen." Er hörte ein leises Rascheln. „Hallo, was gibt's? Hast du es dir doch noch überlegt und willst die drei Monster unterstützen und mich in den Wahnsinn treiben?" Na die gute Laune, die aus Max Stimme sprühte, würde ihm wahrscheinlich gleich vergehen. „Würde ich gerne, aber es gibt eine Planänderung." Im Hintergrund hörte er drei Kinderstimmen diskutieren. Sie versuchten ihrem Vater wohl klar zu machen, dass sie entweder keine Monster waren oder aber noch viel schlimmer als Monster. Das letzte Argument kam, wenn ihn nicht alles täuschte mit einem furchterregenden Knurren von Merlin. Auf den Kleinen könnte das durchaus zutreffen. Phil erkannte sich manchmal ein wenig in dem Zwerg wieder. Wenn die Situation gerade nicht so ernst wäre, hätte er wahrscheinlich über das Ganze geschmunzelt. So blieb er aber ernst. „Der Ausflug muss leider ausfallen", wandte er sich an seinen Bruder. „Was ist passiert?" Er hatte Max volle Aufmerksamkeit. Das war typisch, dass nur diese kurze Frage von ihm kam. Phil erzählte ihm, was bis jetzt bekannt war. „Alles klar! Ich fahre sofort los und rufe von unterwegs schon einmal in der Notaufnahme an. Vielleicht wissen meine Kollegen schon mehr. Sowie ich etwas erfahre, melde ich mich wieder bei dir." „Das wäre cool. Und ein dickes Sorry an die Kids. Ich mache das auch wieder gut." „Kein Ding. Leo ist ja auch noch da und sie kennen das ja mit meinem Job. Wir treffen uns dann gleich in der Klinik." Damit war das Gespräch beendet. Phil sollte sich irgendetwas Bahnbrechendes für seine Neffen und Nichte als Entschädigung einfallen lassen. Schließlich war er doch der coole Onkel. Das war der perfekte Job für ihn. Wenig Verantwortung und jede Menge Spaß. Zum Nachdenken hatte er aber nachher noch genug Zeit.„Ihr habt es gehört, Max erkundigt sich und kommt in die Klinik. Es kann also nichts schief gehen." Die beiden Mädels in seinem Auto nickten nur wortlos. Er hatte den Eindruck, dass sie durchaus etwas erleichtert waren. Jetzt hieß es aber flott ins Krankenhaus kommen. Er trat das Gaspedal etwas stärker durch.

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt