Kapitel 146

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Rosa lief den kleinen Kieselweg entlang. Nado lief ein Stück vor ihr und beschnüffelte eine flache Steinmauer intensiv. Scheinbar hatte ihm da wohl ein anderer Hund eine umfangreiche Nachricht hinterlassen. Sie blieb stehen und schmunzelte. Ja, der Kleine sah wirklich so nachdenklich aus wie Alfonso, wenn er die Zeitung las. Was das wohl für eine Nachricht war? Hoffentlich eine gute. Rosa setzte sich wieder in Bewegung. Mittlerweile nahm sie nur noch eine Gehhilfe zur Sicherheit, falls sie doch noch irgendwie stolperte. Ja, sie konnte sich schon fast wieder ganz normal bewegen. Davon hatte sie vor ein paar Monaten nicht einmal zu träumen gewagt. Vor ein paar Monaten! Sofort wanderten ihre Gedanken in diese finstere Zeit zurück und das Schmunzeln war aus ihrem Gesicht verschwunden. Damals hatte sie sich aufgegeben. Und dann war Phil mit dem Plan aufgekreuzt, dass sie bei ihm einzog. Er hatte sie im Grunde auch durch das Therapiereiten und das Arbeiten in der Praxis dazu gezwungen, wieder nach vorne zu schauen und sich nicht hängen zu lassen. Ja, sie hatte ihr Leben wieder in Angriff genommen und sich in ihn verliebt. Und was brachte ihr das jetzt? Nichts! Sie konnte sich zwar normal bewegen, aber ihr Herz war zerfetzt. Und das alles nur, weil er total verbohrt war. Wieso konnte er sie nicht einfach für voll nehmen und ihre Entscheidung für ihn akzeptieren? Ja, jeder, der liebt, würde sich doch darüber freuen, wenn er auch geliebt wurde. Aber vielleicht lag da ja auch ihr Denkfehler. Sie schluckte. Ja, das wäre durchaus möglich, schließlich hatte er ihr auf die Nachricht, die sie ihm zurückgelassen hatte, nur mit geht in Ordnung geantwortet. Da hatte sie irgendwie auf mehr gehofft. Ja, das war es wohl mit den Hoffnungen. Rosa-Marias Plan schien nicht zu funktionieren. Wen wunderte es auch, schließlich war er ziemlich impulsiv entstanden. Ja, nachdem sie ihrer Patentante und Alfonso erzählt hatte, was Phil ihr im Reitstall an den Kopf geknallt hatte, wurden in Windeseile alle Sachen zusammengepackt und ehe Rosa überhaupt noch einmal hatte nachdenken können, hatte sie schon zusammen mit den beiden und Nado in einem Privatflugzeug gesessen, dass Alfonsos Firma, die jetzt sein Sohn leitete, gehörte und war in Richtung Mallorca unterwegs gewesen. Das war jetzt drei Tage her. Zu Rosa-Marias Plan gehörte ja der Ansatz, dass Phil merken würde, was er an ihr hatte und sie vermisste. Blöderweise schien das nicht wirklich der Fall zu sein, sonst wäre ja wohl mehr gekommen, als geht in Ordnung. Okay, vielleicht war es auch einfach ihrer Nachricht geschuldet. Sie hatte ihm geschrieben, dass sie mit sofortiger Wirkung ihren Resturlaub nahm und ab Neujahr drei Wochen neuen Urlaub. Das konnte man schon vor vollendete Tatsachen stellen nennen und es bot nicht wirklich viel Austauschmöglichkeiten. Vielleicht hätte sie doch noch ein paar persönlichere Zeilen hinzufügen sollen. Nein, hätte sie nicht! Phil wollte sie nicht und das hätte nur verzweifelt geklungen. Okay, verzweifelt traf ihren Zustand aber ziemlich gut. Ja, sie war verzweifelt, wütend, enttäuscht und noch so einiges mehr. Aber das nützte ja alles nichts. „Nado, los komm!" Der Hund unterbrach das Schnüffeln und hob seinen Kopf, um sie anzuschauen. Scheinbar schien wenigstens er nicht beschlossen zu haben, dass sie überflüssig in seinem Leben war, und folgte ihr. Okay, zu ihren Gefühlsregungen zählte dann wohl auch noch Selbstmitleid. Das war doch totaler Mist! Sie wollte so nicht sein. Sie schaute kurz zum Himmel hinauf, wo ihr die Sonne entgegen strahlte. Sie hatte ja wohl allen Grund zufrieden zu sein. Wie viele Leute in ihrem Alter hatten schon einen Tag vor Weihnachten die Möglichkeit mit ihrem Hund in der Sonne Mallorcas spazieren zu gehen und den ganzen Tag über verwöhnt zu werden? Ja, Alfonso und Rosa-Maria gaben sich wirklich jede Menge Mühe sie abzulenken. Trotzdem half das nichts. Also kam zu Selbstmitleid auch noch Undankbarkeit hinzu. Na prima! Kein Wunder, dass Phil sie nicht wollte. Sie benahm sich ja wirklich wie eine kleine verwöhnte Prinzessin. Ihr Handy in der Tasche vibrierte. Vielleicht war das ja....warum sollte er? Rosa zog das Teil trotzdem mit einem erhöhten Pulsschlag aus der Tasche. „Hallo Mama! Seid ihr schon am Flughafen?" Ja, Rosas Eltern und ihr Bruder würden heute auch nach Mallorca kommen, damit sie alle zusammen mit Alfonso feiern konnten. Na ja und dann in ein paar Tagen würde es an Silvester auf die Katharina gehen. Ja, dieses Jahr war die Silberhochzeit ihrer Eltern und es würde eine kleine Feier mit einer erneuten Trauzeremonie durch den Kapitän geben. Rosa schluckte. Eigentlich hatte sie bis vor ein paar Tagen noch gehofft, dass Phil und Pippa sie begleiten würden. Die Kleine hätte sich bestimmt gefreut, ihre alte Heimat wiederzusehen. Na ja, vielleicht war es so auch besser und torpedierte ihre Eingewöhnung in Dortmund nicht. „Ja, wir sind noch am Flughafen, aber in Dortmund, Krümel", stöhnte ihre Mutter. „Was? Wieso denn das?" Rosa schaute auf ihre Uhr. Eigentlich hätte der Flieger mit ihrer Familie gerade hier gelandet sein sollen. „Weil Frau Holle verrückt spielt und der Meinung zu sein scheint, ihr komplettes Bettzeug über dem Ruhrgebiet auszuschütteln." „Was, es schneit bei euch? Hier sind fast zwanzig Grad." Manno, wie gerne wäre Rosa jetzt da und würde die fallenden Schneeflocken begeistert bejubeln. „Streu nicht noch mehr Salz in die Wunde." Okay, ihre Mutter war kein wirklicher Schneefan. Sie mochte mehr das mediterrane Wetter. „Jedenfalls geht unser Flieger heute nicht mehr. Wir sind auf morgen vertröstet worden. Da soll es wohl aufhören. Also drück uns die Daumen, dass wir morgen dieser Schnee- und Eishölle entfliehen können." Da dramatisierte ihre Mutter wohl ein wenig. „Hab dich lieb, Krümel. Ich melde mich dann morgen vom Flughafen oder wann immer wir etwas Neues erfahren." „Mach das. Hab dich auch lieb, Mama." Rosa stopfte ihr Handy wieder in ihre Tasche und ihre Gedanken wanderten. Schnee in Dortmund. Wie das Pippa wohl gefiel?

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt