Irgendwie war die Fahrt heute wie im Flug vergangen. Okay, Rosa war die ganze Zeit in Gedanken gewesen. Nicht allzu schönen Gedanken. Wie sollte es auch anders sein. Seit ihrem Unfall gab es da ja wenig Positives über das sie sich den Kopf zerbrechen konnte . Und diese Krankentransporter waren ja nur praktisch ausgestattet, das hieß ohne Fenster nur mit irgendwelchen Aufbewahrungsmöglichkeiten. Da konnte es scheinbar passieren, dass man sein Zeitgefühl verlor. Na ja, wozu brauchten das auch Menschen, die so einen Krankentransport nutzten. Sie hatten sowieso keine wichtigen Termine mehr. Rosa hörte das Rollgeräusch der Seitentür und machte sich bereit für das Begrüßungskommando, das mit Sicherheit wieder aus einem kräftigen Krankenpfleger bestand, der sie mit ihrem Rollstuhl in ihr Zimmer bringen würde. Der Unterschied zu ihrer letzten Ankunft hier war nur, dass sie mittlerweile einen eigenen und keinen Leihrollstuhl mehr besaß. Die Tatsache sagte doch schon alles. Ob sie wohl wieder das gleiche Zimmer mit dem Ausblick auf die Blumenbeete bekam? Ob die Blumen dort schon verblüht waren und in der Zwischenzeit eine Herbstbepflanzung stattgefunden hatte? Interessierte das Rosa wirklich? Eigentlich nicht, aber was gab es denn sonst noch für sie, was wichtig für sie war? Genau, nichts!
„Phil! Nado! Was macht ihr denn hier?" Rosa riss erstaunt die Augen auf, als auf der anderen Seite der Tür statt des Krankenpflegers Phil mit dem kleinen Findelhund auftauchte. Wieso war er hier? Und wieso hatte er den kleinen Findling noch nicht an eine tolle Familie vermittelt, so wie sie es ihm aufgetragen hatte? Das gab doch bestimmt gleich Ärger mit den Leuten vom Heim, wenn er hier mit einem Hund auftauchte. Der Krankentransportfahrer fuhr die Rampe aus, um ihren Rollstuhl aus dem Wagen zu bekommen. Rosa konnte ihren Blick immer noch nicht von Phil lösen, der ihr noch eine Antwort schuldig war. Der Hund auf seinem Arm zappelte wild und fiepte. Scheinbar hatte wohl selbst er andere Pläne als Rosa hier im Sauerland zu begrüßen. Verübeln konnte man es ihm nicht. Wahrscheinlich hieß das Sauerland so, weil hier jeder sauer wurde, schoss es ihr durch den Kopf und sie konnte ein leichtes Grinsen bei dem Gedanken nicht unterdrücken. „Siehst du, dein Frauchen freut sich, dich zu sehen." Oh, dann hatte Phil ihr Lächeln wohl falsch gedeutet. Und was hieß hier Frauchen? Das war noch eine Frage mehr. „Was macht ihr denn hier? Und was heißt hier Frauchen?" Wiederholte sie ihre offene Frage und stockte gleich noch auf, während sie aus dem Transport gerollt wurde. „Na, wir wohnen hier und du bist doch Nados Frauchen." Wir wohnen hier? Wieso sollte Phil in die Rehaklinik......Rosas Blick wanderte in die Umgebung. Das.....das war nicht die Rehaklinik im Sauerland! Das.....das war Phils Tierklinik. Rosa schüttelte kurz ihren Kopf. „Hast du den Krankentransport entführt?", war alles, was ihr dazu einfiel. Phil zuzutrauen war es. „Hallo Krümel!" Rosas Vater war hinter Phil aufgetaucht. Genau wie ihre Mutter, Delphine, ihr Bruder, Alfonso, Benny, ihre Tante Vicky und noch ein paar andere. Was machten die denn alle hier? Wollten sie sich an ihrem Leid ergötzen und der Weg ins Sauerland war ihnen zu weit, so dass sie hier Zwischenstation machte? Das war ja Quatsch, schollt sie sich selbst. Die Leute, die da standen, waren ihr alle wohl gesonnen und würden sich niemals an ihrem Unglück erfreuen. Nein, dieser Gedanke war total ausgeschlossener Blödsinn. Aber was machten sie dann hier? Und wieso fuhr man sie nicht auf direktem Weg ins Sauerland? Tante Vicky übernahm den Rollstuhl mit einem Lächeln. „Danke, dass sie unseren Schatz wohl behütet hier abgeliefert haben", bedankte sich ihre Mutter bei dem Fahrer und drückte ihm etwas in die Hand, für das er sich ebenfalls bedankte, ehe er die Rampe wieder einfuhr und in den Wagen stieg. Hallo! Wo wollte der ohne sie hin? „Kann mir jetzt bitte mal jemand erklären...." Ehe Rosa ihren Satz vollendet hatte, war Vicky bereits mit ihr losgeschoben und vor ihr tat sich Phils Haus auf. Was war das da für ein riesiger Banner? So wie er aussah, hatte ihn wohl Delphie gesprayt. Ja, das konnte ihre Schwägerin wirklich gut. In großen Buchstaben stand darauf Herzlich willkommen zu Hause. Das war schon eine eigenartige Begrüßung für seine Patienten. Rosa konnte sich nicht vorstellen, dass das Sinn machte. Aber was wusste sie schon davon. Ihre Augen glitten weiter über das Transparent und weiteten sich überrascht. Da stand ihr Name neben einer wirklich hübschen Graffiti- Rose. „Was hat das zu bedeuten?" Sie deutete mit ihrer Hand auf den Banner vor ihr. „Überraschung!" scholl es ihr mehrstimmig entgegen und allgemeines Gelächter setzte ein. Okay, es war ja toll, wenn sich alle freuten und das Wort Überraschung passte ziemlich gut zu ihrer Stimmungslage. Genau wie das Wort Fragezeichen, denn davon hatte sie ein ziemlich großes im Kopf. Und ehrlich gesagt beantwortete das Wort Überraschung nicht im geringsten ihre Frage. „Ach mein kleiner Krümel, ich bin so glücklich, dass du ab jetzt hier wohnst und nicht ins Sauerland musst. Da haben wir dich endlich wieder in unserer Nähe." Rosas Mutter hatte sich neben ihren Rollstuhl gekniet und tätschelte ihr mit tränenglitzernden Augen die Hand. „Ja, Krümel. Wir sind Phil so dankbar, dass er uns da unterstützt." „Du musst dann nur an den Gartenzaun kommen und laut rufen, dann sind Del oder ich sofort bei dir." Sascha hatte sich auch vor den Rollstuhl gekniet und strahlte sie begeistert an. Ihr Blick wanderte zu Phil, der immer noch den zappelnden Nado auf dem Arm hatte und sie anlächelte. Was sollte das Ganze bitte?
DU LIEST GERADE
Schuss und Treffer - Eigentor Teil 16 ✔️
أدب المراهقينRosas Leben läuft in perfekten Bahnen. Sie hat gerade ihr Abitur als Schulbeste bestanden. Da bremst sie auch kein Numerus Clausus aus. Ihr Traum vom Veterinärstudium in Berlin ist zum Greifen nahe. Und dann ist da dieser eine Tag, der alles, aber...