Kapitel 42

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Phil saß auf dem Beifahrersitz neben Alfonso, der ihn liebenswürdigerweise vom Flughafen abgeholt hatte, und beobachtete die Landschaft, die an ihm vorbeizog. Eine ähnliche Strecke musste er vor ein paar Wochen auch mit Rosa gefahren sein, als sie Nado gerettet hatten. Ja, irgendwie kam es ihm hier bekannt vor und irgendwie auch nicht. Die leicht rötlichen Steinmauern, die die Felder abgrenzten kannte er auch von Ibiza. Na ja, und wie es sich für eine balearische Insel im Juli gehörte, knallte die Sonne vom strahlend blauen Himmel. Phil streckte seine Beine etwas. Er war es nicht gewohnt so viel zu sitzen. Normalerweise rannte er den ganzen Tag in der Praxis herum und hinterher im Stall. Heute war er aber gleich mittags nach Praxisschluss zum Flughafen geeilt und in den Flieger gesprungen. „Ich habe von Sascha gehört, dass du ihm behilflich warst Rosas Pferd zu verkaufen." Phil spürte den Blick des älteren Spaniers auf sich und wendete sein Gesicht zu ihm. Er schaute ihn streng und durchdringend an. Was sollte er davon halten? „Ja." Wenn er die Antwort kurz hielt, konnte er sich nicht irgendwie verquatschen. Schließlich war Alfonso so etwas wie Saschas Großvater, der mit Sicherheit kein Verständnis dafür hätte, dass Phil ihn sozusagen hintergangen hatte. „Wie konntet ihr nur!" Alfonso schüttelte empört seinen Kopf und schlug mit seiner flachen Hand auf das Lenkrad. Das Auto machte einen leichten Schlenker. „Dieses Pferd ist Rosas ein und alles. Wie soll sie sich fühlen, wenn sie aus dem Krankenhaus kommt und das Pferd ist weg? Habt ihr darüber überhaupt einmal nachgedacht?" Das waren ja auch genau Phils Gedanken gewesen, trotzdem musste er dicht halten und konnte sich nicht wehren. Er konnte ja Alfonso nicht einfach erzählen, was er da gedreht hatte. Der würde es sonst garantiert Sascha erzählen und dann.... „Es war Saschas Entscheidung. Er war der offizielle Besitzer von Dalia." Ja, er hatte sie zwar eigentlich Rosa geschenkt, aber scheinbar war sie immer noch unter seinem Namen registriert gewesen und er hatte auch die ganzen Kosten dafür getragen. „Und du bist sowohl sein als auch Rosas Freund. Du hättest ihn von dieser....wie sagt man....Cognac-Idee abbringen müssen." „Schnaps", korrigierte Phil. „Schnaps?" Alfonso schaute ihn irritiert an. „Ja, Schnapsidee, nicht Cognac." Alfonso winkte mit der Hand ab. „Mir doch egal, welches Gesöff der Grund für solch eine dumme Entscheidung ist. Du hättest als guter Freund das im Sinne beider verhindern müssen. Ich hätte wirklich mehr von dir erwartet, schließlich bist du doch auch Reiter und müsstest verstehen, was das für Rosa bedeutet." Okay, irgendwann war auch genug mit diesen Vorwürfen. „Ich habe mich geweigert Dalia einzuschläfern. Das hat dieser durchgedrehte, völlig überreagierende Knallkopf nämlich eigentlich von mir verlangt", verteidigte sich Phil. „Und ich habe dafür gesorgt, dass Dalia einen vernünftigen Käufer findet." „Und das heißt jetzt, dass sie zwar einen guten neuen Halter hat, aber für Rosa trotzdem nicht mehr vorhanden ist. Das arme Mädchen. Wie konntest du nur." Alfonsos Augen durchbohrten ihn immer noch unzufrieden. „Manno!" Phil fuhr sich mit seiner Hand durch den Nacken. „Mein Bruder hat das Pferd gekauft. Wenn Rosa wieder fit ist, will er es ihr schenken, damit es dann auch wirklich ihr gehört", platzte es aus Phil heraus. Er war doch kein Idiot, der Rosa schaden wollte. Das sollte dieser Alfonso ruhig wissen. Und wenn er ihn Sascha hinhängt, dann war das eben Pech. Es wäre zwar schade ihn als Freund zu verlieren, aber hätte Phil sich anders entschieden und das Pferd an irgendwen vermittelt, hätte er schon einen Vollbart, weil er sich nie wieder hätte rasieren können. Nee, er hätte den Blick in den Spiegel nicht mehr ertragen. „Muy bien!" Der Spanier klopfte ihm lächelnd auf die Schulter und wieder machte das Auto einen kleinen Schlenker. Also für Phils Nervenkostüm wäre es besser, wenn er keine kleineren Gefühlsausbrüche mehr hatte und sich lieber auf das Autofahren konzentrierte. „Dann habe ich mich doch nicht so in dir getäuscht." Der alte Mann strahlte ihn an. „Du hättest mich auch fragen können. Ich hätte das Pferd auch gekauft. Es ist wichtig, dass es auf Rosa wartet, damit sie wieder ein Ziel hat. Wollen wir sie gleich einmal anrufen und ihr die frohe Kunde überbringen?" Alfonso wartete Phils Antwort gar nicht erst ab und tippte bereits auf dem Display herum. „Hallo", erscholl kurze Zeit später Rosas Stimme. Sie wirkt irgendwie kraftlos. „Hallo Rosa, mein kleiner Engel. Ich habe hier Phil neben mir sitzen." „Hallo", meldete er sich auch zu Wort. „Ich bin gerade auf Mallorca, um Nado abzuholen. Wir kommen dich dann nächste Woche besuchen." Vielleicht gab ihr das ja auch einen kleinen Motivationsschub. „Mhm" Was war das denn für eine Antwort? Sie hatte sich für den Kleinen fast zerrissen und jetzt schien es sie nicht einmal zu interessieren, dass er bald bei ihr war. Phil schlug sich mit der Hand vor die Stirn. Ja klar, sie war traurig, dass sie ihn nicht gleich zu sich nehmen konnte. Der Hund war in dieser Rehaklinik garantiert nicht erlaubt. Ein echter Blödsinn. Gerade dort wären Tiere als Seelentröster die besten Heilmittel. „Wir haben noch eine Überraschung für dich", setzte der ältere Spanier an. „Das ich einen Rollstuhl mit Elektroantrieb bekomme und nicht auch noch extra meine Arme trainieren muss?" Rosas Stimme klang zynisch und Phil nahm das leichte Zusammenzucken von Alfonso wahr. „Ich muss dann jetzt auch Schluss machen. Gleich gibt es Abendbrot und dann geht es für die Krüppel ins Bett." Mit den Worten war das Gespräch beendet. Alfonso schüttelte betroffen den Kopf. „Das Mädchen ist total von der Rolle und dieser Blödsinn von Sascha hat das nur noch verschlimmert. Am liebsten würde ich sie einfach mal wieder in den Arm nehmen und ihr sagen, dass alles wieder gut wird." „Warum tust du es dann nicht?" Ja, ein Besuch von Alfonso wäre bestimmt positiv für Rosas Gefühlsleben. „Warum fliegst du nicht mit mir zurück nach Dortmund. Ich habe meine beiden Nachbarsitze sowieso gebucht." Alfonso schaute ihn überrascht an und ein Grinsen bahnte sich einen Weg in sein Gesicht. „Ja! Ich fliege Sonntag mit dir nach Deutschland, wenn du mich mitnimmst. Dann kann ich mich um Rosa kümmern und mal ein ernstes Gespräch mit Sascha führen." Ja, das wäre beides wohl nicht verkehrt.

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt