Kapitel 53

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„Dein Frauchen sah gestern ziemlich deprimiert aus." Phil beugte sich zu dem Welpen zu seinen Füßen und kraulte ihm den Kopf. Nados Augen schauten ihn zufrieden an. Diese Augen mussten auch bei Rosa etwas bewirken, wenn sie erst einmal hier wohnen würde. Ja, denen konnte sich einfach kein Herz wiedersetzen, so treu und liebevoll wie sie schauten. „Ich setze ganz fest auf dich und deinen ganz besonderen Charme. Du musst sie da aus ihrem Loch herausholen." Phil war sich sicher, dass es mit Rosa viel schneller wieder aufwärts ging, wenn sie erst einmal bei ihm wohnte und sich nicht mehr in einer sterilen Krankenhausumgebung befand. So mitten im realen Leben würden auch ihre Lebensgeister wieder geweckt. Das war doch klar, da hatte sie einen viel größeren Anreiz auch wieder in ihr altes Leben zurückzukehren. Und aus einem Anreiz wurde dann Ehrgeiz. So funktionierte nun einmal der Mensch. Natürlich hatte ihn die Idee, dass sie bei ihm mit einzog erst etwas überrascht, aber es war nur logisch schlüssig, besonders so lange Alfonso und Rosa-Maria bei ihm wohnten. Er hatte nun einmal alles barrierefrei und außerdem auch den meisten Platz, so dass es für jeden auch einen gewissen persönlichen Freiraum gab, in den er sich zurückziehen konnte. Außerdem war es auch nicht zu verachten, dass auch Sascha und Marshmallow dann für Rosa in Sicht und Rufweite waren. Einmal zum Zaun und schon war sie bei ihrer Family. Ja, das musste funktionieren, denn der Anblick bei ihrer Ankunft im Krankenhaus hatte ihn ganz schön geschockt. Da war nicht mehr viel übrig von dem taffen und lustigen Mädchen, dass er vor ein paar Wochen kennengelernt hatte, als sie immer zusammen ausgeritten waren. Sie und ihre Dalia, er und sein Salomon. In nicht all zu langer Zeit würden sie das wieder tun. Ja, Max hatte gesagt, dass die OP noch nötig war, um die Wirbelsäule weiter zu stabilisieren und dann die schlussendliche Reha stattfinden konnte. Er war sich sicher, dass Vicky ihre Nichte sehr schnell wieder auf die Beine brachte. Wenn nicht sie, wer dann? Diese persönliche Verbindung würde Rosa mit Sicherheit viel mehr pushen als irgendein fremder Physio irgendwo im Sauerland. Und wenn sie dann erst einmal wieder fit war, würde sie ganz schnell wieder auf ihrer Dalia sitzen. Er ritt die Stute fast täglich. Er nahm dann immer Nado mit in den Stall, damit sie sich schon einmal an ihn gewöhnte. Zum Glück schien wenigstens sie nichts von dem Vorfall mit dem Hund zurückbehalten zu haben, denn er hatte schon ein paar vorsichtige Stresstest mit unterschiedlichen Hunden gemacht. Anfänglich hatte sie nervös herum getänzelt, aber das hatte ganz schnell wieder nachgelassen. Also bestand keinerlei Grund, warum Dalia und Rosa nicht bald wieder das perfekt eingespielte Team sein sollten, dass sie vor dem Unfall waren. Ein wenig Unbehagen machte sich in Phil breit. Er hatte Sascha erst vor kurzem versprochen, dass sie ab jetzt immer offen mit allem umgingen und es keine gutgemeinten Geheimnisse mehr geben würde. Das mit Dalia konnte er ihm aber trotzdem nicht sagen. Nein, Sascha würde sofort wieder durchdrehen und so angespannt wie er momentan drauf war, Dalia zum Schlachter in der Freibank geben. Das musste er unter allen Umständen verhindern. Nicht nur für Dalia und Rosa, sondern auch für Sascha. Seine Schwester würde ihm das nie verzeihen. Abgesehen davon würde ihm Sascha bestimmt in gar nicht so ferner Zeit dankbar sein, dass er das Pferd für ihn behalten hatte. Ja, wenn Rosa wieder fit war und Sascha ihr ihre Dalia als guter Bruder wieder zukommen ließ, dann war er mit Sicherheit ihr Held. Und wenn Phil etwas wusste, dann war es die Tatsache, dass Sascha es liebte, Rosas Held zu sein. Da wäre dann auch ganz schnell vergessen, dass Phil ihm verheimlicht hatte, dass er bei dem Verkauf etwas gedreht hatte. Außerdem war das ja schon vor ihrer Abmachung und Versöhnung passiert und somit eine Altlast, die nur noch nicht zur Sprache gekommen war. Abgesehen davon hatte das Ganze ja auch keine direkte Auswirkung auf Rosas Gesundheitszustand und war dann ein ganz neues Kapitel, wenn wieder alles in Ordnung war. Ja dann war Rosa wieder die fröhliche Reiterin. Dieser kleine kornblumenäugige Engel mit dem Teufelchen auf der Schulter. „Nado, genau dieses Mädchen werde ich wieder aus ihr heraus kitzeln. Und du hilfst mir dabei." Phil grinste. „Das wäre doch gelacht, wenn wir beiden Supertypen das nicht zusammen schaffen." Der kleine Hund leckte mit seiner Zunge über Phils Hand, als wollte er auf diese Weise zustimmen. „So, dann lass uns aber jetzt üben, wie man einen Strumpf vom Fuß zieht." Phil hielt dem Kleinen seinen Fuß hin und animierte ihn an der Socke zu ziehen. „Ja, weiter so, Nado", feuerte er den Welpen an, der vorsichtig den Stoff mit seinem Maul gegriffen hatte. „Feeeeiiiin", lobte er ihn kurze Zeit später als Nados Beute auf dem Boden lag. „Das Leckerli hast du dir als Belohnung verdient." Phil gab dem Hund einen von Rosa-Marias selbstgebackenen Hundekeksen. Sein Telefon, das neben ihm auf dem Tisch lag, klingelte. „Hola José, mi amigo", begrüßte er den Anrufer gut gelaunt. Ja, sie waren auch jetzt noch in Kontakt geblieben und telefonierten einmal wöchentlich. „Wie geht es dir?" „Beschissen, wäre geprahlt." Okay, José hörte sich wirklich ziemlich niedergeschlagen an. „Was ist denn los, mein Großer?" „Du erinnerst dich doch an meine Kommilitonin aus München?" „Du meinst die Mutter von Pippa?" Phil hatte schon öfter von ihr gehört, aber sie noch nie kennengelernt. „Genau. Eigentlich ging es ihr im Moment wieder ziemlich gut und wir hatten ausgemacht, dass sie sich am letzten Oktober Wochenende um die Praxis kümmert. Meine Frau und ich haben da nämlich unseren zehnten Hochzeitstag." Phil kicherte. „Ich muss mir aber nichts dabei denken, dass ihr ausgerechnet an Halloween geheiratet habt." „Manno, wir haben am dreißigsten geheiratet, du Spaßvogel. Wie auch immer, jedenfalls hat sie wieder einen Rückfall und ich stehe jetzt mit meinem Wochenendausflug als Überraschung da. Du weißt nicht durch Zufall einen Tierarzt, der zu Halloween das Wochenende den Notdienst in meiner Praxis übernehmen will?" Phil fing an zu lachen. „Das ist ein ziemlich wenig subtiler Versuch, mich zu fragen, ob ich nicht Ende Oktober für ein Wochenende nach Mallorca kommen möchte. Wo soll es denn überhaupt hingehen?" „Venedig. Damals konnten wir uns das nicht leisten und Marisol hat sich das schon immer gewünscht." Okay, das war echt blöd. Bis Halloween waren es noch zwei Monate. Vielleicht.....in seinem Kopf entwickelte sich eine Idee... „Ich kann dir noch nichts versprechen, aber du solltest die Reise noch nicht stornieren, mi amigo."

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt