Kapitel 28

190 39 10
                                    


Rosa saß auf Dalia, die gemächlich im Schritt lief. Ihr leises Schnauben war kaum zu hören. Genau wie das von Salomon, der neben ihnen lief. Ja, Phil war heute wieder mit ihr ausgeritten. Genaugenommen war er das an jedem der letzten acht Tage. Es war so eine Art Ritual geworden, seit sie aus Mallorca zurückgekehrt waren. Ein sehr schönes Ritual, um ehrlich zu sein. Sie verabredeten sich zwar nie, aber irgendwie tauchte er immer zur gleichen Zeit im Stall auf, wenn sie mit ihrem Reittraining fertig war und noch einen kleinen Ausritt zur Entspannung machen wollte. Und Rosa würde lügen, wenn sie nicht zugab, dass sie auch immer nach ihm Ausschau hielt und vielleicht auch etwas trödelte, wenn er noch nicht ganz pünktlich da war. Warum auch nicht? Phil war einfach ein super Ausreitpartner. Nicht mehr und nicht weniger. Diese Ausritte mit ihm würde sie in Berlin mit Sicherheit vermissen. Hoffentlich fand sie dort schnell einen neuen Reitbuddy. Ja, das würde ihr und Dalia dort die Eingewöhnung mit Sicherheit angenehmer machen. Irgendwie war es das einzige, was sie etwas nervös werden ließ, wenn sie daran dachte. So ein neuer Reitstall bedeutete auch neue Regeln, die dort herrschten. Und sie wollte es sich als Neue ja nicht gleich mit den alteingesessenen Reitern verscherzen. Vielleicht sollte sie Phil noch einmal etwas darüber ausfragen, damit sie nicht in irgendeinen versteckten Fettnapf trampelte. Ja, das wäre eine gute Idee. Da könnte sie ja jetzt gleich einmal die Gelegenheit beim Schopf packen. „Na, noch einen kleinen Galopp zum Stall?" Okay, es würde sich mit Sicherheit auch später noch eine Gelegenheit ergeben. Als Antwort ließ sie Dalia antraben und wechselte dann sofort in den Galopp....
Phil brachte den Sattel von Salomon zurück in die Sattelkammer. Der Ausritt mit Rosa hatte wieder richtig Spaß gemacht. Ja, das war mit ihr so ein bisschen wie früher mit Max. Sie hatten auch oft gemeinsame Ausritte gemacht. Heute hatte sein Bruder dafür aber kaum noch Zeit, schließlich war er Oberarzt im Klinikum und Familienvater von drei kleinen Kindern und einer anspruchsvollen Ehefrau. Ja, seine Schwägerin Leokardia forderte sich durchaus Familienzeit von ihrem Mann ein und hätte wenig Verständnis, wenn er ständig mit seinem Bruder Ausritte machte. Das war auch okay so. Und Rosa war ein echt guter Ersatz. Irgendwie würde er sie echt vermissen, wenn sie in den nächsten Tagen nach Berlin umsiedelte. Das Klingeln eines Handys riss ihn aus seinen Gedanken. Erleichtert stellte er fest, dass es nicht seins war. Auf einen Notfall hatte er gerade überhaupt keine Lust. „Hallo Mama", hörte er Rosas Stimme. Er nahm einen dezent genervten Klang darin wahr. Okay, sie hatte noch den Sattel von Dalia über ihrem Arm und balancierte das Telefon zwischen Ohr und Hals. Da konnte er ja mal Gentleman sein. Er schnappte sich den Sattel und räumte ihn an seinen Platz. Rosa lächelte ihn dankbar an und nahm das Handy richtig in ihre Hand. Das war mit Sicherheit gesünder für die Muskulatur ihrer Halswirbelsäule und ihres Rückens. „Ja Mama, ich habe schon alles zusammengepackt. Papa muss das dann nur noch in drei Tagen in sein Auto stapeln. Und übermorgen packe ich mein Auto mit Dalias Sachen, damit ich sie dann mit meinem Auto und dem Hänger überführen kann." Stimmt, ihr Umzug stand ja am Wochenende an. Vielleicht sollte Phil sie einfach nach Berlin begleiten. Das Wochenende hatte er schließlich frei und ein Kollege übernahm den Notdienst, weil die Handwerker die abschließenden Arbeiten machten, die keinen Praxisbetrieb zuließen. Ja, das wäre noch einmal eine perfekte Gelegenheit für einen kurzen Wochenendausflug. „Ja, Mama, mache ich. Ich muss jetzt aber auch Schluss machen, ich muss Dalia noch ihr Futter geben......Jaaaa Mama, ich esse auch genug und nicht nur das Pferd. Tschüß, hab dich lieb."  Rosa  beendete das Telefonat und verdrehte ihre Augen. Phil musste schmunzeln. Das sah bei ihrem Engelsgesicht trotzdem nur niedlich und nicht wirklich genervt aus. „Wenn das in Berlin so weiter geht, drehe ich bestimmt bald durch." Rosa schüttelte ihren Kopf. „Sie  ruft jeden Tag mindestens einmal an, um zu fragen, ob ich auch richtig esse. Dann ruft Papa auch noch an und selbst Sascha kann seine Flitterwochen scheinbar nicht genießen, ohne zu wissen, was ich gegessen habe. Man könnte echt glauben, ich hätte eine Essstörung oder wäre unterernährt." „Hast du denn heute schon was gegessen?" Rosas Kornblumen fingen an zu blitzen. „Du jetzt nicht auch noch!" Rosa deutete mit ihrer Hand an ihrem Körper entlang. „Sehe ich so aus, als würde ich gleich verhungern." Okay, jetzt war da dann doch das kleine genervte Teufelchen. Und ehrlich gesagt sah dieses Teufelchen eher so aus, als würde an ihrem Körper alles genau da sein, wo es hingehörte. Okay, sie hatte jetzt nicht gerade den größten Vorbau, aber das würde Phil zum Beispiel nicht gerade stören. Er war nicht so der Riesentitten-Fetischist. Und er wusste auch, dass es vielen anderen Kerlen so ging. Viel wichtiger war das Gesamtbild. Und das war bei Rosa perfekt. Da würden mit Sicherheit ein paar Berliner Jungs Schlange stehen. „Nee, siehst du nicht, aber dann wäre es ja auch fast schon zu spät, wenn du so aussehen würdest. Meine Frage habe ich aber auch aus einem anderen Grund gestellt." Er griff mit seiner Hand theatralisch zu seinem Bauch. „Würdest du einen fast verhungernden Reiterkumpel zum Essen begleiten?"  Schlagartig hatte sich Rosas Gesicht rot gefärbt und das Teufelchen war wieder dem Engelchen gewichen. Warum lief sie denn nun schon wieder rot an? Es wäre doch nicht das erste Mal, dass sie zusammen etwas Essen gehen würden.
Manno, das war ja total peinlich! Rosa spürte, wie sie förmlich glühte. Erst animiert sie Phil ihren Körper zu mustern und dann nötigte sie ihn auch noch förmlich, dass er sie zum Essen einlud. Naja, immerhin musste man ihm lassen, dass er sich bei der Musterung ihres Körpers, sich nicht angewidert geschüttelt hatte. Die wenigsten Männer standen auf ein Flachland, das von einer langen Dürre heimgesucht wurde. Aber im Grunde war das vorgeschlagene Essen auch eine gute Vorlage. Sie wollte ihn ja noch etwas wegen Berlin ausfragen. „Na da muss ich dann ja wohl Nothilfe leisten", grinste sie breit. „Ich kann dich ja nicht verhungern lassen. Wer kümmert sich sonst um Dalia und Nado." „Das ist mein hartes Los als Tierarzt", stöhnte Phil und griff sich leidend an die Brust. „Alle sind nur an meinem Veterinärwissen interessiert, aber nicht an meinem Wohlergehen." Mist, Rosa spürte schon wieder diese Wärme in ihren Wangen. Wieso hüpfte sie eigentlich in jedes Fettnäpfchen. Quatsch, sie nahm Anlauf und rannte ungebremst in jede Fritteuse. Phil musste doch jetzt wirklich denken, sie nutzte ihn nur aus. So war das aber nicht. Sie mochte ihn wirklich als ihren Reitbuddy und würde ihn in Berlin ziemlich vermissen.

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt