Rosa rollte den Flur zu Phils Büro entlang. Ihr folgte ein schlaksiger Kerl in ihrem Alter. „Und du hilfst hier aus?", ertönte die Stimme hinter ihr. Sie nickte nur kurz. Die Lust auf ein Gespräch mit einem Konkurrenten war bei ihr nicht sehr groß. Dazu war sie viel zu aufgeregt. „Na, da muss der ja echt verzweifelt sein", feixte der Idiot. „Da habe ich die Stelle dann ja wohl sicher." Rosa hielt sich mit einem Kommentar zurück, auch wenn es ihr eigentlich auf der Seele brannte, diesem Schnösel ihre Meinung zu geigen. Aber wenigstens funkelte sie ihn sauer an und deutete auf die angelehnte Tür, „Na ja, keine Angst, ich bleibe sowieso nur ein paar Tage, um meinen guten Willen zu beweisen, damit mir das Amt die Kohle nicht streicht. Danach kannst du ja wieder einspringen." Mit einem Zwinkern schob er die Tür auf und verschwand in Phils Büro. Rosa biss sauer die Zähne zusammen. Dieser Idiot hatte sie so von oben herab behandelt. Im Gegensatz zu dem wollte sie wenigstens wirklich hier arbeiten. Ihr Rollstuhl war ja als Einschränkung ein Klacks gegen den seine charakterliche Einschränkung. Nee, da rollte sie lieber weiter durch die Gegend als auch nur einen Tag so blöd zu sein. Und faul nicht zu vergessen! Hoffentlich fiel Phil nicht auf den seine Masche herein. Aber wenn er sich für ihn entschied, würde sie ihn auf alle Fälle warnen. „Du schaust ja, als würdest du den Idioten gleich mit deinen Augen töten." Sebastian schaute aus der Labortür zu ihr und zwinkerte ihr zu. „Ich werde nachher mit dem Chef darüber reden, was er gerade abgelassen hat. Der geht ja mal überhaupt nicht." Rosa nickte und atmete erleichtert auf. Dann musste sie niemand anschwärzen und konnte sich mental lieber selbst auf ihr Bewerbungsgespräch vorbereiten. „Wie viele kommen denn heute noch?" Sie hob ihr Finger, die vor Aufregung leicht zitterten. Sebastian verzog sein Gesicht. „Nur noch drei. Na hoffentlich taugen die wenigstens etwas. Die bisherigen Bewerber kannst du ja alle in die Tonne knicken." Ja okay, die Konkurrenz war bisher wirklich nicht sehr beeindruckend gewesen. Rosa rollte zurück an den Schreibtisch von Verena, die schon in der Pause war. Sie hatte wohl immer noch Rückenprobleme und musste zum Physio. Deshalb übernahm Rosa in der Zwischenzeit ein paar ihrer administrativen Aufgaben. Ja, Rechnungen schreiben und rausschicken konnte sie auch. Außerdem erleichterte es ihr, Einfluss auf die Reihenfolge der Bewerber zu nehmen. Sie wollte ja als letzte an der Reihe sein. „Hallo, ich bin hier zu einem Gespräch eingeladen worden." Vor ihr war eine Frau mit langen dunklen Haaren aufgetaucht. Rosa schätzte sie auf vielleicht Mitte zwanzig. Dann musste das bestimmt die nächste Bewerberin sein. Ja, irgendwie kam sie ihr auch von den Fotos bekannt vor. „Mein Name ist...." Ja, sie war die nächste Bewerberin, die Rosa eingeladen hatte. „Setz dich doch da auf einen der Stühle. Es dauert bestimmt nicht mehr lange." Rosa deutete zum Wartezimmer. „Ach nee, ich bleibe lieber hier und unterhalte mich etwas mit dir. Sag mal, stimmt es, dass der Doc noch Junggeselle ist und keine Freundin hat?" Was war das bitte für eine Frage? „Meine Freundin ist hier nämlich mit ihrem Chihuahua in Behandlung und hat mir das erzählt. Er soll ja ein echtes Sahneschnittchen sein. Sie hat mir auch von der vakanten Stelle erzählt." So wie sie dabei zwinkerte, war Rosa sich nicht sicher, ob sie die in der Praxis oder in Phils Leben meinte. Erst jetzt fiel ihr auch auf, wie aufreizend die Dame für ein Bewerbungsgespräch angezogen war. Okay, die Absichten würde Phil wohl ziemlich schnell durchschauen. Da brauchte er garantiert keinen Hinweis. „Boah eh, der ist ja mal anspruchsvoll!" Der schlaksige Typ kam kopfschüttelnd an ihrem Schreibtisch vorbei und wandte sich an die Dunkelhaarige. „Falls du dich hier auch bewirbst, muss ich dich warnen, der Kerl will echt, dass man auch am Wochenende arbeitet. Und morgens soll man auch schon um acht hier sein. Das ist doch unglaublich. Glatte Ausbeutung." Mit einem Türknallen verschwand er aus der Praxis. „Na dann komm!" Wieder einmal rollte sie den Weg in Richtung Phils Büro mit jemand im Schlepptau. Auch diesmal wusste sie schon, dass wieder eine Bewerberin mehr aus dem Rennen sein würde. Trotzdem legte sich ihre Nervosität nicht. Zurück am Schreibtisch trudelte auch schon der letzte Konkurrent ein. Wie Rosa aus den Bewerbungen wusste, war das auch ihr härtester, denn er hatte bereits zwei Semester Veterinärmedizin studiert, aber für sich erkannt, dass er nicht für das Studieren gemacht war. So hatte es jedenfalls in seiner Bewerbung gestanden. Er machte einen ruhigen Eindruck und versuchte Rosa in kein Gespräch zu verwickeln, sondern setzte sich einfach ins Wartezimmer. Die Dunkelhaarige kam an Rosas Schreibtisch vorbei und schüttelte ihren Kopf, so dass ihre gepflegten Locken mitschwangen. „Du hättest mir ruhig sagen können, dass der Doc nicht auf Frauen steht. Das muss ich gleich meiner Freundin sagen. Dann ist ihr Hund bestimmt auch nicht mehr so oft krank." Ihrer Stimme klang mehr nach Empörung als nach Enttäuschung. Rosa brachte den letzten Konkurrenten zu Phils Büro. Diesmal rollte sie aber nicht zum Schreibtisch zurück, sondern wartete im Gang. Verflucht! Ihr Herz schlug mit jeder Minute, die verging etwas schneller und ihre Handflächen waren feucht. Im Geiste ging sie all ihre Argumente durch, die sie vorbringen wollte und die für sie als Bewerberin sprachen. Durch die Tür hörte sie leise Stimmen. Okay, die beiden hatten wohl ein gutes Gespräch. Sie schaute auf ihre Uhr. Ja, dieser Bewerber war bis jetzt am längsten dort drin. Mist! Hoffentlich entschied sich Phil nicht sofort für ihn. Die Tür wurde geöffnet und der Kerl kam heraus marschiert. „Wir melden uns!" Er schüttelte seinen Kopf. „Der glaubt doch nicht wirklich, dass ich bei einem Tierarzt anfange, der eine Persönlichkeitsproblem hat und von sich in der Mehrzahl spricht." Er lief schnurstracks ohne ein weiteres Wort an Rosa vorbei. „Na dann Tschüss!", warf sie ihm noch hinterher. Okay, dann war sie jetzt wohl an der Reihe.Entschlossen rollte sie in Phils Büro.
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Schuss und Treffer - Eigentor Teil 16 ✔️
Teen FictionRosas Leben läuft in perfekten Bahnen. Sie hat gerade ihr Abitur als Schulbeste bestanden. Da bremst sie auch kein Numerus Clausus aus. Ihr Traum vom Veterinärstudium in Berlin ist zum Greifen nahe. Und dann ist da dieser eine Tag, der alles, aber...