Kapitel 64

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„Ja, danke. Wir melden uns bei dir." Phil reichte dem Mädel ihm gegenüber die Hand zum Abschied und schaute ihr kopfschüttelnd hinterher als sie sein Büro verließ. Das war eine der Bewerberinnen auf die Praktikumstelle. Sebastian steckte seinen Kopf durch die Tür herein. „Und Chef, war das wer für unser Team?"  Phil gab ein Grunzen von sich. „Ja, also wenn wir jemanden suchen, der Tiere gesund streichelt und im Höchstfall mit ihnen Gassi geht. Das aber nur, wenn er nicht für den Kotbeutel und das Aufheben des Kots zuständig ist. Das ist nämlich ekelig, weißt du." Sebastian prustete los. „Im Ernst", grinste auch Phil. „Die Kleine hat sich das hier mehr wie im Streichelzoo vorgestellt und sich eigentlich nur beworben, weil ihre Eltern ihr nahegelegt haben, sich für Tiere zu engagieren, weil sich das immer gut im Lebenslauf macht." „Nee, echt?" Sebastian schaute ihn schockiert an. „Was geht heute bitte bei den Leuten ab? Haben wir denn noch ein paar Bewerber auf unserer Liste, die vielversprechender sind?" Phil zuckte mit den Schultern. „Also heute kommen noch zwei. Genaugenommen müsste einer schon im Wartezimmer warten. Kannst du ihn mir bitte reinschicken und dann vielleicht zu Rosa-Maria rübergehen und sie bitten uns ein paar Snacks zu machen, die mundgerecht sind, damit ich sie mir zwischendurch schnell in den Mund schieben kann. Ich befürchte nämlich, dass meine Mittagspause komplett für die Bewerbungsgespräche draufgeht. Allerdings könnte es auch passieren, dass ich nachher gar keinen Appetit habe, wenn die nächsten Bewerber genauso gestrickt sind wie die bisherigen." Sebastian salutierte kurz grinsend vor Phil. „Wird gemacht Chef. Ich drücke uns dann mal die Daumen. Andererseits wenn du keinen Appetit mehr hast, dann bleibt mehr für mich." „Vergiss es, du wirst auch so schon immer fetter. Und bei Rosa-Marias Essen mache ich keine Gefangenen", knurrte Phil. „Na dito, du warst auch schon mal mehr in Form, als du keine Köchin hattest, Chef." Sebastian verschwand lachend und Phil wandte sich wieder seinem Display zu, auf dem er das Schreiben des nächsten Bewerbers aufgerufen hatte. Eine Viertelstunde später schüttelte Phil wieder mit dem Kopf als Sebastian einen Teller mit Sandwiches vor ihm abstellte. „Ich soll dir einen schönen Gruß von deiner Köchin ausrichten. Sie macht heute Abend extra eine Paella für dich." Sebastian verzog sein Gesicht. „Du kannst echt Glück haben, Chef. Für mich gibt es heute Abend höchstens Tiefkühlpaella." „War das dein wenig subtiler Versuch dich zum Abendessen einzuladen? Du kannst gerne mitessen. Rosa-Maria kocht sowieso immer für eine ganze Armee." „Na da sage ich nicht nein, Chef. Aber jetzt mal zu dem Jungen eben. Ist er was für uns? Kräftig sah er ja aus. Der kann mit Sicherheit ordentlich zugreifen. Also genau das, was wir brauchen." Phil winkte ab. „Nur, wenn wir ab heute auf computeranimierte Haustiere umstellen. Sein einziger Kontakt mit Tieren besteht in irgendsoeinem Computerprogramm von einer virtuellen Tierfarm. Kannst du es glauben, dass jemand noch nie wirklichen Kontakt zu Tieren hatte?" „Echt jetzt, Chef? Dann bleibt ja erst einmal nur noch das Mädel, dass im Wartezimmer wartet. Also ordentlich zugreifen fällt bei der jedenfalls schon mal flach, so winzig wie die ist. Da hast du fast Angst, dass sie dir gleich auseinander fällt." Sebastian winkte ab. „Aber das ist ja nicht das wichtigste. Wenn wir jemanden haben, der schon die ganzen Sachen zureicht, hilft das ja auch.  Die schweren Sachen kann ich ja weiterhin übernehmen. Hauptsache wir werden überhaupt etwas entlastet. Außerdem ist ja auch noch die Anzeige für den Auszubildenden geschaltet." Ja, darauf hatte es bis jetzt noch nicht so viel Rücklauf gegeben, deshalb hatte Phil das auch noch zurückgestellt. Ein Praktikant bedeutete weniger Schreibkram und konnte sofort anfangen. Das war viel wichtiger, denn sie brauchten zeitnah Unterstützung, damit ihnen hier nicht alles über den Kopf wuchs. Außerdem war ein Auszubildender eine Langzeitaufgabe und musste zu 100 Prozent ins Team passen. „Na dann schicke mir mal die zerbrechliche Elfe herein. Vielleicht ist sie ja unsere Rettung." Sebastian nickte und verschwand aus dem Büro. Phil biss von einem der Sandwiches ab. „Das ist aber kein gesundes Essen." Vor Phil war ein Mädel aufgetaucht, das ihn missbilligend anschaute. Der Beschreibung von Sebastian nach zu urteilen, musste das die nächste Bewerberin sein. „So wie ich das sehe ist das Wurst, die nicht vegan ist und von einem Tier stammt. Das kann ich überhaupt nicht gut heißen. Gerade sie als Tierarzt sollten wissen unter welchen schrecklichen Bedingungen Tiere gehalten und geschlachtet werden, um uns überflüssiger Weise als Nahrung zu dienen. Alleine schon der Verzehr von Milch und Eiern ist ein Verbrechen an den Tieren. Wir....." Na bravo, eine militante Veganerin hatte Phil ja gerade auch noch gefehlt. Phil schaltete seine Gehörgänge auf Durchzug und ließ sie weiter ihre einstudierten Parolen abspulen, während er erneut in sein Sandwich biss. „Also, das geht ja so überhaupt nicht", empört wandte sich die Elfe um und stürmte aus dem Raum. Wenigstens konnte Phil ihrem letzten Satz uneingeschränkt zustimmen. Ja, das mit ihr hier in der Praxis ging ja so überhaupt nicht. Vielleicht wollte sie seine Patienten auch noch zum Veganismus zwingen. „Was war denn mit der? Bist du der auf die Füße getreten, Chef? Die ist an mir vorbei gestürmt und hat mich als Hilfskraft eines Verbrechers beschimpft." Phil zuckte mit den Schultern. „In ihren Augen ist es ein Verbrechen tierische Produkte zu sich zu nehmen." Sebastian schaute ihn ungläubig an. „Die ist so frei gedreht, weil du Chorizo isst?" Er deutet auf den Teller mit den Sandwiches. „Joa, das war eine militante Veganerin", nickte Phil und reichte Sebastian den Teller, damit er sich auch ein Sandwich nehmen konnte, was der auch sofort grinsend tat. „Also so etwas brauchen wir wirklich nicht." Sebastian biss in seinen Sandwich. „Die sollte mal lieber auch so etwas essen, dann würde sie nicht wie ein Haufen Knochen aussehen", schmatzte er kauend. „Bei der hätten wir ja Angst haben müssen, dass unsere Hundepatienten sie für einen beweglichen Kauknochen halten, Chef." Okay, bei Phil setzte ein Kopfkino ein und er musste lachen, auch wenn die Situation in der Praxis eigentlich nicht zum Lachen war. „Das war erst einmal die letzte Bewerberin. Und was machen wir jetzt?" Sebastian zuckte mit den Schultern. „Na das Gleiche wie die ganze Zeit. Wir stemmen das hier beide zusammen. Hat ja bis jetzt auch geklappt, Chef." Da hatte er recht. Trotzdem würde Phil weiter suchen und eine neue Anzeige schalten.

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt