Kapitel 144

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„Wollen wir noch zusammen einen Film schauen?" Phil schaute seine Schwägerin hoffnungsvoll an, die nur gähnend ihren Kopf schüttelte. „Nee, für mich ist jetzt Feierabend. Die Kids sind morgen garantiert in aller Herrgottsfrühe wieder auf den Beinen. Die kennen kein Ausschlafen am Sonntag. Und wenn sie dann auch noch Verstärkung haben, schon einmal überhaupt nicht." Ja, die Verstärkung war seine Tochter, die heute bei ihrem Cousin und ihrer Cousine übernachten würde, weil sie bereits vor einer Stunde todmüde eingeschlafen war. Nach dem Reiten waren Max und er zusammen mit Leokardia und der Rasselbande noch auf dem Weihnachtsmarkt. Pippa hatte den ganzen Trubel dort mit großen Augen beobachtet und dann beschlossen, dass das cool war. Sie hatte Phil erzählt, dass sie noch nie auf so einem Weihnachtsmarkt war, dafür aber auf der großen Parade der heiligen Könige in Palma, die dort mit dem Boot ankamen. So wie die Augen von Pippa bei ihrer Erzählung geleuchtet hatten und wie sie immer Blanca erwähnte, schien das wohl eine ihrer schönsten Erinnerungen an ihre Mutter zu sein. Na wenigstens einmal schien sie ja etwas mit ihrem Kind unternommen und nicht nur etwas versprochen zu haben. Wie immer, wenn Phil an Blanca dachte, kochte die Wut in ihm hoch. Wieso hatte diese Frau sich nicht einfach nach Pippas Geburt bei ihm gemeldet und ihm wenigstens mitgeteilt, dass er Vater war? Dann hätte er für die Kleine da sein können, als sie es nicht konnte. Auch wenn er José dankbar dafür war, dass er sich immer zusammen mit Marisol um Pippa gekümmert hatte, hätte er das eigentlich tun sollen. Durch dieses dämliche Verheimlichen war ihm ein Teil von Pippas Leben entgangen, den er nie wieder nachholen konnte. Er würde nie ihre Windeln wechseln müssen oder sich über ihr erstes Wort oder Lächeln freuen können, genauso wenig wie über ihre ersten Schritte oder den ersten Zahn. Verflucht! Was hatte sich Blanca nur dabei gedacht? Wieso hatte sie einfach über seinen Kopf hinweg entschieden, dass er noch zu jung für ein Kind war? Das wäre nicht ihre, sondern seine Entscheidung gewesen. Klar war er mitten im Studium damals und hatte noch nicht viel zu bieten, außer Liebe. Aber hätte das nicht reichen sollen? Alles andere hätte sich ja mit der Zeit entwickelt. Er hätte sein Studium beendet und ihr in der Praxis zur Seite gestanden. Wieso hatte sie ihnen beiden diese Chance nicht gegeben? Und ihrer Tochter? Es war einfach Scheiße und überheblich, wenn Leute für andere mitentschieden, ohne ihnen überhaupt eine eigene Wahl zu lassen. So etwas war einfach nicht fair. Jeder sollte selbst bestimmen können, was er mit seinem Leben anfing und mit wem er es verbrachte, auch wenn es vielleicht dadurch anders als geplant verlief. Das war etwas, was er Blanca niemals verzeihen könnte. „Du kannst ja dann morgen die Brötchen für das Frühstück mitbringen, wenn du deine Tochter abholen kommst." Leokardia umarmte Phil kurz zum Abschied. „Ich bin dann mal weg und halte unser Bett warm bis du deinen Bruder losgeworden bist", zwinkerte sie Max zu, der sofort breit grinste. „Das dürfte nicht so lange dauern", zwinkerte er zurück und wandte sich Phil zu. „Du hast meine Frau gehört. Es ist Zeit für dich den Weg auf dein eigenes heimisches Sofa zu finden." „Echt? Du schmeißt mich raus? Ich dachte, wir beide könnten dann wenigstens noch einen Film zusammen schauen. So wie früher." Ja, nach der Diskussion mit Rosa im Reitstall war Phils Bedürfnis ziemlich geschrumpft, ihr heute noch einmal über den Weg zu laufen. Morgen wäre mit Sicherheit auch noch früh genug. Vielleicht hatte sie dann eine Nacht über alles geschlafen, was er ihr gesagt hatte, und konnte nachvollziehen, dass er damit vollkommen recht hatte. Ja, das wäre perfekt. Dann konnten sie einfach zu ihrer guten Freundschaft zurückkehren und alles wäre wieder so, wie es vor ein paar Wochen noch war. „Früher? Wann jetzt genau? Vor zwanzig Jahren als wir gerade in die Schule gekommen sind?" Phil verzog sein Gesicht. „Ist das echt so lange her?" Max nickte. „Dann wird es aber Zeit, dass wir unbedingt wieder zu so einem alten Ritual zurückkehren, dass wir viel zu lange haben ruhen lassen. Du darfst auch den Film aussuchen." Er klopfte seinem Zwilling auf den Rücken und lehnte sich gemütlich im Polster zurück. „Nichts da! Ich werde bestimmt nicht auf diesen billigen Trick reinfallen. Wir werden jetzt keinen Film schauen, weil du die Hosen voll hast, Rosa über den Weg zu laufen." „Ich habe doch nicht die Hosen voll!", empörte sich Phil sofort. Er hatte noch nie vor irgendetwas die Hosen voll. „Ich will Rosa nur Zeit zum Nachdenken geben. Außerdem wie kommst du überhaupt auf die absurde Idee, dass ich die Hosen voll habe?" „Also erst willst du stundenlang noch reiten, dann schleppst du die ganze Familie zum Weihnachtsmarkt und futterst dich hinterher bei uns durch, ehe du unser Sofa besetzt. Brauche ich da noch mehr Indizien? Du tust alles, um nicht in dein eigenes Haus zu müssen, in dem auch Rosa wohnt. Noch eindeutiger geht es ja nicht. Aber ein kleiner Tipp von dem erwachseneren und beziehungserfahreneren von uns beiden. Manchmal hilft Zeit zum Nachdenken nicht so viel wie gemeinsames Reden." Phil verzog sein Gesicht und gab ein unzufriedenes Brummen von sich. „Nur weil du Glück hattest, dass Leo es mit dir aushält, hat das nichts mit mehr Erfahrung zu tun." „Wenn du es sagst. Du bist ja der Fachmann" Max klopfte ihm auf die Schulter und sein Gesichtsausdruck sprach Bände. „Aber du hast ja meine Frau gehört, sie hält das Bett für mich warm. Also sieh zu, dass du zu dir nach Hause kommst. Vielleicht hast du ja recht und etwas Zeit zum Nachdenken kann nicht schaden." Wieder klopfte er Phil auf dem Rücken. „Also solltest du die Zeit ohne deine Tochter zu Hause nutzen und mal deine grauen Zellen etwas beschäftigen. Und morgen bringst du dann die Brötchen mit." Was sollte das denn heißen? Er hatte ja wohl schon mehr als genug nachgedacht, sonst wäre er ja nicht zu dem einzigen schlüssigen Ergebnis gekommen. Rosa war einfach zu jung und musste ihren Träumen folgen. Nein, daran würde auch noch tausendmal nachdenken nichts ändern. Alles andere wäre total verantwortungslos. Und das war er mit Sicherheit nicht!

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt