Rosa saß auf dem Beifahrersitz in Phils Auto und schaute sich neugierig die Umgebung an. „Wo fährst du hin?" Sie hatte echt noch keine Idee. Vor kurzem hatten sie auf der Autobahn Essen passiert und näherten sich jetzt Duisburg. Wo bitte wollte er hin? Okay, eigentlich war es ihr ziemlich egal, denn es war für sie eine Erleichterung, nicht den ganzen Tag im Haus zu sitzen und von weitem die Stimmen ihrer Familie zu hören, die Saschas Geburtstag im Garten feierten. Es war das erste Mal, dass sie nicht mitfeierte. Wieso war ihr Bruder nur so verbohrt? Er müsste sich doch nur bei Phil entschuldigen und seinen Fehler eingestehen. Das war doch nicht so schwer. Aber nein, lieber tat er ihnen allen weh. Elender Starrkopf! Diesmal konnte sie aber auch auf keinen Fall nachgeben. Das war sie Phil einfach Schuld. Sie dachte wieder an das Gespräch von Max und Phil, das sie im Reitstall belauscht hatte. Er war wissentlich das Risiko eingegangen mit ihrem dummköpfigen Bruder Zoff zu bekommen, nur um ihr und Dalia zu helfen. Das war so unglaublich toll von ihm. Ihr Blick wanderte zu ihm. In seinem Gesicht zeichnete sich ein breites Grinsen ab. Auch wenn sie nur sein Profil sah, wusste sie, dass seine Sommersprossen auf der Nase gerade wieder Salsa tanzten. „Das wirst du sehen, wenn wir da sind. Noch circa fünf Minuten wirst du neugierige Maus dich gedulden müssen." Ja, ihre Vermutung wurde bestätigt als er ihr das Gesicht zuwandte. Die Sommersprossen waren am Tanzen. Man, wie sie das liebte. Das sah immer so niedlich aus. Genau wie dieses freche Blitzen in seinen grünbraunen Augen. Die Farbe war total ungewöhnlich und passte total gut zu seinen rötlichen Haaren. „Was heißt hier neugierige Maus?" Bei den letzten beiden Worten stolperte ihr Herz etwas. Neugierige Maus hörte sich total süß an. Bisher hatte nur ihre Oma sie so genannt. Für die anderen war sie ja immer nur der Krümel. Manno! Was bildete sie sich denn ein? Phil nannte seine Schwestern bestimmt auch immer so. Das war doch nichts Besonderes für ihn. Sie schaute sich wieder die Umgebung an, um sich von diesen blödsinnigen Gedanken abzulenken. Phil bog auf einen Parkplatz ab. „Wir gehen in den Zoo?", platzte es überrascht aus ihr heraus. „Na klar! Du wolltest heute lernen. Und das machen wir jetzt hier am lebenden Objekt. Schließlich bin ich dein Ausbilder und das ist mein Job." Ja klar, was sonst. Was hatte sie sich eingebildet? Dass er den Tag mit ihr heute als Freund verbrachte? Das war ja Blödsinn. Er war Saschas Freund und sie nur die kleine Schwester, die bei ihm ihre Ausbildung machte. Also, warum spürte sie Enttäuschung in sich aufsteigen? Das war völlig fehl am Platz! Sie würde den Tag heute genießen und alles an Wissen mitnehmen, was sich ihr bot. Schließlich wollte sie Phil nicht enttäuschen, wo er ihr doch die Chance gegeben hatte bei ihm zu arbeiten.
„Ich war schon ewig nicht mehr im Zoo." Rosa schaute sich um, nachdem sie den Eingang passiert hatten. Phil hatte sie nicht einmal ihren Eintritt zahlen lassen, sondern darauf hingewiesen, dass das eine Lernveranstaltung war, die auf Kosten des Arbeitgebers ging. „Möchtet ihr ein Foto machen?" Eine Frau mit Kamera um den Hals trat auf sie zu. „Ihr könnt es dann nachher da, wo die Zooschule ist, abholen. Heute gibt es auch extra einen Schlüsselanhänger mit dem Foto dazu." Während Rosa noch überlegte wie sie am freundlichsten eine Ablehnung formulieren konnte, beugte Phil sich schon zu ihr herunter und stupste sie an. „Spaghettisauce!" „Das heißt nicht Spaghettisauce sondern Käsekuchen", protestierte sie kichernd. „Perfekt! Hier habt ihr den Abholzettel für später." Die Fotografin drückte Phil ein Papierstück in die Hand, das er in seiner Hosentasche verschwinden ließ. „Na dann lass uns mal auf Exkursion gehen. Wenn wir uns beeilen, sind wir noch pünktlich bei der Delfinvorführung." „Delfine gibt es hier?" Das hatte Rosa gar nicht gewusst. Okay, sie war auch noch nie in Duisburg im Zoo. „Ja klar, da habe ich sogar mal ein Praktikum während meines Studiums gemacht. Mal schauen, ob ich noch jemand kenne und wir vielleicht mal hinter die Kulissen schauen dürfen." Er zwinkerte ihr zu und seine Sommersprossen tanzten Samba. Rosa griff zu ihren Handläufen und schob los, so schnell sie konnte. „Hände weg. Ich übernehme das." Phil ließ ihr wirklich gerade noch Zeit ihre Hände zurückzuziehen, als er auch schon mit ihr losschoss. „Möpmöp! Platz da! Wir haben es eilig!" Die Leute, die gemütlich vor ihnen schlenderten sprangen kopfschüttelnd zur Seite. Rosa lachte lauthals los, während Phil sie weiter im halsbrecherischen Tempo durch die Gegend schob und die Leute beiseite möpte. „Geschafft!"Mit schlitternden Schuhen kam Phil auf dem Schotter vor einem Haus zum stehen. „Du bist unmöglich", kicherte Rosa ausgelassen. Sie wusste nicht, wann sie das letzte Mal so viel Spaß gehabt hatte. Mit Sicherheit lange vor dem Unfall. Nee, wenn sie genau überlegte, war es sogar ziemlich kurz vor dem Unfall gewesen. Ja, bei den gemeinsamen Ausritten mit Phil hatte sie genauso viel Spaß gehabt. „Na, ich werd ja nich mehr. Wenn dat nich mein Lieblingsprakti ist. Menschenskind, wat machst du denn hier?" Ein älterer Herr in Arbeitsklamotten war neben ihnen aufgetaucht. „Ich dachte, ich zeige meiner Freundin hier mal den schönsten Zoo der Gegend." Hatte Phil sie gerade seine Freundin genannt? Dann war das ja gar kein Arbeitsausflug sondern ein privater. Rosas Herz legte ein paar Schläge zu. Der Gedanke gefiel ihr sehr gut. „Wat heißt hier der Gegend. Du meintest wohl der Welt." Phil schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Wie konnte mir nur dieser blöde Fehler unterlaufen, Henning. Natürlich der Welt. Meinst du nach der Vorführung könnten wir auch mal hinter die Kulissen des schönsten Delfinariums der Welt schauen?" „Na, dat is doch mal Ehrensache, dat du deiner Süßen hier alles zeigst." Henning wackelte mit seinen Augenbrauen und Rosa spürte diese verfluchte Hitze in ihren Wangen. Das war eine echte Familienkrankheit, dass sie immer alle zu Glühwürmchen mutierten. Das ging nicht nur ihr und ihrem Vater so, sondern auch Sascha. Ob er sie wohl vermisste? Egal! Sie hatte gerade ein ganz anderes Problem. Wie reagierte Phil wohl auf die Süße? Ihre Blicke trafen sich und er zwinkerte ihr zu. Auch wenn sie aufatmete, verwandelte sie sich gerade vom Glühwürmchen zum Tomatenfrosch. Der war auch knallrot und hatte große Augen. Verflucht, war das peinlich!
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Schuss und Treffer - Eigentor Teil 16 ✔️
Teen FictionRosas Leben läuft in perfekten Bahnen. Sie hat gerade ihr Abitur als Schulbeste bestanden. Da bremst sie auch kein Numerus Clausus aus. Ihr Traum vom Veterinärstudium in Berlin ist zum Greifen nahe. Und dann ist da dieser eine Tag, der alles, aber...