Kapitel 127

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An der Tür ertönte ein leises Klopfen. Scheiße! Wahrscheinlich war es jetzt soweit. Vielleicht hatte Phil aber auch Glück, dass es nur eine Anwaltsangestellte mit etwas Kaffee war. Obwohl, den brauchte er garantiert nicht mehr. Sein Herz schlug so schnell, dass er sich nicht sicher war, dass es ihm nicht vor Panik aus der Brust sprang. Er hörte in seinen Ohren seinen eigenen Puls. Das war absolut nicht gesund. Die Tür öffnete sich einen Spalt und ein Frauenkopf linste hindurch. Die Gesichtszüge der Dame entspannten sich als sie ihre Kollegin entdeckte. Die Tür öffnete sich weiter und um Phils Brust zog sich das Band immer fester. Er wurde jetzt in diesem Moment zum Vater! Wie konnte das passieren? Er hatte doch immer so gut aufgepasst. Bis auf scheinbar dieses eine Mal. Das war wegen Blanca. Sie hatte ihn so aus dem Gleichgewicht gebracht, dass er unvorsichtig geworden war. Und jetzt hatte er den Salat. Ein Kind! Er und ein Kind, das war wie...wie ....ihm fiel spontan nicht einmal ein Vergleich ein, der diese Absurdität wirklich abbilden konnte. Trotzdem war es jetzt so. Und das würde sich auch niemals mehr ändern. Er, die ungeeignetste Person der Welt, würde jetzt für den Rest seines Lebens Vater sein und auch noch den Part der Mutter ersetzen müssen. Wie sollte er das denn schaffen? Hatte ihm gerade jemand einen Mühlstein um den Hals gehangen? „Guten Tag, die Herrschaften!" Die Dame von der Behörde lächelte alle Anwesenden freundlich zur Begrüßung an. Sie hatte ja auch gut lachen! Sie konnte die Verantwortung für den Krümel ja jetzt abgeben. Da würde Phil auch lächeln. So fiel es ihm aber schwer. Dazu war er viel zu angespannt. „Wo ist das Kind?" Ihre Kollegin schaute sich suchend um. „Sie wartet vor der Tür und weigert sich herein zu kommen." „Was hat sie gesagt?" Phils Vater stupste ihn an. Ja klar, er verstand ja das Spanisch nicht. „Die Kleine weigert sich hereinzukommen", übersetzte Phil ihm. Er verzog sein Gesicht. „Das ist ja auch kein Wunder. Wie soll so ein kleiner Mensch verstehen, was hier gerade passiert. Los, geh du zu ihr!" Wie stellte sich sein Vater das vor? Er konnte doch nicht.....scheinbar war das egal, denn sein Vater schob ihn Richtung Tür. „Wir beide machen das jetzt zusammen!" Okay, wenn ihm jemand helfen konnte, dann sein Vater. Phil war total mulmig im Magen. Vielleicht hätte er doch lieber etwas frühstücken sollen. Die Einsicht half aber auch nicht mehr. Außerdem hätte er sich dann jetzt wahrscheinlich hier übergeben. Das wäre noch peinlicher, als sein zögerliches Auftreten. Zögerlich? Das war er eigentlich nie! Er straffte seine Schultern. Man musste ihm ja nicht auch noch ansehen , dass ihm der Arsch auf Grundeis ging. Wie sollte das denn auf seine Tochter wirken. Selbst die kleinsten Welpen witterten schon die Angst ihrer Mutter. Das war beim Menschen sicher nicht anders. Phils Vater zog die Tür schwungvoll weit auf. „Ich kann es kaum erwarten meine neueste Enkeltochter kennenzulernen", zwinkerte er Phil aufmunternd zu. Ja klar, sein Vater liebte Kinder wie kein anderer. Wer war sonst verrückt genug elf davon in die Welt zu setzen. Und dann sah Phil dort ganz alleine auf dem Flur ein kleines Mädchen stehen. Sie wandte ihnen den Rücken zu und ihre ganze Körpersprache zeigte eindeutig ihre Ablehnung. „Alba schau mal, hier ist dein Vater." Die Dame, die die Kleine hergebracht hatte, war neben ihnen aufgetaucht. „Ich muss sie vorwarnen. Seit wir sie letzte Woche aus der Obhut von Bekannten ihrer Mutter geholt haben, hat sie kaum ein Wort gesprochen. Ich bin mir aber sicher, dass sich das bei ihnen schnell wieder legen wird, wenn sie erst einmal Vertrauen gefasst hat." Vertrauen fassen? Phil vertraute sich selbst ja nicht einmal und war sich nicht sicher, dass er als Vater taugte. Wie sollte das dann erst die Kleine? „Alba!", versuchte es die Dame vom Amt noch einmal. „Schau, dein Papa!" Der Körper zuckte nur ganz leicht. Konnte es sein, dass die Kleine weinte? Blöde Frage! Natürlich konnte es sein. Wie hätte Phil wohl reagiert, wenn er in dem Alter seine Mutter verloren hätte? Im Gegensatz zu der Kleinen hätte er aber gewusst, dass sein Papa für ihn da war. Außerdem hätte er auch noch seine andere Hälfte Max gehabt, deshalb alleine hätte er schon nicht das Gefühl gehabt, ganz alleine auf der Welt zu sein. Na ja, und Tessa und Maja wären auch noch da gewesen. Verflucht! Die Kleine musste sich so alleine und verlassen fühlen und so verzweifelt sein. Mit schnellen Schritten lief er auf sie zu und kniete sich neben sie, damit er mit ihr auf Augenhöhe war, wenn er sie zu sich herumdrehte. Ganz sanft legte er seine Hand auf ihre Schulter. Verflucht, fühlte sie sich zerbrechlich an! War das bei seinen Neffen und Nichten auch so gewesen? Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er dort auch die Angst gehabt hatte, dass sie gleich auseinander fallen würde, wenn er sie nur zu fest berührte. War das normal? Vorsichtig drehte er den kleinen Körper zu sich herum und schaute in ein blasses Gesicht mit jeder Menge Sommersprossen, das ihm sehr bekannt vorkam. Ja, es war, als schaute er in einen Spiegel. „Papa?" Die Augen der Kleinen schienen ihr ganzes Gesicht einzunehmen, so groß wirkten sie. War das die Überraschung oder der Zweifel, der sie so schauen ließ? Und dann geschah etwas, das Phil total aus dem Gleichgewicht brachte. Die Kleine schlang ihre Arme um seinen Hals und schluchzte auf „Mamá murió!" Ja, ihr Mama war gestorben.Das Schluchzen schnitt ihm so tief ins Herz. Er wusste nicht, was er gerade sagen sollte, aber er wusste eins. Er würde dieses kleine Ding nie wieder loslassen und dafür sorgen, dass ihm nie wieder etwas Schreckliches widerfahren würde. Er würde die Kleine.....Quatsch seine Tochter....mit seinem eigenen Leben beschützen. Er zog sie ganz fest in seine Arme und drückte ihr einen Kuss auf ihren Scheitel. Ab jetzt wären sie beide eine Einheit! Ja, ab jetzt würde es nur noch ihn und seine Tochter geben!

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt