„Verflucht! Wie fahren die hier denn?" Phil saß neben seinem fluchenden Vater auf dem Beifahrersitz. „Da willst du ja die Bananenschalen aus dem Fenster werfen, weil du denkst du bist mitten im Mario Cart." Sein Vater schüttelte den Kopf und hupte irgendjemanden an. Ja okay, auf Mallorca fuhren die Leute teilweise wirklich seltsam, das war ihm auch schon aufgefallen. Wahrscheinlich lag das an der Mischung der vielen Touristen aus unterschiedlichen Ländern, die sich mit den einheimischen Autofahrern mischten. Momentan hatte Phil aber ganz andere Dinge im Kopf. Er war unterwegs zu einer Testamentseröffnung. Der Anwalt hatte sich über den Testamentslasser bei dem Telefonat ziemlich bedeckt gehalten und ihn gebeten in seiner Kanzlei zu erscheinen. Das hieß, er wusste immer noch nicht, um wen es sich handelte. Vielleicht war ja doch alles ein Irrtum und beruhte nur auf einem Schreibfehler im Namen. Aber wer machte dann auch noch den Fehler und hinterlegte dazu seine alte Adresse. Er hatte schon so viel hin und her überlegt, um wen es sich handeln könnte, und war zu keinem logischen Ergebnis gekommen. Er kannte niemanden auf Mallorca und schon gar nicht aus der Zeit, in der er noch bei seinen Eltern gelebt hatte. Ja, in seinen wilden Zeiten hatte er viele Leute kennengelernt, aber keinen würde er davon mit Mallorca in Zusammenhang bringen. Und jetzt waren die wilden Zeiten definitiv vorbei. Seine Gedanken wanderten nach Dortmund zu Rosa. Ja, er hatte sie nicht mit nach Mallorca genommen und war nur alleine mit seinem Vater geflogen. Es war einfacher so kurzfristig zwei als vier Flugtickets zu bekommen. Seine Mutter hatte auch schnell zurückgezogen. Okay, einer musste sich ja auch um seine kleinen Geschwister kümmern. Und Rosa, sie hatte ihm versprochen Sebastian und den Vertretungsarzt, den er auf die Schnelle hatte verpflichten können, zu unterstützen. Das war so süß, wie sie ihm versichert hatte, dass sie ein Auge auf alles haben würde, damit auch nichts schief lief. Ja, sie wollte ihn unterstützen, so wie es in einer Beziehung sein sollte. Beziehung! Er ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen und bekam nicht einmal einen schalen Beigeschmack. Auch wenn er noch nicht dazu gekommen war, das wichtige Gespräch mit Rosa zu führen -da waren ja seine Eltern und der Brief dazwischen gegrätscht- war er sich sicher, dass sie beide die gleichen Wünsche und Vorstellungen für die gemeinsame Zukunft hatten. Ja, er hatte keine Zweifel, dass das funktionierte. Rosa war ein total anderer Mensch als damals Blanca. Außerdem kannte er sie schon viel besser und auch viel länger. Genaugenommen kannte er sie seit ihrer Geburt und hatte sie aufwachsen sehen. Und er selbst war auch älter geworden und hatte sich verändert. Ja, er würde das diesmal packen. Da würde nicht irgendetwas dazwischen platzen, was er nicht beeinflussen konnte. Bei Rosa musste er keine Angst haben, dass er ihr nicht genug war. Nein, seine kleine süße Kornblume war nicht materiell ausgerichtet, sondern hatte ein riesiges Herz für andere und vor allem für ihn. „Was grinst du denn so glücklich?" Sein Vater warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. „Du weißt doch noch gar nicht, was du geerbt hast. Vielleicht ist es irgendsoein seniler, morbider Zeckenfänger oder ein klappriger Gaul von einem ehemaligen Patienten." Sein Vater konnte einfach nicht offen zugeben, dass er Tiere eigentlich mochte und betitelte sie deshalb so abwertend. Das hatte Phil schon lange durchschaut. Wahrscheinlich war das sein Schutzwall, damit nicht jedes seiner Kinder irgendein Haustier anschleppte, denn dann wäre in seiner Familie ein halber Zoo entstanden. „Das wäre ja kein Problem, das gebe ich dann an dich weiter", lachte Phil. Er hatte auch schon in die Richtung gedacht, dass es sich vielleicht um einen alten Patienten von sich handelte. Vielleicht war das ältere Herrchen oder Frauchen ja nach Mallorca ausgewandert. Es gab ja genug Rentner, die es hierher zog. Und das mit der Adresse könnte dann ja auch passen, weil er früher in verschiedenen Dortmunder Tierarztpraxen seine Praktika abgeleistet hatte. Oder es war jemand, dem er in der Tierklinik mit seinem Liebling geholfen hatte. Es war ja auch in Berlin kein Geheimnis gewesen, dass er aus Dortmund kam und nur dort studierte. An seine Adresse zu kommen, wäre kein Problem gewesen. „Vergiss es, Großmaul! Ich bin da außen vor. Ich habe auch so schon mit meinen Enkeln alle Hände voll zu tun. Du glaubst ja nicht, was Merlin vorgestern angestellt hat." Phil hörte seinem Vater mit halbem Ohr zu, während seine Gedanken schon wieder zu Rosa abwanderten. Wenn er den Termin beim Anwalt hinter sich hatte, würde er durch Palma marschieren und Ausschau nach einem schönen Mitbringsel halten. Ja, er hatte das ausgewachsene Bedürfnis ihr etwas zu schenken, was sie immer an ihn denken lassen würde, auch wenn er gerade nicht bei ihr war, so wie jetzt gerade. Phil griff in seine Hosentasche und zog sein Schlüsselbund heraus. Mit seinem Zeigefinger strich er über den Schlüsselanhänger, der sich dort befand. Er musste sofort an den schönen Tag im Zoo zusammen mit Rosa denken. Sein Blick wanderte zu dem Bild in dem Anhänger und Rosas Lächeln ließ sofort eine warme Welle durch seinen Körper wandern. Verflucht, er war echt sowas von am Arsch! Aber ehrlich gesagt gefiel ihm der Gedanke fast genauso gut wie der Gedanke, dass er bald wieder bei ihr zu Hause sein und sie in seine Arme schließen würde. „Was hättest du da gemacht?" Scheinbar hatte er nicht einmal mit einem halben Ohr zugehört, denn er wusste nicht einmal worauf sich die Frage seines Vaters bezog. „Ähmm, das Gleiche." Die Antwort konnte ja eigentlich nicht falsch sein. „Du hast mir überhaupt nicht zugehört." Sein Vater warf ihm wieder einen Seitenblick zu. „Doch habe ich." Am besten erst einmal leugnen. „Dann hättest du Merlin also auch die Finger mit Sekundenkleber zusammengeklebt?" „Was? Natürlich nicht! Du hast...." Sein Vater hob seine Hand, um ihn zu unterbrechen. „Ich hatte das Gefühl, du hörst mir gar nicht zu und habe dir eine Falle gestellt, Großmaul." Er zwinkerte ihm zu. „Nein, ich habe den Sekundenkleber aus dem Haus verband, ehe er noch mehr Unfug damit anstellt als die Haare von dem Köter damit zu fixieren." „Er hat was?" Phil traute seinen Ohren nicht. Sein Vater winkte ab. „War nicht so schlimm, man konnte den Fetzen Fell einfach rausschneiden. Das wächst schon nach. Und du hör auf dir so Gedanken zu machen. Wir wuppen das bei dem Rechtsverdreher schon zusammen. Ich bin ja bei dir." Auch wenn sich Phils Gedanken nicht darum, sondern um eine kleine Teufelin gedreht hatten, war er nicht gerade unglücklich, dass sein Vater dabei war, um ihm zur Seite zu stehen, auch wenn er eigentlich nichts Schlimmes geschweige denn eine Katastrophe erwartete.
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Schuss und Treffer - Eigentor Teil 16 ✔️
Fiksi RemajaRosas Leben läuft in perfekten Bahnen. Sie hat gerade ihr Abitur als Schulbeste bestanden. Da bremst sie auch kein Numerus Clausus aus. Ihr Traum vom Veterinärstudium in Berlin ist zum Greifen nahe. Und dann ist da dieser eine Tag, der alles, aber...