Kapitel 45

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Phil lief mit einem Einkaufsbeutel in der Hand neben Nado her. Der Kleine trug stolz die Tageszeitung im Maul, die Phil zusammen mit den Brötchen und etwas Belag besorgt hatte. Ja, er war auch noch schnell in den kleinen Laden neben dem Bäcker geflitzt und hatte das Nötigste zusammengegriffen, damit sein Besuch nicht nur an den trockenen Brötchen knabbern musste. Auf dem Parkplatz vor seinem Haus entdeckte er das Fahrrad von Sebastian. Sein Helfer war immer mehr als pünktlich. Meist setzten sie sich noch etwas zusammen und tranken eine Tasse Kaffee bevor der Praxisalltag begann und besprachen schon einmal den Tagesplan soweit wie möglich. Natürlich unterhielt man sich da auch ein bisschen privat. Phil wusste, dass Sebastian erst seit kurzem geschieden war. Scheinbar hielten wirklich die wenigsten Beziehungen. Wie gut, dass Phil so keinerlei Ambitionen in diese Richtung hatte. Da konnte er wenigstens nicht enttäuscht werden. Trotzdem tat ihm sein Mitarbeiter leid, denn seine Exfrau hatte sich bereits erfolgreich umorientiert. Und erfolgreich war nicht nur in Bezug auf einen neuen Partner, sondern auch auf sein Gehaltskonto zutreffend. Ja, ein Bankfilialleiter brachte halt mehr Geld mit nach Hause als eine einfache tiermedizinische Fachkraft. Das wirklich Üble daran war, dass Sebastian eigentlich ein Veterinärstudium begonnen hatte, es aber abbrechen musste, weil seine Exfrau schwanger geworden war und er die kleine Jungfamilie versorgen musste. Tja, Undank war der Welten Lohn. Und zu allem Überfluss sah er jetzt seinen kleinen Sohn auch kaum noch, weil die Bankfiliale rein zufällig auch noch in Luxemburg lag. Ja, das war doch echt scheiße, wenn man ein Kind hatte und in dessen Leben kaum bis gar keine Rolle mehr spielte. Sebastian tat Phil wirklich leid. Vorsichtshalber hatte er für ihn auch zwei Brötchen gekauft. Er würde wohl nicht protestieren, wenn er zusammen mit seinen Gästen zum Frühstück eingeladen würde. Phil schmunzelte. Außerdem konnte er ihn gleich dazu vergattern ihm bei der Frühstücksvorbereitung zu helfen, damit alles auf dem Tisch stand, wenn seine Gäste erschienen. Die beiden waren ja nicht mehr die Jüngsten. Ältere Leute standen doch meist ziemlich früh auf und hatten senile Bettflucht. Also seine Eltern und Großeltern schliefen jedenfalls nicht bis in die Puppen. Das war das Vorrecht der jüngeren Generation, die meist auch erst sehr spät in die Federn kam. Phil schloss die Haustür auf und sofort scholl ihm Rosa-Marias spanische Stimme entgegen. Spanische Frauen hatten eine kräftige bestimmende Tonlage. Der Duft von frisch gekochtem Kaffee kroch Phil in die Nase. Das war wohl seinem hochmodernen Kaffeevollautomaten zu verdanken, den er sich hier zum Einzug spendiert hatte. Mit wem schimpfte sie denn da so? Und von welchen Eiern sprach sie? Jedenfalls drohte sie damit, dass sie gleich selbst schlagen würde.....aber richtig! Phil verzog sein Gesicht. Scheinbar hatten Alfonso und seine Köchin wohl ein ziemlich eigenartiges und etwas abartiges Verhältnis. „Buenos días" Phil lief fröhlich grinsend in die Küche, um sich das eben Gehörte nicht anmerken zu lassen. Sonst wurde es nachher noch für alle peinlich. Zu seinem Erstaunen entdeckte er aber dort nicht Alfonso, sondern Sebastian der ziemlich zerknirscht schaute. „Hallo Chef, gut das du endlich da bist. Ich habe echt keinen Plan, was sie meint, aber sie hört sich irgendwie unzufrieden an." „Sie will, dass du die Eier besser schlägst, sonst schlägt sie gleich deine Eier." Phil musste schmunzeln, denn Sebastian zuckte deutlich zusammen. „Das traue ich der glatt zu", brummte sein Helfer und der Schneebesen schlug heftiger gegen die Schüssel. „Wo hast du die Eier her?" Phil hatte geglaubt, dass sein Kühlschrank gähnend leer war. „Die standen in dem Vorratsschrank. Ein Wunder, dass noch keine Küken durch deine Küche laufen. Wie gut, dass ich etwas Serrano, Chorizo und Salchichón in meinem Koffer hatte." Das Kopfschütteln der älteren Spanierin zeigte ziemlich deutlich, was sie von Phils Haushaltsführung und im besonderen Vorratshaltung hielt. Und Phil fragte sich, was sie wohl noch alles in ihrem Koffer nach Deutschland eingeschleust hatte.„Bei dir laufen ja die Mäuse mit tränenden Augen aus der Küche." Sie schüttelte unzufrieden den Kopf. „Nachher fahren wir beide zum Markt und kaufen erst einmal ordentlich ein, bevor wir hier verhungern." Sebastian grinste Phil breit an. „Ich habe zwar nicht verstanden, was sie gesagt hat, aber es hört sich an, als würde sie dir den Arsch aufreißen, Chef." „Rosa-Maria, ich muss leider in die Praxis und bin unabkömmlich, aber du kannst gerne mein Auto haben", machte er ihr schnell ein Friedensangebot. Sie schüttelte jedoch empört den Kopf. „Ich kenne mich hier doch gar nicht aus. Und die Deutschen fahren wie die Selbstmörder, viel zu schnell. Du kommst mit." So wie sie das sagte, ließ das keinen Widerspruch zu. Vielleicht konnte er ja nachher Alfonso überreden mit ihr zu fahren. „Na, reißt sie dir gerade wieder den Arsch auf?", kicherte Sebastian. Der machte sich nicht gerade umsonst lustig. „Nö, ich habe ihr nur versprochen, dass du sie zum Supermarkt zum Einkaufen begleitest. Sebastians Gesicht wurde schlagartig ernst und Phil würde glatt behaupten, auch etwas blasser. Rosa-Marias Auftreten schien wohl etwas Angst in ihm zu erzeugen. Schon witzig, wenn man bedachte, was er für ein großer kräftiger Kerl war und was für eine kleine ältere Dame Rosa-Maria war. „Nee Chef, das kannst du vergessen. Ich kann gar nicht mehr Auto fahren. Du weißt doch, ich bin nur mit dem Tretesel unterwegs." In Phils Nase setzte sich der Duft nach gebratenem Ei fest. Er wandte sich wieder dem Frühstückstisch zu auf dem schon ein Teller mit Chorizo, und Serrano stand. Er breitete dort seine Beute aus , die er auf dem Hundespaziergang gemacht hatte. Sebastian schnappte sich eine Scheibe von der Chorizo. Das brachte ihm einen Klaps auf die Finger und einen Schwall Spanisch ein. Sebastian zuckte leicht zusammen, stopfte sich die Scheibe aber trotzdem in den Mund. „Hallo, guten Morgen. Ich hoffe Rosa-Maria hat euch noch nicht versklavt. Sie kann manchmal etwas herrisch sein." Alfonso war in die Küche spaziert. „Wann wollen wir denn zu Rosa in die Klinik fahren?" Der ältere Spanier schaute Phil erwartungsvoll an, als würde er augenblicklich los wollen. So wie es aussah, würde sein Leben in der nächsten Zeit mit seinen Gästen wohl etwas stressiger werden. Aber scheinbar auch lustiger, so wie Rosa-Maria Sebastian schon wieder eindrucksvoll auf Spanisch erklärte, dass er die Finger vom Serrano nehmen sollte und erst die Eier essen, ehe sie kalt wurden. Sebastian zuckte mit den Schultern „Chef, was hat sie gesagt?" „Guten Appetit", kam es von Alfonso. Sebastian nickte. „Das hört sich bei euch aber verdammt lang an." Er griff nach dem Löffel und schnappte sich Ei aus der Schüssel. Rosa-Maria lächelte zufrieden und Alfonso zwinkerte Phil verschwörerisch zu. Ja, das würde definitiv ein spaßige Zeit mit seinen Gästen werden.

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt