Kapitel 161

193 41 13
                                    


Rosa schnappte sich den Rucksack vom Rücksitz und schlüpfte durch die Schlaufen. „Sollen wir nicht doch noch mit reinkommen, Krümel?" Ihre Mutter rückte den Rucksack auf Rosas Rücken zurecht, so wie sie das früher immer getan hatte, wenn sie sie zur Schule gebracht hatte. Solche Angewohnheiten blieben einem wohl immer erhalten. Ob Rosa bei Pippa wohl auch bald welche entwickelte? Sie hoffte es, denn das wäre für sie das Zeichen, dass sie auch in der Mutterrolle angekommen war. Ja, sie würde versuchen der Kleinen eine genauso tolle Mutter zu sein, wie ihre eigene es bei ihr war. Jetzt musste nur noch Phil einsehen, dass er dem Ganzen auch eine Chance gab. Das war mit Sicherheit der schwierigere Teil an der ganzen Sache. Sie musste ihn überzeugen, dass sie nicht zu jung und unreif war. Und dann war da noch die Sache mit ihren Träumen. Auch da musste sie ihn überzeugen, dass die sich komplett gewandelt hatten. Hoffentlich glaubte er ihr das und gab nicht weiter den weisen alten Mann, der alles besser wusste. Diesmal würde sie sich jedenfalls nicht von ihm abschütteln lassen. Nein, sie würde ihm entschlossen gegenüber treten, so wie es die Frauen in ihrer Familie taten. Ihre Mutter ging auch keiner Diskussion mit ihrem Vater aus dem Weg, wenn ihr etwas wichtig war. Und ihre Beziehung zu Phil war ihr wichtig. Quatsch, nicht nur wichtig, sie war das Wichtigste überhaupt. Ja, sie würde es schaffen, ihn zu überzeugen. Was hatte ihr Alfonso mit auf den Weg gegeben? Er hatte sie zum Abschied umarmt und ihr ins Ohr geflüstert. „Princesa, man muss für seine Träume kämpfen, egal wie schwierig es ist. Am Ende gewinnt nur der, der niemals aufgibt." Ja, aufgeben war keine Option. „Alles okay, Krümel? Du wirkst so nachdenklich und hast deiner Mama nicht geantwortet. Hast du es dir noch einmal überlegt und willst doch hier bleiben?" Rosas Vater war auch aus dem Auto ausgestiegen und musterte sie besorgt. Er war von ihrer Reiseidee überhaupt nicht überzeugt und der Meinung, dass sie nicht zu Phil fliegen sollte, sondern der bei ihr angekrochen kommen müsste. „Auf gar keinen Fall", kam es gleichzeitig aus Rosas und dem Mund ihrer Mutter, die ihr aufmunternd zuzwinkerte. „Nein, ich fliege und ihr könnt wieder nach Hause fahren, dann seid ihr pünktlich zu Rosa-Marias Frühstück wieder zurück auf der Finca. Ich habe doch nur den Rucksack." „Ja, aber was ist mit deinem Frühstück?" Da war wieder der besorgte Blick ihres Vaters. Rosa klopfte grinsend gegen ihren Rucksack. „Rosa-Maria hat mir ein Lunchpaket gemacht." Er nickte. „Okay, dann kannst du wahrscheinlich den Bordservice übernehmen, wenn sie dein Handgepäck nicht vorher wegen Übergepäck aus dem Verkehr ziehen." Ihre Mutter trat auf Rosa zu und zog sie in die Arme. „Ich wünsche dir ganz viel Erfolg, mein Krümel. Und in zwei Tagen bist du dann mit deinen beiden Schätzen zurück. Ich bereite schon alles auf der Finca und der Katharina für euch vor", flüsterte sie Rosa ins Ohr und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich habe dich lieb, Mama." „Ich dich auch, mein Krümel." „Und wer hat mich lieb?" Ihr Vater war neben Rosa getreten und breitete seine Arme aus. „Ich" Rosa ließ sich in seine Arme fallen und wurde sofort fest an seinen Körper gezogen. „Du machst dem Kerl aber wenigstens ordentlich eine Ansage, wenn du ihm schon hinterherläufst. Und wehe, er stellt sich blöd an, dann rufst du an und Sascha und ich knöpfen ihn uns vor. Ist das klar, Krümel?" Rosa nickte, auch wenn sie wusste, dass das niemals passieren würde. Das war ganz allein ihre Sache und da hatte sich weder ihr Bruder noch ihr Vater einzumischen. Sie würde das ganz alleine klären und das erreichen, was sie sich wünschte. Hoffentlich. Jedenfalls würde sie sich nicht abschütteln lassen und kämpfen. „Willst du nicht lieber deine Gehhilfe mitnehmen?" Ihr Vater hatte die blöde Krücke aus dem Kofferraum gezaubert, die sie immer noch zur Sicherheit benutzte. Sie schüttelte ihren Kopf. „Nein, die brauche ich nicht mehr." Es war an der Zeit, dass sie wieder voll auf sich und ihre Kräfte vertraute. Und das nicht nur in körperlicher Sicht, sondern auch in mentaler. „Sicher?" Ihr Vater schaute sie skeptisch an. „Mensch Erik, jetzt schau nicht so. Unser Krümel weiß ganz genau, was er macht." Rosas Mutter umarmte sie noch einmal kurz. „So, ab mit dir. Das Flugzeug wartet nicht." Sie schob sie Richtung Eingang. „Ich brauche jetzt einen Kaffee und etwas von Rosa-Marias leckeren Rühreiern. Ab mit dir hinter das Lenkrad. Oder soll ich fahren?" Rosa drehte sich noch einmal zu ihren Eltern um.„Gott behüte." Ihr Vater schüttelte ausdrucksstark mit seinem Kopf. Sie musste lachen, denn ehrlich gesagt war ihre Mutter, ihrer Meinung nach, die bessere Autofahrerin. Sie schaffte es auch in die kleinsten Parklücken einzuparken, während ihr Vater da eher seine Probleme hatte. „Und melde dich, wenn du gelandet bist, Krümel", riefen ihr die beiden unisono zu. Sie nickte und winkte ihnen noch einmal zu, ehe sie ihren Weg in den Flughafen fortsetzte. Da sie den Flughafen von Palma seit ihrer frühesten Jungend kannte, schlug sie sofort den Weg zu den Sicherheitskontrollen ein. Sie hatte ja nur Handgepäck und musste nicht erst noch an einen Schalter. Mist, vor den Schranken der Kontrollen hatte sich eine Schlange gebildet. Verflucht, warum hatte sie nicht doch ihre Krücken mitgenommen, dann hätte sie sich wegen der Einschränkung garantiert etwas vor mogeln können. Ihr Blick ging zur Uhr. Egal. Sie war früh genug dran, dass sie keine Schweißausbrüche bekommen musste. Ja, sie wäre allemal pünktlich am Gate, ehe das Flugzeug abflog. Das war überhaupt kein Problem. Mit Sicherheit konnte sie nichts mehr davon abhalten, heute noch bei Phil aufzuschlagen und alles zu klären. Bei dem Gedanken breitete sich sofort ein warmes Glücksgefühl in ihr aus.

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt