Kapitel 25

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„So, die sitzt jetzt." Rosa hatte die Schleife um Saschas Hals gerichtet.  Er sah wirklich total schick in seinem schwarzen Smoking aus, den sie zusammen mit ihm in Düsseldorf ausgesucht hatte. Ja, sie beide waren extra dorthin gefahren, weil Sascha unbedingt eine größere Auswahl haben wollte. Rosa hatte sich gefragt, was es bei einem Smoking für eine Auswahl geben sollte, also außer der Farbe. Sie war dann aber eines besseren belehrt worden und musste zugeben, dass sich der kleine Ausflug wirklich gelohnt hatte. Ihr Bruder warf ein Blick in den Spiegel und zupfte noch eine Haarsträhne zurecht. So rot wie seine Wangen leuchteten, war er mächtig aufgeregt. Na hoffentlich vergaß er dann nicht das wichtigste, nämlich diese zwei aneinandergereihten Buchstaben. Als Trauzeugin war es Rosas Aufgabe ihn soweit abzulenken und zu beruhigen, dass das auf keinen Fall passierte. „Weißt du, dass ich seit gestern glückliche Besitzerin eines kleinen Welpen bin?" Ja, sie hatte sich entschlossen, den kleinen Unglücksraben zu adoptieren. „Wie jetzt?" Sascha schaute sie verwundert an und sofort platzten die Erlebnisse vom Vortag aus ihr heraus. „Das ist schön, dass du dann nicht ganz alleine in Berlin bist. So ein Hund ist schon etwas ganz Besonderes. So wie unsere Emma damals. Die war auch immer da. Da hat man sich nie alleine gefühlt." Sascha hatte seinen Arm um Rosa gelegt. „Und es beruhigt mich, wenn du da einen kleinen Aufpasser hast, wenn ich nicht da bin, um auf dich aufzupassen." Rosa musste grinsen. Wann würde ihr Bruder wohl begreifen, dass sie kein kleines Kind mehr war und auf sich selbst aufpassen konnte. „Du hast jetzt einen neuen Job. Du musst auf Delphie aufpassen." Das würde wahrscheinlich viel anstrengender für ihn als bei ihr in der Vergangenheit. Ja, ihre Freundin war weitaus risikobereiter und temperamentvoller als sie.  „Das heißt aber nicht, dass es nicht immer noch auch mein Job als großer Bruder ist, auf dich aufzupassen." Sascha zog sie etwas an sich und sie legte ihren Kopf an seine Schulter. „Das weiß ich doch, dass du immer für mich da bist, wenn ich dich brauche. Aber jetzt geht es darum, dass du glücklich wirst und dein Leben mit Delphie genießt." Rosa streckte sich etwas und drückte einen Kuss auf seine Wange. „Das eine schließt ja das andere nicht aus." „Das weiß ich, trotzdem möchte ich, dass du so verflucht glücklich wirst, wie es nur geht." Sascha zog sie ganz fest in seinen Arm und drückte seine Lippen auf ihr Haar. „Das Gleiche wünsche ich mir auch für dich." Sie musste schmunzeln. Ja, Sascha und sie hatten nie mit irgendwelchen Geschwistereifersüchten zu kämpfen gehabt. Sie waren schon immer ganz eng gewesen. Das würde sich jetzt auch nicht ändern. Aus ihrem Zweiergespann wurde nun nur ein Dreiergespann mit Delphie. „Hast du sonst noch Wünsche? Du weißt ja, heute ist dein Tag, an dem dir jeder Wunsch erfüllt wird", versuchte sie die rührselige Stimmung etwas aufzulockern.  „Ja, dass du mich jeden Tag aus Berlin anrufst, damit ich weiß, dass es dir gut geht." Rosa lachte. „Wenn es weiter nichts ist. Dann bleibt ja alles beim Alten." Ja, sie telefonierten sowieso täglich seit Sascha damals in seine eigene Wohnung gezogen war, und hielten sich über ihren Alltag auf dem Laufenden. Es klopfte an der Tür, die schwungvoll aufgerissen wurde. Phils grinsender Kopf tauchte auf. „ Mädels, hier spricht die Brautjungfer. Hopp hopp! Die Braut ist schon fertig und wird langsam ungeduldig. Und ihr wisst, was das bedeutet." Rosa musste schmunzeln. Ihr Bruder sprang sofort auf. Ja, mit einer ungeduldigen Delphie war nicht zu spaßen. Seine Wangen hatten auch wieder ein sattes Rot angenommen. Das war ein echtes Familiendesaster, wahrscheinlich würden sie beide um die Wette leuchten, wenn sie vorne am Altar standen. Da war Delphie mit Phil eindeutig besser bedient. Der ließ nur seine Sommersprossen fröhlich tanzen.
„Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau." Pablo, der Kapitän des Schiffs hatte die wichtigen Worte gesprochen. Obwohl, die wichtigsten fehlten ja noch. „Du darfst die Braut jetzt küssen, mein Junge." Da waren sie. Ja, Pablo kannte die Familie genauso lange wie Alfonso. Er hatte auch schon Rosas Eltern damals auf der Katharina getraut. Das war irgendwie scheinbar Tradition. Rosa musste vor Emotionen schlucken. Ihr Blick wanderte vorbei an Sascha neben ihr, zu Phil der auf der anderen Seite neben Delphie stand. Er zwinkerte ihr zu. „Ich sagte er darf die Braut küssen und nicht umgekehrt", lachte Pablo. Ja, da war sie die ungeduldige, spontane Delphie, die einfach ihre Arme um Sascha geschlungen und ihn geküsst hatte. Es hatte ihr wohl zu lange gedauert. „Das nennt man Gleichberechtigung", kicherte sie, nachdem sie sich wieder von Sascha gelöst hatte. „Das ist meine Tochter", hörte Rosa Delphies Mutter halb lachen, halb schniefen. „Ja, das ist voll meine Schwester", krähte auch Delphies jüngere Schwester Lu begeistert. „Jenau, dit is unsere Kleene. Die macht dit jenau richtig so wie se dit fühlt und denkt." Delphies Opa Chris war aufgesprungen und zum Brautpaar marschiert, um beide in seine Arme zu nehmen. „Das muss sie dann wohl von dir geerbte haben", lachte ihre Oma Dani, die ihm gefolgt war. Auch sie gratulierte überschwänglich. Es folgten Rosas Oma Christine und Opa Thomas, die die beiden auch herzten. „Ich hätte es ja mehr als angebracht gefunden, dass dein Vater auch der Trauung beiwohnt." Das war Saschas Schweizer Oma. Scheinbar tat sie sich je älter sie wurde immer schwerer damit, dass Sascha von Rosas Vater adoptiert worden war. „Ein Glück, dass das dein Großvater nicht mehr miterleben muss."  Seit ihr Mann nicht mehr lebte, hatte sie sich zu einer ziemlich schwierigen Person entwickelt. Es war erstaunlich, dass sie überhaupt die Reise nach Mallorca auf sich genommen hatte, besonders da sie die Beziehung von Sascha zu Delphie alles andere als gut hieß. Rosa fragte sich, was sie gegen ihre Schwägerin hatte. Sie war doch auch ihre Enkelin und hatte sogar zeitweise bei ihr gelebt. Vielleicht lag es aber auch darin begründet. Das würde Rosa wohl nie klären können. Um den ganzen Gratulanten Platz zu machen, ging sie etwas abseits zur Reling. „Und als nächste bist du dann dran." Alfonso hatte sich neben Rosa gestellt und seinen Arm um ihre Schulter gelegt. „Quatsch, ich habe doch mein Studium und gar keinen Freund. Dafür hätte ich auch gar keine Zeit." Sie schüttelte entschieden den Kopf. „Ich habe ja auch nicht gesagt, dass du im nächsten Monat oder Jahr heiraten sollst. Aber du wirst die nächste sein, die auf der Katharina heiratet." Okay, das war eine Aussage, mit der sie leben konnte. Da war ja kein Zeitaspekt drin. „Und das mit dem Freund kann sich schnell ändern, wenn du es nur zulässt. Diesen Ratschlag habe ich vor gar nicht so langer Zeit deinem Bruder auch gegeben. Und nun schau, was passiert ist. Alte Männer brauchen zwar eine Brille, weil sie nicht mehr so gut mit den Augen sehen können. Aber mit dem Herzen sehen wir noch wie ein Adler." Alfonso zwinkerte ihr zu. „Wie war gestern überhaupt der Ausritt? Ich habe schon von Phil gehört, dass ihr den Hund retten konntet und du ihn adoptieren willst. Er scheint wirklich ein sehr begabter Tierarzt zu sein. So wie du es auch bald sein wirst. Ihr habt ziemlich viel Gemeinsamkeiten." Was meinte Alfonso denn damit?

Schuss und Treffer -  Eigentor   Teil 16      ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt